Bundesliga:Bayern schmeckt nach Tütensuppe

Lesezeit: 4 min

Carlo Ancelotti kocht und isst sehr gerne - aber stimmen seine Rezepte für den FC Bayern? (Foto: REUTERS)
  • Carlo Ancelotti führt das 1:1 gegen Schalke auf fehlende "Opferbereitschaft" zurück, auch andere beim FC Bayern sorgen sich.
  • Die Frage ist, wer am mauen Spiel des Meisters die Schuld trägt?
  • Hier geht's zur Tabelle und den Ergebnissen.

Von Claudio Catuogno, München

Mal angenommen, bei Carlo Ancelotti zu Hause würde ein kleines Feuerchen ausbrechen, zum Beispiel in der Küche, während der Hausherr gerade sein berühmtes Bollito zubereitet - was dann? Ancelotti, das mal als seriöse Vermutung, würde kurz aufsehen, seine berühmte linke Augenbraue würde gewiss einen Bogen schlagen, der es in seiner Vollkommenheit mit den Arkaden von Bologna aufnehmen könnte, und wenn es Anlass gäbe, die Familie in Sicherheit zu bringen, würde Ancelotti bestimmt auch vernehmbar "Feuer!" brummen, das schon. Aber natürlich nicht, ohne weiter mit geübter Hand die Lammschulter vom Fettrand zu trennen, den Staudensellerie klein zu hacken und vom gekochten Huhn die Haut abzulösen. Panik verdirbt bloß den Geschmack.

Am späten Samstagnachmittag, nach einem 1:1 seines FC Bayern gegen den FC Schalke 04, hat Carlo Ancelotti schon auch irgendwie "Feuer" gerufen. Aber halt auf die Carlo-Ancelotti-Art, der alles Schrille, Sirenenhafte fremd ist. Nicht, dass er gleich die Ochsenbrust mit dem Fleischbrühenbade ausschütten würde wegen so eines läppischen Unentschiedens nach zuvor immerhin sieben gewonnen Ligaspielen. Aber eine Art Alarm war es durchaus, wie der Bayern-Trainer in mürrischem Stakkato all die Unzulänglichkeiten aneinanderreihte, die seine Mannschaft aus seiner Sicht den Sieg gekostet hatten.

"Wir waren nicht so kompakt. Die zwei Linien standen nicht eng genug, sie haben nicht gut zusammengearbeitet. Wir waren nicht in der Lage, den Ball zu gewinnen. Am Ende haben wir mehr investiert, aber es war nicht genug. Es lag nicht an fehlender Qualität, nur an fehlender Opferbereitschaft." So präzise und schonungslos ist Ancelotti bisher nicht immer gewesen in seiner öffentlich vorgetragenen Spielanalyse.

Aber: Wer sich auf ein Bollito einlässt, der muss Geduld mitbringen, das verbindet den Ancelotti am Herd mit dem Ancelotti an der Seitenlinie. Bis allein mal die Brühe eingekocht ist, in die später die verschiedenen Fleischstücke eingelegt werden, dauert es locker zweieinhalb Stunden. Wartet nur ab, irgendwann wird es ein Festmahl, das ist seit Ancelottis Amtsantritt im Sommer auch die Gelassenheit, mit der er sein Handwerk versieht; drei Champions-League-Titel als Trainer sind seine Empfehlungsschreiben aus der Vergangenheit.

Aber wer die Bayern-Granden Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß am Samstag mit finsterem Blick aus der Münchner Arena hat stapfen sehen, der ahnt, dass die dampfenden Verlockungen der Zukunft beim FC Bayern mal wieder keinen in Verzückung versetzen, solange die Mannschaft in der Gegenwart eher wie Tütensuppe abgeschmeckt ist.

Dabei blitzt es schon hin und wieder auf, wozu dieses Team weiterhin in der Lage ist. Ein Genuss zum Beispiel der Führungstreffer in der 9. Minute. Der dynamische Arjen Robben, wie er Arturo Vidal den Ball auflegt, der ihn dann genau im richtigen Augenblick für Robert Lewandowski durchsteckt.

Ein feiner Heber über den Schalke-Torwart Ralf Fährmann hinweg. In einer gar nicht so lange zurückliegenden Zeit wäre so ein 1:0 zum Auftakt das untrügliche Zeichen nach innen wie nach außen gewesen, dass man auch an diese Partie wieder einen Haken würde machen können. Die Gelassenheit, in Führung zu liegen, dazu das präzise Passspiel, das sie unter dem Trainer Pep Guardiola zur Reife geführt hatten - daraus hätten die Bayern jetzt wieder ihre unvergleichliche Dominanz abgeleitet, und am Ende wäre dann ein 4:0 oder ein 7:1 gestanden, egal.

