Bundesliga-Debüt mit 17:Großer kleiner Gaudino

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"Der Junge spielt einfach guten Fußball": Gianluca Gaudino gibt mit 17 Jahren sein Bundesliga-Debüt. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Kluge Pässe, kaum Fehler und die Eleganz eines Mehmet Scholl: Beim 2:1-Erfolg des FC Bayern gegen Wolfsburg feiert der 17-jährige Gianluca Gaudino ein erstaunlich souveränes Bundesliga-Debüt. Am Ende warnt nur Thomas Müller.

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Kurze Zeitreise ins Jahr 1996. Die Queen drückt DFB-Kapitän Jürgen Klinsmann im alten Wembley-Stadion die Trophäe für den Europameister-Titel in die Hand. In den Musik-Charts dominieren die Spice Girls, die ihrer Girl-Power im Song "Wannabe" Ausdruck verleihen. Und in den Haushalten der Republik halten sogenannte "Modems" Einzug, mit denen die Menschen im "Cyberspace" surfen. Warum sie das tun sollen, ist vielen nicht ganz klar. Aber es macht Spaß. In den 90ern macht ohnehin vieles einfach nur Spaß.

Erfreuliches tut sich auch bei Maurizio Gaudino. Der Mann mit den schönen Fußballerlocken wird Vater eines Sohnes, der Gianluca heißt. Keine 18 Jahre später steht Vater Gaudino auf der Tribüne der Münchner Arena, ein schmuckes Goldkettchen um den Hals, das Haar etwas lichter, aber das lindert nicht seinen Stolz. Auch er hat Spaß. Er grinst über beide Ohren und macht sich auf den Weg zum Rasen. Dort angekommen, busselt er einen Jungen ab, der verlegen zwischen lauter aufgeregten Menschen herumsteht.

Erwachsene Vorstellung eines 17-Jährigen

Es ist Gianluca, der soeben sein erstes Bundesliga-Spiel für den FC Bayern vor über 70 000 Zuschauer bestritten hat. So kann es gehen im Fußball, schwuppdiwupp beschreitet der Filius denselben Weg wie einst der Papa, der selbst mal Nationalspieler war.

Diesen Freitagabend werden die Gaudinos nicht so bald vergessen, denn es war nicht irgendein Debüt, das Gianluca beim 2:1 gegen Wolfsburg da hinlegte, sondern ein sehr ordentliches. An der Seite von lauter Weltmeistern. Auf der größtmöglichen Bühne. Mit seinen 17 Jahren zeigte er im Mittelfeld eine erwachsene Vorstellung: Kluge Pässe, kaum Fehler, elegante Bewegungen, die an einen gewissen Mehmet Scholl erinnerten.

Das Trikot schlabberte ihm dabei um den dürren Körper, dass man denken konnte, hier spielt ein Kind unter Männern. Das Lob ließ nicht lange auf sich warten - es kam von ganz oben, von Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge: "Er hat das gut gemacht. Ich bin erstaunt, dass bei uns ein 17-Jähriger in der ersten Mannschaft spielt. Darauf können wir stolz sein."

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Trotz einiger Wackelmomente wertet der FC Bayern das 2:1 gegen Wolfsburg als erfreulichen Bundesliga-Start. Ein Dank geht an VfL-Kunstschütze Malanda. Italien erwartet den baldigen Wechsel des Römers Mehdi Benatia nach München.

Aus dem Stadion von Jonas Beckenkamp

Weil das Spiel an sich arg schmucklos geriet, suchten sich die Beteiligten rasch ein anderes Thema, über das es zu sprechen galt: Mann des Abends war Gaudino, der von einem Bayern-Angestellten gemeinsam mit Lucas Scholl (noch so ein Fußballersohn) an den Reportern vorbeigeführt wurde. Reden sollte er lieber noch nicht.

Da taten andere. Sportchef Matthias Sammer zum Beispiel, der sonst eher nicht als Schwärmer bekannt ist: "Seine Entwicklung ist unglaublich. Er hat etwas, das schwierig zu lernen ist. Er ist kein Sprinter oder Brecher - der Junge spielt einfach guten Fußball." Trainer Pep Guardiola hatte den Vielgepriesenen überraschend in die Startelf beordert. Einerseits aus der Not, weil ihm nach dem Ausfall seiner kompletten Zentrale (Martinez, Thiago, Schweinsteiger) nicht mehr viele Alternativen blieben. Andererseits als Anerkennung für eine starke und vor allem komplett absolvierte Vorbereitung.

Nur Thomas Müller gibt den Mahner

Gaudino hat gegenüber vielen Kollegen einen Vorsprung, denn er arbeitet nun schon seit dem Trainingsauftakt am 9. Juli an seiner Form. Dass er derzeit zu den fittesten Profis zählt, ist auch Philipp Lahm aufgefallen: "Man merkt, dass er von Anfang an dabei ist," sagte der Bayern-Kapitän, der aber auch die "guten technischen Fähigkeiten" seines jungen Kollegen heraushob.

Ähnliche Beobachtungen hatte auch Arjen Robben getätigt, der dem Neuling "großen Respekt" aussprach. Dass im Mittelfeld der Münchner nach vorne öfter die Anspielstationen fehlten, weil sich unter anderem Gaudino zu tief positionierte, wollte niemand monieren. Ein 17-Jähriger genießt sogar beim leistungsoptimierten FC Bayern Welpenschutz.

Immerhin gab Thomas Müller zum Schluss noch den Zeigefinger-Mahner, einer musste ja: "Wir sollten nicht zu viele Lorbeeren verteilen, das setzt ihn nur unter Druck," erklärte der Premierentorschütze dieser Saison. Müller muss es wissen, schließlich stand er selbst vor einigen Jahren als Nobody in der ersten Elf.

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Und dann verlieh er dem jungen Debütanten indirekt doch noch das größte Kompliment: "Wenn er die Qualität nicht hätte, würde er hier nicht mitspielen." Ob der kleine Gaudino wirklich schon einer von den Großen ist, wird sich zeigen, wenn der Bayern-Kader wieder komplett ist. Die Konkurrenz ist riesig, die Rekonvaleszenten tragen bekannte Namen.

Bis dahin werden in Deutschland aber schon die Blätter von den Bäumen fallen - und so können sie im Hause Gaudino noch ein Weilchen fachsimpeln über Bundesliga-Debüts im Teenager-Alter. Maurizio war bei seiner Premiere übrigens noch 13 Tage jünger als sein Sohn. Das war 1984.

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