Bremen - Schalke:Polizeieskorten im Abtastwahn

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Kaum Torschüsse, betonfeste Abwehrketten, gegenseitiges Belauern: Im Duell der Taktiker siegt ein allzu bescheidener Schalke-Trainer.

Iris Hellmuth, Bremen

Felix Magath tunkte. Die goldene Farbe in seinem Glas vertiefte sich zusehends, der Trainer des FC Schalke 04 sprach leise und langsam. Er hatte sich für eine Ceylonmischung entschieden. "Das ist natürlich ein sehr brauchbarer Umstand", sagte er und tunkte den Beutel ein wenig tiefer ins Glas, "wenn man einen Zamprano auch mal auf die rechte Verteidigerseite stellen kann", sagte er und pustete, "oder wenn ein Heiko Westermann mal wieder überragend spielt", sagte er und tunkte, "und sicher, wenn wir auf allen Positionen so gut besetzt wären wie in der Innenverteidigung - dann würde ich jetzt auch davon sprechen, dass wir um die Meisterschaft spielen."

Harte Arbeit: Jefferson Farfán beim Durchbrechen der Bremer Reihen (Foto: Jefferson Farfán)

Aber Magath spricht ja nicht von der Meisterschaft. Nicht solange es Mannschaften gibt, "die davon nicht nur träumen, sondern auch reden können, weil sie näher dran sind als wir" - die altbewährte Magath-Taktik des Sichkleinredens, da war sie wieder, und sie klang wohlfeil. Und doch - seine zufriedenen Blicke beim Tee sagten alles.

Natürlich war es ein Spiel nach Magaths Geschmack, mit der taktischsten aller Varianten: Als würden hinter ihnen zwei Atomtransporte nach Gorleben abfahren, standen sich sofort nach Anpfiff zwei Vierketten gegenüber, weit aufgerückt, im Abstand von vielleicht 30 Metern rechts und links der Mittellinie - die verbleibenden zwölf Feldspieler knautschten sich irgendwie in den Raum dazwischen, verschoben und lauerten.

Wer pfeift eigentlich?

Wenn sich jemals ein Spiel für die 3-D-Daueranalyse anbieten sollte, dann war es ganz sicher dieses. Gerade einmal fünf Schüsse aufs Tor sollten beide Mannschaft im Lauf der Partie abgeben, "ein aufmerksames Abtasten", nannte sie Per Mertesacker nach dem Apfiff; Ivan Rakitic von Schalke 04 sagte: "Das ein superintensives Spiel, Bremen ist eine intakte Mannschaft, da wollten wir sehr kompakt stehen."

Und das taten sie. Nur manchmal blitzte so etwas wie Angriffslust hervor, eine Art Vorgeschmack auf das, was passieren könnte, sollte das strenge Gefüge irgendwann aufbrechen sollte: Auf der rechten Schalker Seite holte sich der Stürmer Jefferson Farfán die Bälle direkt beim Außenverteidiger Carlos Zambrano ab - sie trennten ja nur knapp 30 Meter. Mithilfe von Rafinha versuchte er dann, die linke Bremer Abwehrseite zu filetieren, was manchmal vor allem deshalb gelang, weil Sebastian Boenisch nicht überall sein konnte. Doch beide Teams taten sich dabei nicht weh. Keine einzige Verwarnung gab es in der ersten Halbzeit. Es war eines dieser Spiele, in denen man sich nach 45 Minuten fragte: Und wer pfeift eigentlich?

Noch viel dringender war allerdings die Frage, was die beiden Chefstrategen Schaaf und Magath in der Kabine zu ihren Spielern sagten. In der Mixed Zone nach der Partie gab es dazu aufschlussreiche Antworten. "Thomas Schaaf meinte, wir sollten den Ball weiter schnell laufen lassen, noch schneller in die Spitze spielen und Schalke noch mehr unter Druck setzen", sagte der Bremer Verteidiger Naldo, Ivan Rakitic sagte: "Felix Magath wollte, dass wir den totalen Willen zeigen, dieses Spiel wirklich gewinnen zu wollen", und seine Betonung lag sehr deutlich auf dem Wort "wollen".

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Die Schalker Strategie ging auf. Nur zwei Minuten nach Wiederanpfiff passte Lewis Holtby so fein in die Schnittstelle der Bremer Abwehr, dass Kevin Kuranyi nur noch den aus seinem Tor geeilten Tim Wiese umkurven und aus elf Metern abziehen musste, auch das zweite Tor (72., Moravek) bereitete Kuraniy vor. 23 Spiele lang hatte Werder Bremen nicht verloren, jetzt führte Schalke an der Weser - die Bremer wurden wütend.

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Doch auch der nach langer Verletzungspause in der zweiten Halbzeit eingewechselte Claudio Pizaro konnte dem Spiel seiner Mannschaft nicht helfen. Es bleibt unklar und wenig konkret; Bremen spielte schön, aber harmlos. "Man hat heute gesehen, dass wir Probleme haben, wenn Mannschaften sehr eng stehen und uns Kampf bieten", sagte Torsten Frings nach dem Spiel, "wir sind eben nicht mehr so eine Mannschaft, die eine andere so niederkämpfen kann. Wir kommen übers Spielerische, das hat nicht geklappt, und deshalb haben wir verloren."

Vom Titel singen

Nur zwei Meter entfernt von ihm strahlte Kevin Kuranyi in die Kameras. "Wir haben gut gearbeitet, wir haben zugemacht, wir haben Bremen nicht so spielen lassen, wie sie normalerweise spielen, wir haben unsere Tore geschossen - und Gott sei Dank gewonnen", säuselte er sehr, sehr glücklich. Ob Schalke sich denn nun endlich als eine Spitzenmannschaft bezeichnen dürfe? "Wir können uns noch so viel verbessern, und wir werden hart daran arbeiten, dass wir besser werden."

Das wird ihm gefallen haben, dem entspannten Herrn Magath, solch wohlfeile Worte nach einem gelungenen Spiel. Nein, wie eine Spitzenmannschaft habe man nicht gespielt, bestätigte der Trainer, spitze verteidigt allerdings schon, "die Fans können ruhig träumen, die können vom Titel singen", sagte Magath und pustete ein letztes Mal in seinen Tee, bevor er ihn endgültig neben sich abstellte - das war ihm einfach alles zu heiß.

Felix Magath spricht nicht über kommende Titel. Höchstens über Ähnlichkeiten mit Mannschaften, die mit ihm schon einmal Titel geholt haben. "Mannschaften, die Meister werden, haben ja oft sehr wenig Gegentore bekommen, oft auch die wenigsten, so war der VfL Wolfsburg ja auch in der Rückrunde, defensiv sehr stark."

Der FC Schalke 04 ist - mit nur 13 Gegentoren - inzwischen auf dem zweiten Platz der Tabelle angekommen. Die Zeiten des ruhigen Teetrinkens sind in Gelsenkirchen jetzt wohl endgültig vorbei.

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