Bundesliga: 9. Spieltag:Das Mainzer Märchen geht weiter

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Ein Jokertor in Leverkusen beschert dem FSV Mainz die Rückkehr an die Tabellenspitze, der BVB erreicht gegen Hoffenheim in letzter Sekunde ein 1:1, Stuttgart verlässt nach einem Sieg gegen St. Pauli die Abstiegsplätze.

im Überblick.

Der FSV Mainz 05 schreibt dank Joker Andreas Ivanschitz wieder eifrig an seinem Fußball-Märchen und ist nach nur einer Woche zurück an die Bundesliga-Tabellenspitze gestürmt. Die Sensationself von Trainer Thomas Tuchel verbuchte durch einen Treffer des eingewechselten Österreichers einen 1:0 (0:0)-Sieg bei Bayer Leverkusen und zog mit nun 24 Punkten wieder an Borussia Dortmund (22) vorbei. Zugleich feierten die 05-er nach den Auswärtssiegen bei Ex-Meister VfL Wolfsburg, Werder Bremen und Titelverteidiger Bayern München den nächsten Coup bei einem Top-Team der Liga.

Andreas Ivanschitz schoss den FSV Mainz 05 mit seinem Siegtor in Leverkusen wieder an die Tabellenspitze. (Foto: REUTERS)

Bayer ging dagegen nach neun Pflichtspielen ohne Niederlage erstmals wieder leer aus und verliert mit 15 Zählern die Spitze allmählich aus den Augen. Die Entscheidung fiel in der 70. Minute, als Ivanschitz nach Zuspiel des zukünftigen Leverkuseners Andre Schürrle aus kurzer Entfernung zur Stelle war. Damit hatte Tuchel wieder einmal ein goldenes Händchen bewiesen, hatte er die Beiden doch erst zwei Minuten zuvor eingewechselt.

Vor 30.210 Zuschauern in der ausverkauften BayArena blieb der erwartete Schlagabtausch der beiden Spitzenteams aus. Mit einer geschickten Raumaufteilung und schnellen Kontern machten die Mainzer den Gastgebern vielmehr das Leben schwer. So riskierten die Leverkusener nicht allzu viel, mit der Folge, dass die großen Torchancen Mangelware blieben. Die beste Phase hatten die Rheinländer noch in den ersten 20 Minuten, als sie sich eine Vielzahl an Ecken herausspielten und dabei nicht ungefährlich blieben. So kamen Manuel Friedrich (7.), Simon Rolfes (13.) und Sidney Sam (16.) zu ersten kleineren Möglichkeiten, ohne dass Mainz-Keeper Christian Wetklo Angst und Bange sein musste. Gefährlicher wurde es da schon in der 21. Minute, als Eren Derdiyok nach Freistoß von Tranquillo Barnetta mit einem Kopfball nur um Zentimeter das Mainzer Tor verfehlte (21.).

Chancen auf beiden Seiten

Nach der Leverkusener Drangphase vermochten sich die Gäste Mitte der ersten Halbzeit aber zu befreien, und um ein Haar wäre sogar der zu dieser Zeit überraschende Führungstreffer herausgesprungen. Nach einem Schnitzer von Stefan Reinartz tauchte Adam Szalai frei vor dem Tor auf, doch sein Schuss ging nicht nur über Nationaltorhüter Rene Adler, sondern auch über das Tor (24.). Zwölf Minuten später zwang Niko Bungert mit einem Kopfball Adler zu einer Parade. Nach der Pause kamen die Mainzer immer besser ins Spiel und zu guten Chancen.

