Vor dem Stadion spielte jemand Dudelsack, "Amazing Grace". Diese Mischung aus Stolz und Wehmut schallte durch die Nacht, minutenlang. Drinnen im Stadion sagte der Düsseldorfer Trainer Friedhelm Funkel mit Pathos in der Stimme: "Dass wir gegen Borussia Dortmund gewonnen haben - (lange Pause zwecks Dramatisierung) - das ist nicht normal."
Düsseldorf ist gerührt, und die Bundesliga ist dankbar. Dortmund hat erstmals verloren, der Vorsprung vor dem Verfolger Borussia Mönchenglaldbach ist auf sechs Punkte geschrumpft. Wenn die Dortmunder sich am kommenden Freitag daheim gegen Gladbach gleich noch eine Niederlage erlauben, dann sind es nur noch drei. "Neun, sechs, drei - das ist uns ganz egal, wir schauen nur auf uns", sagte Kapitän Marco Reus nach der 1:2-Niederlage fast ein bisschen patzig.
Auch dem Trainer Lucien Favre hat die Blamage beim Kellerkind Fortuna zugesetzt. "Das ist schwer zu akzeptieren", sagte er über eine eigentlich ganz einfach zu erklärende erste Saison-Niederlage in der Liga. Düsseldorf hat leidenschaftlich verteidigt. Die Fortunen sind 125 Kilometer gelaufen. Dortmund wollte alles spielerisch und en passant lösen. Doch dafür waren die Düsseldorfer zu diszipliniert und in ihren wenigen Chancen zu kaltblütig. Dodi Lukebakio per Konter mit seinem siebten Saisontreffer (22.) und Jean Zimmer per Traumschuss mit seinem ersten Bundesligator (56.) demütigten Dortmund vor 52 000 Zuschauern in der ausverkauften Arena.
Sogar Trainer Favre reagiert gereizt
"Wir sind kämpferisch und läuferisch an unsere Grenzen gegangen", sagte Funkel. Und die Dortmunder sind das eben nicht. "Niederlagen gehören dazu", sagte Reus - aber nicht so, als sei es ihm egal, sondern ein bisschen so, als sei man unterschwellig erleichtert, dass dieser Nimbus der Unbesiegbarkeit nun geknackt ist, dass man das jetzt hinter sich hat, ohne die Tabellenführung hergegeben zu haben. Und wenn die Dortmunder am Freitag gegen Gladbach gewinnen, dann sind es ja zumindest gegenüber dem Namensvetter vom Niederrhein auch schon wieder neun Punkte Vorsprung.
Ob er hinterher bereut, seine besten Stürmer Paco Alcácer und Jadon Sancho erst eingewechselt zu haben, als es schon 0:2 stand, ist Favre gefragt worden. Mit den beiden hatte Dortmund deutlich mehr Schwung entwickelt, und Alcácer erzielte in der 81. Minute den Anschlusstreffer. Aber mit solchen Fragen braucht man Favre nicht zu kommen.
"Die Belastung ist hoch, deshalb rotieren wir", antwortete er diesem skeptisch fragenden Journalisten derart gereizt, als würde er ihm am liebsten eine Woche Hausarrest samt Nachtischverbot aufbrummen. Dass die Abwehrspieler Manuel Akanji und Abdou Diallo das Spielfeld verletzt hatten verlassen müssen, nahm Favre mal schnell als Indiz auch für die Richtigkeit der Entscheidung, Alcácer und Sancho eine Stunde lang geschont zu haben.
Und so ist die Liga jetzt gespannt auf den Knaller am Freitag, der zeigen wird, ob Dortmunds Phase der Dominanz zu Ende ist - oder ob die Spieler die Niederlage in Düsseldorf doch kalt lässt. "Gefahr aus dem Rheinland", würde reißerisch dieser Science-Fiction-Film heißen, in dem die Westfalen gegen Düsseldorf und Mönchengladbach den Boden unter den Füßen verlieren. Aber Fußball ist kein Science Fiction, und im eigenen Stadion hat der BVB in dieser Saison noch nicht verloren. Gute Chancen also, dass sie diese beste Hinrunde seit langem trotz der Blamage in Düsseldorf versöhnlich in die kurze Winterpaue retten.