Boykottaktion von Stürmer Papiss Cissé:Ärger auf der Brust

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Protest gegen das eigene Trikot: Demba Papiss Cisse (links). (Foto: REUTERS)

Papiss Cissé will das neue Trikot seines Klubs Newcastle United nicht anziehen - weil der Sponsor mit seiner Werbebotschaft gegen die Glaubensgrundsätze des Moslems verstößt. Es ist nicht der erste Streitfall zwischen strengem Glauben und Fußballkommerz.

Von Johannes Aumüller

Vielleicht bedauern die Verantwortlichen von Newcastle United ihren jüngsten Sponsoren-Coup schon. Im Oktober verkündeten sie einen Deal mit dem Finanzdienstleister Wonga, seitdem herrscht bei dem Premier-League-Klub Unruhe. Den Anhängern missfällt beispielsweise der Entwurf für das neue Auswärtstrikot. Und nun ist der neue Trikotsponsor auch noch Teil einer ungewöhnlichen Debatte rund um Newcastles Vorzeige-Angreifer Papiss Cissé.

Der bekennende Moslem hat offenkundig gedroht, das Trikot mit der neuen Werbeaufschrift nicht anzuziehen, weil die Geschäftspraktiken von Wonga seinem Glauben widersprächen. Im Islam gilt ein allgemeines Zinsverbot; Wonga (ein Slang-Ausdruck für "Knete") verdient sein Geld mit üppig bezinsten Kurzzeit-Krediten.

Der Fall Cissé selbst ist kniffelig. Wer den bis 2012 für den SC Freiburg stürmenden Senegalesen näher kennt, weiß um dessen Glauben. Vor Spielen breitet er oft seine Arme aus, um zu beten. Andererseits befindet sich Cissé gerade auch in Vertragsverhandlungen und trug bei United bisher ein Trikot mit der Sponsoraufschrift Virgin Money - einer britischen Bank. Newcastle selbst will die Angelegenheit nach Cissés Rückkehr von den WM-Qualifikationsspielen klären und sie bis dahin nicht kommentieren.

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Mario Gomez will nicht mehr beim FC Bayern spielen, Robert Lewandowski will unbedingt - und darf nicht. Doch nicht nur in der Bundesliga hat das Wetteifern um die stärksten Angreifer begonnen. In allen europäischen Topklubs herrscht Aufregung. Ganz vorne dabei: Real Madrid und Manchester City.

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Zugleich zeigt sich aber erneut, wie schwierig das Spannungsverhältnis zwischen Fußball und Religion bisweilen ist. Schon vor ein paar Jahren weigerte sich der französisch-malische Stürmer Frédéric Kanouté vom FC Sevilla, in einem Trikot mit der Aufschrift eines Sportwettenanbieters zu spielen, weil der Islam Glücksspiel verbiete.

Zunächst wurde die Werbung mit einem weißen Streifen überklebt. Später erklärte er sich bereit, mit dem Logo zu spielen; der Verein überwies im Gegenzug einen namhaften Betrag an eine von Kanouté unterstützte Stiftung. Real Madrid entfernte für den Bau eines nach ihm benannten Luxus-Themenparkes in Arabien das Kreuz aus dem Wappen, um etwaige Kunden nicht mit christlicher Symbolik zu belasten.

Der einst als europäisches Spitzentalent gepriesene Schweizer Johan Vonlanthen wollte unter Berufung auf eine strenge Auslegung seines christlichen Glaubens nicht mehr samstags spielen, weil das gegen das Bibelgebot verstoße, den Sabbat zu heiligen. 2009 wechselte er daher zu einem unspektakulären kolumbianischen Klub, der ihm diese Forderung vertraglich erfüllte.

Erst in dieser Woche kehrte er zum Schweizer Rekordmeister Grashoppers nach Zürich zurück; Vonlanthen erklärte, er habe seinen Glauben "geordnet" und könne wieder samstags Fußball spielen. In Deutschland kommt es regelmäßig während des Ramadans zu Diskussionen, ob muslimische Profis das strenge Fastengebot brechen dürfen, um sich auch ernährungsmäßig so auf Trainingseinheiten und Spiele einzustellen, wie es die Sportmediziner für sinnvoll halten.

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2010 gab es dazu einen bemerkenswerten Beitrag vom Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD). Nach seiner Auffassung zählen Profifußballer zu den Ausnahmefällen, die das Fastengebot brechen und später nachholen können - für diese Meinung hatte der ZMD ein Gutachten bei der ägyptischen Al-Azhar-Universität in Auftrag gegeben, einer der höchsten Autoritäten in der islamischen Welt.

Womöglich findet sich ja ähnlich wie bei Kanouté oder der Fastenproblematik auch bei Cissé ein Kompromiss. Doch es ist kein Zufall, dass als Kaufinteressent für den Stürmer derzeit vor allem der russische Klub Anschi Machatschkala gilt. Der verfügt dank des Oligarchen Sulejman Kerimow nicht nur über jede Menge Geld - sondern ist auch in einer Region beheimatet, in der die Bevölkerung großteils muslimisch ist.

© SZ vom 13.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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