Erst musste Adler bei einem Schuss von Szalai sein ganzes Können aufbieten (55.), dann ließ Marco Caliguiri mit einem schlampigen Abspiel eine hervorragende Chance liegen (57.). Drei Tage nach dem Europacup-Auftritt bei Aris Saloniki (0:0) wirkten die Leverkusener mit zunehmender Spieldauer immer müder. Dass Patrick Helmes zunächst nur auf der Bank saß und Derdiyok als einzige Spitze agierte, wirkte sich ebenfalls negativ auf das Bayer-Spiel aus. Heynckes, der seine Mannschaft auf insgesamt fünf Positionen veränderte, korrigierte in der 59. Minute seine Marschroute und brachte Helmes ins Spiel.

Auf Mainzer Seite fehlte überraschend Jungstar Schürrle, der im nächsten Jahr für acht Millionen Euro an den Rhein wechselt, in der Startformation. Doch wieder einmal bewies der Youngster seinen Wert als Joker, indem er den Führungstreffer von Ivanschitz vorbereitete. Leverkusener warf danach nochmal alles nach vorne und hatte durch Sam eine gute Chance, doch der Ex-Lauterer setzte einen Schuss auf die Latte. Bei Leverkusen verdienten sich Adler und Arturo Vidal die Bestnoten. Auf Mainzer Seite wussten Elkin Soto und Sami Allagui zu gefallen.

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alle Tore.

Als Wolfgang Stark in der dritten Minute der Nachspielzeit die Pfeife zum Mund führte und kräftig hineinblies, wirkte es, als sei diese Partie jetzt vorbei. Die Hoffenheimer rissen die Arme hoch, es wirkte, als bejubelten sie ihren Auswärtssieg, ein schönes 1:0, zäh verteidigt, doch in Wahrheit protestierten sie. Denn Schiedsrichter Stark hatte auf Freistoß entschieden: noch eine letzte Aktion am Ende dieses intensiven Spiels, ein letzter Schuss. Der eingewechselte Antonio da Silva durfte antreten.

Kein Durchkommen: Hoffenheims Tobias Weiss versucht sich gegen die Dortmunder Schmeltzer (li.) und Sahin. (Foto: REUTERS)

Da Silva lief an, er hob den Ball über die Mauer, es war ein perfekter Schuss aus 20 Metern, der auf gekrümmter Flugbahn zum 1:1 ins Tor flog. Das Westfalenstadion schrie vor Glück, weil ja alles, wirklich alles danach ausgesehen hatte, dass Hoffenheim dank des frühen Treffers von Demba Ba gewinnen würde. "Was wir heute in der zweiten Halbzeit abgerissen haben, war unglaublich", rief Dortmunds Trainer Jürgen Klopp.

Nach dem Schlusspfiff wollten die Hoffenheimer nicht glauben, dass ihnen der sicher geglaubte Sieg noch entrissen worden war. Sie waren unisono der Ansicht - der durchaus verständlichen Ansicht - dass dem entscheidenden Freistoß kein Foul vorausgegangen sei. Sejad Salihovic erregte sich so sehr, dass er, obwohl die Partie vorüber war, die gelb-rote Karte saht. Es war ein spannender, ein aufregender Abend im Westfalenstadion, aber es war nicht unbedingt der Abend von Wolfgang Stark.

Ärger über Schiedsrichter Stark

Entsprechend erregte sich Hoffenheims Trainer Ralf Rangnick. Er sagte: "Ich habe keine Lust, das ganze Spiel Revue passieren zu lassen. Denn es reduziert sich für uns auf die 92. Minute. Es war ein Foul an Obasi und nicht von Obasi. Diese Entscheidung hat Dortmund den Ausgleich beschert. Für uns fühlt sich das an wie eine Niederlage." Dem turbulenten Geschehen auf dem Rasen war die Kulisse angemessen: Die Wolken hatten sich über dem Westfalenstadion zu Gebirgen getürmt, es war nur eine Frage der Zeit, bis sich große Mengen Wassers aus ihnen ergießen würden. Die Bühne war bereitet für ein Kampfspiel zweier Mannschaften, die zwar imstande sind, den feinen Ball zu spielen, die sich aber vor allen Dingen durch ihr intensives, teils aggressives Spiel auszeichnen. Sieben Mal nacheinander hatten die Dortmunder zuletzt gewonnen, sie gingen als Favorit ins Spiel, aber auch Hoffenheim hatte jüngst überzeugt. Die Mannschaft spielt nicht mehr den unbekümmerten Fußball ihrer ersten Bundesliga-Hinrunde vor zwei Jahren, dafür wirkt sie reifer. "Es war einer der schwersten Gegner von denen, die gut gegen den Ball spielen", sagte Klopp. Genau aus diesem Grund war es das interessanteste Duell des Spieltags, das hier vor 80.000 Zuschauern ausgetragen wurde.

