Fußballtrainer-Markt:Die irrsten Wendungen erscheinen alltäglich

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Immer schön den Ball hochhalten: Mönchengladbachs Trainer Marco Rose. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Flick, Nagelsmann, Rose, Terzic: Auf dem Trainer-Markt kommt gerade kommt eine Kettenreaktion in Gang, die kein Physiker zu berechnen vermag.

Kommentar von Philipp Selldorf

Bald 250 Jahre Fußball-Tradition und unvergängliche Mengen an Ruhm und Ehre kommen am Samstag bei der Begegnung Schalke 04 gegen Borussia Mönchengladbach zusammen. Beide Teams repräsentieren eine Kollektion aus zwölf nationalen Meisterschaften, acht Pokalsiegen und drei Uefa-Cup-Titeln, und auch Schalkes unvergesslicher UI-Cup-Triumph 2004 hört nicht auf, in die Nachwelt zu leuchten. Selbstredend bestimmte die Liga dieses Juwel des deutschen Fußballs zum Abend-Top-Spiel der Woche.

Dennoch sollte der Hinweis gestattet sein, dass beide Klubs zurzeit Schwierigkeiten haben, wobei die Borussia in der Tabelle deutlich besser dasteht als ihr Gegner, paradoxerweise aber der akutere Krisenfall ist. Schlusslicht Schalke muss die Deklassierung nicht mehr fürchten, sie ist im Bewusstsein aller Beteiligten längst unausweichlich. Für die Gladbacher aber geht es immer noch um die Zulassung zur zweiten oder zur dritten europäischen Liga respektive um Europa League oder Conference League. Letztere ist die neueste Schöpfung der Uefa und quasi die Übertragung des UI-Cups in den Ganzjahresbetrieb. Wenn Borussia-Trainer Marco Rose sein Team dorthin führen sollte, dann würde man wohl nicht mehr als ein Piccolöchen öffnen.

Andererseits muss Rose erst mal die Hürde Schalke nehmen. Alles andere als ein Sieg wäre rufschädigend, vor allem für ihn selbst. Vielleicht motiviert es die Schalker, dass sie ihren Erzrivalen Borussia Dortmund ärgern könnten, wenn sie Roses Team die Punkte wegnähmen. In Dortmund geriete man dann womöglich noch etwas mehr ins Grübeln, und man weiß nicht, was der künftige BVB-Trainer Rose mehr zu fürchten hätte: dass er in Gladbach entlassen oder in Dortmund als Zumutung betrachtet werden könnte.

Vermutlich würde Rose bei Dortmunds Klubchef Aki Watzke nicht um die Auflösung des bereits geschlossenen Vertrages bitten, doch wer weiß das schon? Womöglich wird Edin Terzic mit dem BVB noch Pokal- und Champions-League-Sieger, während Rose mit seinen Fohlen gar nicht mehr gewinnt. Und dann soll der ruhmbekränzte Terzic bald einem Chef dienen, der nicht mal Schalke besiegen konnte?

Wenn im Trainer-Domino die Steine fallen, entstehen Kettenreaktionen, die kein Physiker zu berechnen vermag

Längst ist es so weit, dass die irrsten Wendungen auf dem Fußballmarkt alltäglich erscheinen. Der Bundestrainer Jogi Löw tritt zurück, und plötzlich muss sich vielleicht der FC Bayern einen neuen Trainer suchen, was dazu führen könnte, dass anschließend auch RB Leipzig einen Neuen finden muss. Dabei sind beide Klubs mit Hansi Flick und Julian Nagelsmann im Grunde sehr zufrieden. Aber wenn im Trainer-Domino die Steine fallen, entstehen Kettenreaktionen, die kein Physiker zu berechnen vermag. Man weiß nur: Die Steine fallen entsprechend der Größe der Adresse. Oder des Namens.

Dimitrios Grammozis hat vor zwei Wochen geglaubt, er habe bei Schalke 04 einen fürs Erste sicheren Arbeitsplatz gewonnen, aber er konnte nicht wissen, dass dort nicht nur der Verein den Trainer auswählt, sondern auch dessen Freunde und Förderer. Weshalb jetzt womöglich Ralf Rangnick nach Gelsenkirchen zurückkehrt und Grammozis vom Chef zum Assistenten macht. Es sei denn, Rangnick vernimmt doch noch den Ruf des DFB und wird Bundestrainer. Dann könnten zwar Flick in München und Nagelsmann in Leipzig bleiben, das Domino wird aber trotzdem einsetzen, womöglich schon nach diesem 26. Spieltag, der von Spekulationen umwuchert wird.

Außer um Rose muss man sich ja auch um Peter Bosz in Leverkusen und Pal Dardai in Berlin Sorgen machen. Beide werden in ihren Lagern als Individuen und Fachleute geschätzt, aber nur noch bedingt als geeignete Krisenmanager. In Köln ist man über diesen Punkt bereits hinaus: Markus Gisdol wird wohl seines Postens enthoben, wenn er am Samstag nicht den gegnerischen Kollegen austricksen sollte. Dieser heißt jedoch Edin Terzic und gilt zurzeit überall als Erfolgstrainer - anders als sein designierter Nachfolger.

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