Bundesliga: Dortmund gegen Stuttgart:"Jetzt ist mein Zahn weg"

Lesezeit: 4 min

Das 1:1 zwischen Dortmund und Stuttgart werten die Beteiligten als gerechtes Ergebnis. Für Aufregung sorgen ein Schiedsrichter und ein Ex-Nationaltorwart.

Philipp Kreutzer, Dortmund

Dieser Nachmittag hatte bei Jens Lehmann Spuren hinterlassen. Eine kleine Wunde prangte auf seiner Oberlippe, als er lange nach dem Abpfiff vor die wartenden Reporter trat. Beinahe eine Stunde hatte der Torwart des VfB Stuttgart sich zuvor in der Kabine Zeit gelassen, doch abgekühlt wirkte er trotzdem nicht. "Wenn ich so was machen würde wie der Neven Subotic", ätzte Lehmann, "dann wäre ich für acht Wochen gesperrt."

Kontrollblick: Schiedsrichter Helmut Fleischer prüft, ob noch alle Zähne da sind im Mund von Jens Lehmann. (Foto: Foto: ddp)

Er meinte eine Szene Mitte der ersten Hälfte, als sich der Keeper und Dortmunds Innenverteidiger in Erwartung eines Einwurfs gegenseitig mit den Ellbogen traktiert hatten. In der Frage, wer Auslöser war und wer reagiert hatte, gab es selbstverständlich zwei konträre Standpunkte. "Er tut den Ellbogen in mein Gesicht", lautete die Version des Borussen, "dann hebe ich die Arme, um zu zeigen, dass ich gar nichts mache. Dabei berühre ich ihn dann, aber nicht mit 400 km/h. Da muss er nicht hinfallen." Die Fernsehbilder bestätigten: Der erste Schlag kam vom Stuttgarter Torhüter.

Lehmann blieb trotzdem anderer Meinung. "Mad Jens", wie ihn britische Medien während seiner Zeit beim FC Arsenal tauften, mochte nicht schon wieder als Täter dastehen. So ließ er wissen, von dentalen Verlustängsten geplagt gewesen zu sein wie nie zuvor auf dem Fußballplatz: "Ich habe es 22 Jahre lang geschafft, dass mir keiner den Kiefer oder die Zähne eingeschlagen hat. Das war heute das erste Mal, dass ich gedacht habe: Jetzt ist mein Zahn weg."

Und das ausgerechnet in seinem wohl letzten Bundesligaspiel bei seinem früheren Verein. Der mittlerweile 39-Jährige, der zwischen 1999 und 2003 im Dortmunder Tor stand, will im nächsten Sommer seine Karriere beenden. Nach der Keilerei pfiffen die Borussia-Fans Lehmann bei jedem Ballkontakt aus.

Die übrigen Spieler sorgten kaum einmal für wirklich Aufregendes. Viele Ungenauigkeiten prägten die Partie. Dass nicht mehr Tore fielen als die von Nelson Valdez zum 1:0 in der 27. und durch Georg Niedermeier zum 1:1 in der 48. Minute lag allerdings auch an Schiedsrichter Dr. Helmut Fleischer und seinen Assistenten. Sie unterboten das durchschnittliche Niveau der Begegnung. Nicht nur, weil sie weder Lehmann noch Subotic bestraften. Der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes kündigte mittlerweile Ermittlungen gegen Lehmann und Subotic an.

Das Gespann stoppte zwei aussichtsreiche BVB-Angriffe wegen Abseits und lag damit genauso falsch wie in der Deutung eines Zweikampfes zwischen Felipe Santana und Sebastian Rudy. Der Dortmunder foulte den Stuttgarter strafstoßreif, der Schiedsrichter ließ weiterspielen. Nach dem Wechsel hätte Stuttgarts Ludovic Magnin nach einer Notbremse an Kuba die rote Karte sehen müssen - doch Fleischer pfiff nicht mal. Äußern wollte sich der Unparteiische später nicht. Er hatte es eilig, ein Flugzeug in Düsseldorf zu erreichen.

Etwas mehr Zeit nahm sich dafür Horst Heldt. Stuttgarts Manager empfand das Ergebnis als gerecht und zufriedenstellend. Er wertete das Auftreten seiner Mannschaft zudem als gelungenes Beispiel für den künftigen Umgang mit der Doppelbelastung, die auf den VfB zukommen dürfte. "Wir haben im Moment viele wichtige Spiele", erklärte er, weshalb die zuletzt gesetzten Akteure Serdar Tasci, Timo Gebhart und Pawel Pogrebnjak auf der Bank Platz nahmen.