In schöner Regelmäßigkeit erfüllen Fußballspiele mit solchen Vorzeichen die Erwartungen nicht, die Begegnung von Dortmundern und Hoffenheimern ließ sich hingegen gleich gut an. Dortmund mühte sich um Kontrolle, Hoffenheim lauerte. So ging das ein Weilchen, bis Peniel Mlapa - einer der vielen ehemaligen Spieler des notorischen Zweitligisten TSV 1860 München in der Bundesliga - den Ball eroberte und klug zu Luiz Gustavo passte. Der wiederum lief in den Sechzehnmeterraum, den Kopf erhoben wie eine stolze Balletttänzerin, er lief, er schaute, er sah den mitgelaufenen Demba Ba; im genau richtigen Moment spielte Gustavo den Pass, und Ba schob die Kugel gelassen zur Hoffenheimer Führung ins Tor (9. Minute).

Das Westfalenstadion wurde leiser, und aus den riesigen Wolken fiel nun allmählich das Wasser. Dortmund musste etwas tun, und die Hoffenheimer hatten das Spiel nun genau so vor sich, wie sie sich das wünschten: Der Gegner musste Räume bieten, sie konnten abwarten und gegebenenfalls Konter setzen. Wie würden die Dortmunder mit diesem Treffer umgehen? Sie waren ja in dieser Saison erst ein Mal in Rückstand geraten, gleich im ersten Spiel, und das hatten sie verloren, gegen Leverkusen.

Sahins wiederholter Elfmeter

In der 14. Minute gefiel es Hoffenheims Isaac Vorsah, den Ball im Strafraum mit der Hand zu spielen. Nuri Sahin verwandelte den fälligen Elfmeter sicher, doch Schiedsrichter Wolfgang Stark bestand auf einer Wiederholung des Schusses, weil er glaubte, Lucas Barrios wäre eine Tausendstelsekunde zu früh in den Strafraum gelaufen. Es war eine ultrapenible Auslegung, und es kam, wie es so oft kommt: Sahins zweiten Versuch wehrte Torwart Tom Starke ab. Es herrschte nun einige Aufregung auf den Rängen - zu Recht, wie sich herausstellen sollte. Starks Entscheidung war nicht bloß kleinlich, sondern falsch. Als Klopp später die Wiederholung am Fernseher sah, sagte er: "Das ist ja wahnsinnig. Lächerlich. Das ist an Ungerechtigkeit kaum mehr zu überbieten." Er sagte es lächelnd, denn er wusste, dass die Geschichte ein gutes Ende finden würde.

Bis Dortmund zu weiteren guten Chancen kam, dauerte es eine Weile. Die Hoffenheimer ließen nicht viel zu; die beste Chance hatte Barrios nach einer Stunde: Nach Jakub Blaszczykowskis feinem Pass schoss er sofort, doch Starke konnte den Ball mit den Knie abwehren. Dortmund machte jetzt Druck, Dortmund sah gut aus, aber Dortmund traf nicht.

