Bundesliga: Dortmund - St. Pauli:Wie im Training

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Ligaprimus Borussia Dortmund vergibt gegen den aufstrebenden FC St. Pauli allerbeste Torchancen, gewinnt dennoch 2:0 - und raubt den Hamburgern damit einen ihrer zahlreichen Spitznamen.

Jürgen Schmieder

Es war wie im Training: Nuri Sahin und Mario Götze passten sich flink die Bälle zu, die Spieler des FC St. Pauli gaben die verdutzten Zuseher. Irgendwann kam der Ball zu Lucas Barrios, über den sein Trainer Jürgen Klopp vor der Partie gesagt hatte, dass er "im Training alle Chancen eiskalt" verwerten würde.

Freude beim Trainingsspielchen gegen St. Pauli: Kevin Grosskreutz und Lucas Barrios. (Foto: dapd)

Weil sich diese Szene in der 39. Minute so gestaltete wie im Training, nahm Barrios den Ball geschickt mit und schoss ihn aus der Drehung ins Tor. Es war das 1:0 in einer Partie, die Borussia Dortmund schließlich verdient mit 2:0 gewann.

Der FC St. Pauli hat sich selbst zahlreiche Beinamen gegeben. "Not established since 1910" nennt sich der Verein selbst oder auch "Weltpokalsiegerbesieger" und selbst in München laufen Kinder in Totenkopf-Shirts mit der Aufschrift "Freibeuter der Liga" herum. Am vergangenen Mittwoch war ein neuer Spitzname hinzugekommen, als die Kiez-Kicker zum ersten Mal seit mehr als 33 Jahren wieder gegen den Hamburger SV gewinnen konnten.

"Rückrunden-Tabellenführer" durfte sich St. Pauli seither nennen, und mit Spannung wurde das Duell gegen den "Gesamtspielzeit-Tabellenführer" Borussia Dortmund erwartet. Spannend vor allem deshalb, weil St. Pauli das Duell gegen den Hamburger SV gewonnen hatte, ohne selbst so recht zu wissen, warum eigentlich. Sollte gegen Dortmund eine ähnliche Überraschung gelingen, zumal die verletzten Gerald Asamoah und Fabian Boll fehlten? Stanislawski ersetzte nicht nur die beiden, sondern weitere vier Akteure, die im Derby in der Startelf gestanden hatten.

In Dortmund dagegen lautete nach zwei sieglosen Spielen in Folge die entscheidende Frage: Ist Stephan Mai im Stadion? Der SWR-Reporter bringt Jürgen Klopp vorgeblich kein Glück, weshalb Dortmunds Trainer nach dem Unentschieden in Kaiserslautern Mai als "Seuchenvogel" titulierte und ein Interview verweigerte. Eine erste kurze Analyse zeigte: Mai war nicht im Stadion - denn freilich getraut sich heutzutage kein Sportreporter mehr, einen Fußballer oder Trainer dauerhaft zu nerven.

Die Partie muss den Akteuren von St.Pauli zunächst vorgekommen sein wie ein Déjà-Vue-Erlebnis. Wie gegen den HSV war der Gegner dramatisch überlegen, kombinierte sicher, schnell und mit wenigen Ballkontakten durchs Mittelfeld und erspielte sich zahlreiche Gelegenheiten, meist initiiert vom herausragenden Mario Götze. Sven Bender (2.), Götze (4.), Nuri Shain (6./30.), Lucas Barrios (10.), Kevin Großkreutz (22./29.) scheiterten an Thomas Kessler oder schossen vorbei.

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Es war ein atemberaubendes Tempo, das die Dortmunder vorlegten - und die Akteure von St. Pauli wussten sich meist nicht anders zu helfen, als die Haltbarkeit des Spielgerätes zu prüfen. Sie versuchten, so hart wie möglich dagegen zu treten und möglichst über die Tribüne des Dortmunder Stadions zu prügeln. Über die Tribüne flog kein Ball, das ist aufgrund der Architektur der Arena unmöglich. Allerdings war es für St. Pauli aufgrund der Architektur der Dortmunder Defensive auch nicht möglich, innerhalb von 45 Minuten auch nur einmal konstruktiv in die Spielhälfte des Gegners vorzudringen.

Deutscher Meister 2011? Borussia Dortmund. (Foto: REUTERS)

Als sich die Zuschauer gerade gegenseitig daran erinnern wollten, dass Dortmund kürzlich schon einmal dramatisch überlegen gewesen war, die Partie jedoch nicht gewinnen konnte (gegen Schalke) und dass St. Pauli kürzlich schon einmal dramatisch unterlegen gewesen war, die Partie jedoch gewinnen konnte (gegen den HSV), da fiel der Führungstreffer nach diesem Angriff, den die Dortmunder so vortrugen wie bei einem Trainingsspielchen.

Damit auch niemand im Stadion auf die Idee kommen konnte, dass es sich bei dieser Partie noch um eine ernste Angelegenheit handeln könnte, erzielte Borussia Dortmund schnell das 2:0, wobei sich Barrios erneut vorgekommen sein muss wie auf dem Trainingsplatz. Er bekam den Ball im Strafraum, umkurvte Gegenspieler Fabio Morena und passte in die Mitte, wo Ralph Gunesch den Ball ins eigene Tor abfälschte.

Wie es sich für einen Trainingskick gehört, schalteten die Dortmunder Akteure nach dieser beruhigenden Führung auf Normalgeschwindigkeit. Jeder Spieler durfte ein wenig Torschusstraining absolvieren - wobei kein einziger mehr ein Tor erzielen konnte, dafür jeder Tribünensektor hinter dem Tor mit mindestens einem Ball bedacht wurde. Die Spieler von St. Pauli sahen diesen Übungen sowohl be- als auch entgeistert zu - und waren am Ende wohl froh, am Ende dieser Woche eher über den Sieg gegen den HSV als über die Vorstellung in Dortmund sprechen zu müssen.

"Heute war alles schlecht, wir sind richtig vermöbelt worden", sagte Matthias Lehman: "Aber wir werden aufstehen und zurückkommen." Die Dortmunder Spieler dagegen gaben sich erleichtert ob des ersten Heimsieges, ließen sich aber trotz penetranter Nachfrage nicht zu einer Saisonzielkorrektur hinreißen. "Wir denken von Woche zu Woche - und am Ende sehen wir, was dabei rauskommt", sagte etwa Marcel Schmelzer. Immerhin: Jürgen Klopp schnauzte keinen Reporter an, aber Stephan Mai war auch nicht da zum Fragestellen, sondern erst einmal nur der brave Max Jung.

Mit diesem Sieg kommt Borussia Dortmund der Bezeichnung "Meister 2011" immer näher. Der FC St. Pauli ist übrigens den Beinamen "Rückrunden-Tabellenführer" schon wieder los. Das ist jetzt, festhalten, der 1. FC Nürnberg.

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