Werder Bremen:"Ich werde nicht weglaufen"

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Verklausuliertes Rücktrittsangebot: Werder-Trainer Florian Kohfeldt nach der siebten Niederlage in Serie. (Foto: Matthias Koch/imago images)

Nach dem 1:3 bei Union Berlin versinkt Bremen tief im Abstiegskampf. Trainer Kohfeldt zeigt sich kämpferisch - gibt aber auch zu erkennen, dass er sich einer Trennung nicht versperren würde.

Von Javier Cáceres, Berlin

Es war wahrlich kein Sturm, was am Samstagabend durch Köpenick zog; für Menschen, die Bremen kennen, schon gar nicht. Aber das Lüftchen reichte, um Werders Trainer Florian Kohfeldt, 38, noch einen überflüssigen und nervigen Kampf zu bereiten.

Beharrlich fielen ihm die bunten Werbetafeln aus Plexiglas in den Rücken, als der Werder-Trainer den TV-Anstalten Rede und Antwort stand. Beziehungsweise - Moment: Werder-Trainer? Oder muss es nicht doch genauer heißen: "Noch"-Werder- Trainer?

Mit 3:1 hatte der 1. FC Union Berlin gegen den SV Werder gewonnen, und den Bremern damit die siebte Niederlage in Serie zugefügt. Das ist ein ligaweiter Rekord, die schlimmste Negativ-Serie der Saison, nicht einmal der diesjährig desaströse FC Schalke 04 kann derlei vorweisen. Was übersetzt in die Gesetzmäßigkeiten der Branche ja nur heißen kann, dass alle, auch Kohfeldt, wissen, was die Stunde geschlagen hat. Er wolle "kämpfen", sagte also Kohfeldt. Und versicherte, dass er weiterhin "das Vertrauen" der Verantwortlichen spüre (der am Samstag stumme Manager Baumann hatte ihn unter der Woche wieder als Coach ratifiziert).

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Kohfeldt unterbreitet ein verklausuliertes Rücktrittsangebot

Aber es gehe halt um Werder, sagte Kohfeldt, und meinte den Verein, dem er seit 20 Jahren angehört. "Das steht über allem." Und das bedeute, dass man es ihm sagen müsse, wenn jemand meine, dass "ein anderer Impuls" den Klassenverbleib sichern könnte. Und das wiederum hieß, auch wenn er es nicht ausführte, dass er dann gehen würde, ohne jemandem gram zu sein. Auch wenn er betonte, dass er keinesfalls fliehen würde. Im Gegenteil.

Im Lichte der Werder-Leistung vom Samstag war es kaum ein Wunder, dass Kohfeldt ein verklausuliertes Rücktrittsangebot unterbreitete. Auch er hatte gesehen, was die Mannschaft am Samstag in Köpenick geboten hatte: eine im Grunde bodenlose Leistung, bis es zu spät war. Die ganze erste Halbzeit war schlimm gewesen; es war der möglicherweise bedrückendste Vortrag, der in der Alten Försterei in dieser Saison zur Aufführung kam. Die Unioner waren uninspiriert, was ja mal vorkommen kann und angesichts der formidablen Punkteausbeute (46 nach 31 Spielen) eine lässliche Sünde darstellte. Die Bremer aber wirkten, und das nicht zum ersten Mal in dieser Saison, ambitions- und inspirationslos. Dass sich da elf Berufsfußballer zusammengefunden hatten, die irgendwelche Verschiebungen im Verbund beherrschen, konnte man gut erkennen. Nicht aber, dass sie auch Freude am Spiel haben. Sie standen im Grunde nur hinten drin. Und so begab es sich, dass die einzige Szene, die in der ersten Halbzeit bemerkenswert war, komödiantisch daherkam: Unions Robert Andrich schoss einen Verteidiger Werders, Marco Friedl, im Strafraum ab - drei Mal hintereinander. Ein Hattrick sozusagen, dem ein weiterer Hattrick folgen sollte, der ungleich wichtiger und sogar "lupenrein" im Sinne der Pedanterie war. Der Autor: Joel Pohjanpalo.

Der Stürmer Pohjanpalo stammt aus Finnland, und so wie die Tore in der zweiten Halbzeit fielen, muss er sich an die abgelegenen Provinzen seiner dünn besiedelten Heimat erinnert gefühlt haben. Niemand war bei ihm, als ihm im Anschluss an eine Ecke ein Ball im Fünfmeterraum vor die Füße fiel und er resolut zur Führung einschoss (50.). Niemand war bei ihm, als Petar Musa einen stumpf nach vorn geschlagenen Ball mit dem Rücken verlängerte - und er mit rechts zum 2:0 vollenden konnte. Und im Grunde war er auch allein, als er in der 68. Minute nach einem katastrophalen Fehler von Maximilian Eggestein wieder den Ball von Musa serviert bekam, und mit links einschoss, die Partie früh entschied.

Werder steht nun tief im Tabellenkeller

"Ein 15-minütiger Blackout" sei das gewesen, sollte später Niklas Moisander erklärten; Trainer Kohfeldt pflichtete ihm bei. "Das war eine schöne Zeit", sagte wiederum Pohjanpalo. Im Grunde hielt sie auch noch an. Die Bremer konnten nämlich von Glück reden, dass sie nicht noch weitere Treffer kassierten, vor allem beim Kopfball von Robin Knoche nach Ecke von Christopher Lenz (78.) oder bei einer Aktion von Grischa Prömel (90.). Werder wiederum verkürzte durch Theo Gebre Selassie, der nach einem Missverständnis zwischen Torwart Luthe und einem Abwehrspieler den Ball in hohem Bogen ins Tor köpfelte (82.). Aber das änderte nichts daran, dass Werder mit nur 30 Zählern tief im Tabellenkeller steht.

"Als Trainer trage ich die Verantwortung für diese Leistung", sagte Kohfeldt mit fester Stimme - und fügte einen Satz hinzu, die ihn als einen Trainer ausweist, der nicht resigniert: "Ich werde nicht weglaufen", sagte er nämlich. Allein: Das kann er im Moment auch nicht. Er steht mit seinem Team im Treibsand, und die Zeit, die ihm und seiner Mannschaft verbleibt, sich zu befreien, sie verrinnt auf dramatische Weise.

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