Bundesliga:"Hier hat noch nie eine Mannschaft mit Zauberfußball gewonnen"

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Erster Gratulant: Rafinha herzt Bayern-Siegtorschütze Douglas Costa (links). (Foto: REUTERS)

Der FC Bayern spielt nicht schön, aber erfolgreich - und bleibt vor dem Topspiel gegen Leipzig Tabellenführer. Erst ein Traumtor von Douglas Costa bringt in Darmstadt die Entscheidung.

Von Benedikt Warmbrunn, Darmstadt

Die letzte Auswärtsreise des Jahres führte Carlo Ancelotti auch zu sich selbst. "Erfolg ist Einstellungssache" stand auf seiner kleinen Trainerbank, die wie eine Insel aus der Betonumrahmung des Darmstädter Rasens herausragte. Es war der Werbeslogan eines Jobvermittlers, der für sich wirbt als "Recruiting- und Outsourcing-Spezialist". Der Erfolg als Frage der Einstellung, das hätte aber auch Ancelotti nicht besser formulieren können, er, der Trainer, der so viel Wert legt auf den inneren Antrieb der Spieler, der wenig vorgeben will, nur ein Klima schaffen, in dem die Mannschaft sich selbst verwirklicht.

Ancelotti nahm am Sonntagmittag also Platz auf seiner kleinen, wie für ihn gemachten Trainerinsel im Stadion am Böllenfalltor. Lange hielt er es dort aber nicht aus. Er stand am Rasenrand, von dort verfolgte er nahezu unbewegt die Partie seines FC Bayern, die Hände in den Manteltaschen. Er gab wenig vor. Er erkannte aber auch bald, dass das Klima nicht stimmte, dass seine Elf sich an diesem Sonntag mit der Selbstverwirklichung mühte.

"Das war ein schweres Spiel", urteilte der Italiener nacher: "Darmstadt hat das gut gemacht und uns wenig Platz gelassen. Douglas Costa hat dann die Lösung gefunden." 1:0 (0:0) endete die Partie des FC Bayern bei Darmstadt 98, es war ein erkämpfter, ein glücklicher Erfolg, doch nun ist das Team weiter Tabellenführer. Aber war dieser Erfolg nur eine Sache der Einstellung? Geplant war diese letzte Reise des Jahres als Aufwärmübung für den Mittwoch, für den Showdown mit Aufsteiger Leipzig. Um in diese letzte Partie des Jahres einigermaßen entspannt gehen zu können, als Tabellenführer also, war ein Sieg in Darmstadt Pflicht, das war die Ausgangslage. Doch so leicht wurde es nicht. "Wir haben alles rausgehauen", resümierte Darmstadts Interimscoach Ramon Berndroth: "Wir wollten so spielen, dass die Fans stolz auf uns sein können, und das ist uns auch gelungen. Aber das Tor fehlte, dann wird es schwer in der Bundesliga. Dieses traumschöne Scheiß-Tor hat uns dann das Genick gebrochen."

Manuel Neuer meinte: "Inhaltlich sind wir natürlich unzufrieden. Gerade wie wir in der ersten Halbzeit aufgetreten sind, das war nicht der FC Bayern. Die Spielgeschwindigkeit und die Passgenauigkeit haben heute gefehlt." Mats Hummels sah das ähnlich. "Hier hat noch nie eine Mannschaft mit Zauberfußball gewonnen, sondern hier kämpft und arbeitet man. Das haben wir getan. Am Ende haben wir durch die individuelle Klasse von Douglas Costa gewonnen."

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Ancelotti hatte beim Tabellenletzten seine Vorgaben in einem Punkt entscheidend verändert. Statt wie zuletzt in dem von den Spielern bevorzugten 4-2-3-1-System stellte er seine Mannschaft in dem von ihm, Ancelotti, bevorzugten 4-3-3 auf, mit drei zentralen Mittelfeldspielern, Thiago Alcàntara, Xabi Alonso und Arturo Vidal. Auf den offensiven Außenpositionen begannen Douglas Costa und Thomas Müller, der zuletzt geschonte Franck Ribéry saß auf der Bank, der zuletzt ebenfalls geschonte Arjen Robben gehörte nicht zum Kader. Kurzfristig musste der Trainer zudem Philipp Lahm ersetzen; der Kapitän hatte das Aufwärmprogramm aufgrund von muskulärer Probleme abbrechen müssen.

Es war gerade eine halbe Minute gespielt, da war die entspannte Ausgangsposition für den Mittwoch erstmals in Gefahr. Forsch hatte sich Darmstadt in den Münchner Strafraum gewagt, Sandro Sirigu schoss - Thiago rettete mit dem Hinterteil. Auch die nächste Chance hatte der Tabellenletzte - nach einer Ecke landete ein Kopfball von Jan Rosenthal im Außennetz (6.).

Wenig später hatte sich der FC Bayern sortiert und drängte die aufmüpfigen Gastgeber weit nach hinten. Für Gefahr konnten die Münchner jedoch lange nicht sorgen. Die drei Mittelfeldspieler, dazu die drei Offensiven, die es alle in die Mitte zog - mitunter ließen sie sich gegenseitig so viel Platz wie die Autofahrer bei morgendlichem Stau auf dem Mittleren Ring in München. Durch lange Pässe oder Seitenverlagerungen verschafften sich die Bayern zwar immer etwas Spielraum, doch dann waren da bald wieder die unermüdlichen Darmstädter, die spätestens am eigenen Strafraum keinen Weg mehr frei ließen. Die erste Halbzeit endete mit der ersten Chance der Gäste, Robert Lewandowski setzte einen Freistoß aufs Tornetz (45.

). Die zweite Halbzeit begann dann wie die erste: mit einer Chance für Darmstadt. Ein flinker Angriff endete bei Jérôme Gondorf, dessen Schuss jedoch weit übers Tor ging (50.). Es war der Auftakt zu einer offeneren Phase beider Mannschaften. Müller scheiterte aus spitzem Winkel an Darmstadts Torwart Michael Esser (53.), Mario Vrancic verfehlte mit einem Freistoß knapp das Tor von FC-Bayern-Keeper Manuel Neuer (58.). Es hätte nun auf jeder Seite ein Tor fallen können; wer hier Erster war und wer Letzter, war nicht auszumachen.

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Die Entscheidung brachte schließlich eine der seltenen Situationen, in denen der FC Bayern Platz hatte. Indirekter Freistoß, und dann probierte es Douglas Costa, dem vorher wenig gelungen war, mit einem Kunstschuss, für den er auf das Mitwirken aller physikalischen Kräfte setzte. Dieser Schuss aus 25 Metern flog tatsächlich ins Tor (71.).

Sechs Minuten später hatten die tapferen, niemals aufgebenden Darmstädter noch eine Doppelchance. Einen Freistoß von Gondorf wehrte Neuer zu kurz ab, auf einmal war Peter Niemeyer frei vor dem Tor des FC Bayern, er hätte seine Mannschaft nun belohnen können, doch er traf bloß Manuel Neuer. Manchmal entscheidet über Erfolg oder Misserfolg eben doch mehr als allein die Einstellung.

© SZ vom 19.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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