Vor einer Woche waren es die Mainzer, denen es nicht gelang, den achten Sieg in Serie zu landen, allmählich wurde klar, dass es den Dortmundern auch nicht gelingen würde, mehr als sieben Siege aneinander zu reihen, als gäbe es da ein ungeschriebenes Gesetz: Acht sind einer zu viel. Aber sie mühten sich, immer öfter tauchten auch die Innenverteidiger Hummels und Subotic vorne auf, selbst Torwart Weidenfeller stürmte nach vorn, und am Ende wurden die Bemühungen belohnt, als da Silvas Schuss in den Torwinkel flog. 1:1, der Endstand, ein Ergebnis, von dem Klopp sagte: "Im Moment fühlt sich das für uns an wie ein Sieg."

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Der VfB Stuttgart ist unter Trainer Jens Keller auf dem Weg aus dem Tabellenkeller. Durch ein glückliches 2:0 (1:0) gegen den FC St. Pauli verließen die Schwaben nach dem schlechtesten Saisonstart der Vereinsgeschichte vorerst die Abstiegsplätze in der Fußball-Bundesliga. Den erst zweiten Sieg der Saison in einer zum Teil turbulenten Begegnung sicherten Georg Niedermeier (19.) und Zdravko Kuzmanovic (79.). Der VfB hatte aber auch das nötige Quäntchen Glück gegen die auswärtsstarken Hamburger, die nach zuletzt zwei Siegen und bislang drei Auswärtserfolgen sehr entschlossen auftraten, im Abschluss aber Pech hatten.

In der 31. Minute traf Carlos Zambrano mit einem Schuss aus 25 Metern nur die Latte, der ansonsten starke Sven Ulreich im Stuttgarter Tor wäre ohne Abwehrchance gewesen. St. Pauli misslang durch die Niederlage der Sprung auf einen Europacup-Platz. Nach einem gut hereingespielten Eckball von Timo Gebhart, der nach dem 1:0 des VfB in der Europa League gegen den FC Getafe den Vorzug vor Mauro Camoranesi erhalten hatte, köpfte Abwehrspieler Niedermeier den VfB ein wenig überraschend in Führung.

Führung durch Niedermeier

Die Schwaben hatten bis dahin große Probleme beim Spielaufbau offenbart, St. Pauli störte früh und spielte wesentlich zielstrebiger nach vorne. Gerald Asamoah besaß in der 10. Minute auch die Chance zur Führung für die Gäste. Nach dem Stuttgarter Führungstreffer wurde das Spiel zusehends lebhafter. Zunächst traf Kuzmanovic aus 25 Metern nur auf das Tornetz (22.), danach rückte Ulreich in den Blickpunkt. Erst lenkte er einen Schuss von Matthias Lehmann um den Pfosten (23.) und faustete auch einen weiteren Weitschuss des Hamburgers weg (34.). St. Paulis Torhüter Thomas Kessler bewahrte seine Mannschaft gegen Serdar Tascis Kopfball (45.) vor einem weiteren Gegentreffer.

Nach der Pause verhielt sich der VfB erstaunlich passiv, ließ den weiter druckvollen FC St. Pauli kommen und brachte seinerseits im Spiel nach vorne wenig zusammen. Torhüter Ulreich bekam weiter die Gelegenheit sich auszuzeichnen, so bei einem Kopfball von Marius Ebbers (49.), er hatte aber in der 54. Minute erneut Glück, dass Tasci einen Lupfer von Max Kruse mit einem Scherenschlag vor der Torlinie wegschlug. Erst als St. Pauli nach einer guten Stunde immer vehementer auf den Ausgleich drängte, ergaben sich auch für den VfB wieder einige Gelegenheiten. Viele Angriffe blieben allerdings Stückwerk.

In der 79. Minute schloss der VfB einen Konter erfolgreich ab, als sich Ciprian Marica auf der rechten Seite durchsetzte und den mitgelaufenen Kuzmanovic bediente. Der serbische Nationalspieler traf mit einem Flachschuss von der Strafraumgrenze. Bester Spieler beim VfB war Torhüter Ulreich, bei St. Pauli überzeugte Lehmann.

© SZ vom 25.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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