Bundesliga: FC Bayern
:Zeit für die Krise

"Die Mannschaft braucht Zeit", hatte Bayerns Trainer Louis van Gaal vor dem Spiel gegen Mainz gesagt. Ihm war wohl nicht klar, dass sie so viel Zeit braucht. Das Spiel in Bildern.

Trainer Markus Babbel schonte sie für das zweite Play-off zur Champions League gegen den FC Timisoara am Mittwoch. Zur Pause nahm er auch Aliaksandr Hleb heraus, der sich nach eigener Aussage eine leichte Zerrung zugezogen hatte. "Eine Vorsichtsmaßnahme", bestätigte Babbel.

Die Arbeit machten stattdessen weniger bekannte Kicker wie Innenverteidiger Niedermeier, Mittelfeldspieler Rudy und Stürmer Julian Schieber. Ein Risiko sei das nicht gewesen, fand der Trainer: "Sie zeigen mir in jedem Training, dass sie gut sind, und wenn ich Zweifel hätte, dann wären sie heute nicht auf dem Platz gestanden."

Für Niedermeier, 23 und Leihgabe des FC Bayern, war es ein besonderes Spiel, denn zum ersten Mal trat er als Torschütze in der Bundesliga in Erscheinung. Der Startformation angehört zu haben, wertete er als "positives Zeichen vom Trainer". Ob es bereits ein Zeichen vom VfB gegeben habe, ihn langfristig aus München loseisen zu wollen, mochte Niedermeier dagegen nicht verraten.

Möglicherweise wird er einen ähnlichen Weg gehen wie Mats Hummels bei Borussia Dortmund. Zunächst nur ausgeliehen, kaufte der BVB den Bayern den Defensiv-Allrounder Anfang des Jahres ab. Gegen Stuttgart ersetzte er schon nach vier Minuten den verletzten Tinga, der einen Faserriss erlitt. Hummels half mit, der zuletzt wackeligen Defensive Halt zu geben. Sehr zur Freude von Jürgen Klopp. Auch Dortmunds Trainer sprach von einem angemessenen Resultat und stellte erleichtert fest: "Wir haben uns stabilisiert."

Party mit eingebauter Kater-Garantie

Am Abwehrvermögen hatte es zuletzt ja einige Zweifel gegeben. Dem 1:4 beim HSV am zweiten Bundesliga-Spieltag folgte bekanntlich die Geburtstagsparty mit eingebauter Kater-Garantie. Gegen die Galaktischen von Real Madrid kassierte der BVB am Mittwoch im Jubiläumsspiel zum 100-jährigen Vereinsbestehen ein 0:5. "So ein Ergebnis unter der Woche ist das Schlimmste, was dir passieren kann", meinte Klopp, "das haben wir heute weggemacht."

Eine andere Negativbilanz dagegen werden die Dortmunder nicht so schnell vergessen machen können. 5,9 Millionen Euro Verlust habe es im Geschäftsjahr 2008/09 gegeben, teilte der BVB am Tag vor dem Stuttgart-Spiel mit. Ob angesichts dieser Zahl die Möglichkeit besteht, die Mannschaft kurzfristig zu verstärken, erscheint fraglich. Ganz anders die Lage bei den Stuttgarten, die mit den Millionen aus dem Gomez-Verkauf noch einmal einkaufen wollen. Doch Fragen, mit welchen Spielern der VfB verhandelt, begegnete Manager Heldt nur mit einem Lächeln. Sagen wollte er nichts.

Genauso hielt es übrigens Jens Lehmann, nachdem er die Schuldfrage zwischen Subotic und sich ein für alle mal geklärt hatte. Der Torhüter wandte sich ab und verschwand durch eine Tür. Über der linken Schulter seine Tasche, unter dem rechten Arm - wie Helmut Haller nach dem verlorenen WM-Finale 1966 - einen Fußball. Lehmann wollte ganz offensichtlich ein Erinnerungsstück an diesen für ihn denkwürdigen Nachmittag mitnehmen. Die kleine Wunde auf der Oberlippe wird ja schon bald verheilt sein.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: