Bundesliga: Borussia Dortmund:Lob der Maloche

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Herbstmeister Borussia Dortmund dominiert die Bundesliga und bricht Rekorde - und das nicht nur mit Offensivfußball, sondern auch dank seiner leidenschaftlichen Defensive.

Andreas Burkert

Es war eigentlich abzusehen, dass das schiefgehen würde. Ein Streifenwagen der Polizei spannte sich zwar am Frankenstadion vor den schwarzen Mannschaftsbus und wies den Weg zum Nürnberger Flughafen. Aber die Rückreise von Borussia Dortmund verzögerte sich dann doch erheblich.

Jubelattacke aus einer stabilen Abwehr heraus: Die Dortmunder Spieler feiern den 2:0-Sieg in Nürnberg. (Foto: dpa)

Erst nachts um eins endete die Odyssee des Herbstmeisters, nachdem wegen des heftigen Schneetreibens in Franken und dem offenbar allzu pünktlichen Dienstschluss der Flugsicherung am Airport Dortmund die Destination Paderborn-Lippstadt angeflogen werden musste. "Eine Provinzposse erster Güte" beklagte BVB-Sportdirektor Michael Zorc anderntags die Tortur in einer offiziellen Protestnote. Die Dortmunder verlieren zurzeit eben ungern. Nicht mal gegen den Winter.

Dabei geben sie sich gern so mild und entspannt wie ein Alpenföhn, wenn sie ihre Arbeit als grellgelbe Naturgewalt erledigt haben. Auch nach dem 2:0 beim 1.FC Nürnberg ist das so gewesen, die herausragende Mannschaft der Hinrunde ignorierte mal wieder mit Hingabe die spektakuläre Tabellensituation und ihre diversen Rekorde, die sie gerade aufstellt.

Den achten Auswärtssieg im achten Spiel zum Beispiel, die 40 Punkte nach 15 Spielen oder den Vorsprung von jetzt schon zehn Punkten auf den ersten Verfolger, die Mainzer. 40 Punkte, damit sei der Klassenerhalt sicher, versuchte Nuri Sahin einen Scherz. Trainer Jürgen Klopp sagte, es gebe "schlimmere Dinge als 40 Punkte zu haben". Und antwortete dann auf die vorsichtige Annäherung, ob man jetzt nicht zumindest ein Meisterschaftsanwärter sei: "Ja, vermutlich."

Das mag zwar nicht passen zu Klopps expressivem Geist und auch nicht zum offensiven Spielstil seines Teams - doch ein Widerspruch muss diese Zurückhaltung nicht sein. Denn wer den Dortmundern in Nürnberg zusah, wie sie "sicher eines unserer schlechtesten Spiele" (Sahin) trotzdem souverän gewannen, entdeckte in der defensiven Grundhaltung der jungen Mannschaft einen Wert, der womöglich etwas unterschätzt worden ist in der allgemeinen Bewunderung für die feurigen Vorträge der Borussia. Klopp hat das in Nürnberg bestätigt, "unser Ansatz ist immer ein defensiver, das Spiel gegen den Ball", sagte er, "da sind alle gefordert - wer das nicht tut, kann überhaupt nicht mitspielen bei uns".

37 Tore haben die Dortmunder inklusive der beiden Nürnberger Treffer von Mats Hummels und Robert Lewandowski jetzt erzielt. Das ist viel. Aber möglich wird dieser Überfluss erst durch die Gruppenarbeit, die ab der Mittellinie beginnt, spätestens dort. Der Spielmacher Sahin ordnet sich dabei ebenso unter wie der Japaner Shinji Kagawa, dem längst zwei Dutzend enthemmt begeisterte Reporter aus der Heimat durch das fremde Land folgen.

Die raren Noteinsätze übernehmen die Innenverteidiger Neven Subotic und Hummels, den die momentan um einen Innenverteidiger von höchster Güte verlegenen Münchner Bayern vor drei Jahren selbstlos ziehen ließen. "Insgesamt hat diese letzte Linie sicher hohe Qualität", sagt Klopp, "aber im Grunde ist das komplette Mittelfeld mit dabei, und in vielen Situationen ist es dann der Manni Bender, der sich als allerletzte Instanz vor der Kette hineinschmeißt."

"Manni", das ist der stets unauffällige Vorarbeiter Sven Bender, 21, dessen intelligente Dienste nicht so ins Auge stechen wie Kagawas Dribblings, Sahins Pässe oder Mario Götzes Soli.

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Nur neun Tore haben die Dortmunder bislang kassiert. Das ist sehr, sehr wenig. Nur der VfB Stuttgart (22:3 Tore/2003) und 2008 die Bayern (31:8) führten mal mit weniger Gegentreffern die Tabelle nach 15 Spielen an. Dass sie in Dortmund auch Abwehr können und, wie in Nürnberg bewiesen, auch einen glanzlosen Arbeitssieg, dürfte für Klopp einen ebenso hohen Stellenwert besitzen wie die Zuverlässigkeit seiner Offensive, die beim Club auch den Ausfall von Torjäger Lucas Barrios kompensierte. "Dass wir auch solche Spiele gewinnen, haben wir uns erarbeitet", sagt der malochende Regisseur Sahin, "und das freut uns."

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40 Punkte. Aus den bedeutenden Ligen kann allein der FC Barcelona (37 Punkte aus 14 Spielen) mit der Borussia mithalten. Und die Bilanz wurde erreicht in einer Liga, in der angeblich jeder jeden schlagen kann.

Wenn man zudem bedenkt, dass in den vergangenen zehn Jahren nur einmal 70 Punkte nicht zur Meisterschaft reichten (Werder Bremen in der Saison 2005/2006) und die Dortmunder nun also noch 19 Spiele Zeit haben, um 30 weitere Zähler einzusammeln - dann dürften sich Klopp und seine Männer durchaus etwas unverzagter einer schönen Perspektive widmen.

Aber sie lassen sich nicht locken, nicht gegen eigentlich recht kompakte Nürnberger, und auch nicht verbal. "Ich weiß gar nicht, wie Leute auf die Idee kommen können, aus früheren Erfolgen etwas abzuleiten", entgegnete Klopp genervt. "Wir haben keine natürliche Qualität, sondern nur harte Arbeit zu bieten."

Wenn Klopp, 43, so etwas sagt, klingt er sonderbar; vielleicht erinnert er sich aber einfach nur an die kleinen Rückschläge gegen Ende der vergangenen beiden Spielzeiten: Vor zwei Jahren verspielte die Borussia beim Finale den Platz in der Europa League und dieses Frühjahr den möglichen dritten Platz.

"Auch dieses Spiel beim Club hat gezeigt, wie eng das ist", warnte Klopp in Nürnberg vor voreiligen Schlüssen. Wer Dortmund allerdings stoppen sollte, ist nicht zu erkennen. Denn Mainz schwebt nicht mehr, und Leverkusen besitzt einen hochwertigen Kader, aber keine meisterliche Konstanz. Die Bayern? Abgehängt und müde.

Nur die Borussia kann sich jetzt noch aufhalten, mit einem Einbruch, den es jedoch so noch nie gab. Wahrscheinlich ist das nicht, zumal auch der Winter und die Fluglotsen irgendwann den Widerstand aufgeben dürften.

© SZ vom 07.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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