Der Vorstandschef Rummenigge ist in dieser gar nicht so lange zurückliegenden Zeit immer arg dünnhäutig geworden, wenn jemand festzustellen wagte, dass es vielen Teams bei ihren Gastspielen in München gar nicht mehr um drei Punkte ging. Sondern darum, halbwegs mit Anstand aus der Sache rauszukommen - und vielleicht ein paar wichtige Spieler zu schonen.

Schalke beim FC Bayern
:Großartiger Junge im fremden Trikot

Das ganze Stadion beklatscht Holger Badstuber, der als Schalke-Spieler nach München zurückkehrt. Dann lässt er gekonnt die alten Kollegen aussteigen.

Aus dem Stadion von Thomas Hummel

Rummenigge mochte den Unterton nicht, wonach den Bayern ihr ewiges Gewinnen leichter gemacht würde als anderen. Dabei waren die Gelbsperren, die sich manche Schlüsselspieler vor der Reise nach Bayern noch rasch einhandelten, oder die oft hasenfüßigen Aufstellungen mancher Trainer einfach nur ein Kompliment: Die Unbesiegbarkeit der Münchner war quasi eine Art Ligagesetz, Widerstand zwecklos.

Man musste am Samstagnachmittag gar nicht der mahnenden Ansprache des Kapitäns Philipp Lahm zuhören (von der noch die Rede sein wird), um festzustellen, dass von dieser Aura der Unbesiegbarkeit nicht mehr viel übrig ist. Man musste nur den Schalkern zusehen - gerade mal eine Woche, nachdem sie nach einem 0:1 gegen Eintracht Frankfurt noch wie geprügelte Hunde aus ihrem Stadion getrottet waren.

Aber das sei heute beim FC Bayern eben "eine andere Ausgangslage" gewesen, sagte der Trainer Markus Weinzierl: Diesmal habe man sich aus einer vermeintlichen Außenseiterrolle heraus Hoffnung auf eine Überraschung machen dürfen. "Wir haben unter der Woche darüber gesprochen, dass es kein Ziel sein kann, nur lange Bälle zu spielen, heute haben wir uns mehr zugetraut, haben besser Fußball gespielt", sagte Weinzierl zufrieden.

Naldos Ausgleich per Freistoß kam zwar auch mit freundlicher Hilfe des Bayern-Torwarts Manuel Neuer zustande (13.) - aber es folgten dann noch diverse Chancen auf beiden Seiten, darunter Lattentreffer vom Schalke-Stürmer Guido Burgstaller (40.) und von Lewandowski (42.). Die Schalker hatten sich ihren Punkt am Ende redlich verdient. Und dass zwischen den von Ancelotti angesprochenen Linien, also zwischen Abwehr und Mittelfeld, immer wieder Lücken klafften, war aus Münchner Sicht dabei nur ein Problem von vielen. "Wir wussten nicht, was wir machen können", sagte Lewandowski etwas ratlos.

Bayern gegen Schalke
:"...sonst sind wir ganz schnell in mehreren Wettbewerben raus"

Carlo Ancelotti fleht, Philipp Lahm warnt, Manuel Neuer wird grundsätzlich: Der FC Bayern macht sich nach dem schwachen Remis gegen Schalke schwere Vorwürfe.

Aus dem Stadion von Maik Rosner

Der Kapitän Lahm kam erst in der 77. Minute auf den Platz, das hinderte ihn aber nicht daran, anschließend lauter "Feuer" zu rufen, als das bei den Bayern bisher zum guten Ton gehörte: "Die Mannschaft muss sich bewusst sein, dass es so, wie wir die letzten drei Spiele agiert haben, in den nächsten Wochen nicht gehen kann. Sonst sind wir ganz schnell in mehreren Wettbewerben auf einmal raus", sagte Lahm.

Er meinte damit das Pokal-Achtelfinale an diesem Dienstag gegen den VfL Wolfsburg, vor allem aber die eine Woche später beginnende Champions-League-Runde gegen den FC Arsenal. Man müsse jetzt einiges ändern - "wie schnell das dann funktioniert, muss man sehen. Es wird nicht so sein, dass man einen Hebel betätigt und dann spielt man super bis zum Saisonende". Philipp Lahm sprach damit explizit die Teamkollegen an. Ändern kann die Dinge aber in erster Linie der Trainer.

Es fehle die "Opferbereitschaft", hat Carlo Ancelotti gesagt, als sei das so eine Zutat wie Lorbeerblätter oder Kalbsknochen. Eine Prise davon, dann wird es schon schmecken. Die Spieler wirkten allerdings eher so, als würden sie sich schon gerne zerreißen für den Erfolg, bloß: Es fehlt ihnen halt das passende Rezept.

© SZ vom 06.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

FC Bayern in der Einzelkritik
:Manuel Neuer flutscht Naldos Knaller durch

Mats Hummels holt sich eine blutige Nase, Arturo Vidal ist die personifizierte Flugabwehrgrätsche. Und Holger Badstuber spielt in einem seltsamen Trikot. Der FC Bayern in der Einzelkritik.

Aus dem Stadion von Thomas Hummel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: