Mönchengladbach:Die Borussia bemüht sich um Nüchternheit

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"Ein absoluter Nackenschlag" sei der Rücktritt von Max Eberl, sagte Gladbachs Trainer Adi Hütter auf der Pressekonferenz vor dem wegweisenden Spiel gegen Bielefeld. Dennoch glaubt der Trainer, dass die Borussia gut aufgestellt ist für den Rest der Saison. (Foto: Dirk Paeffgen/jdp/imago)

Der Rücktritt von Sportdirektor Max Eberl nimmt etwas Druck von Trainer Adi Hütter. Dem stehen mindestens zwei wichtige Spiele bevor - und er muss ein Rätsel im Mittelfeld lösen.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Der Vizepräsident Rainer Bonhof hat momentan nicht gerade das Bedürfnis, die Fußballwelt allzu tief in die verletzte Seele von Borussia Mönchengladbach blicken zu lassen. Seinen ersten Auftritt als vorübergehender Ersatz des zurückgetretenen Sportdirektors Max Eberl in der Pressekonferenz vor dem Bundesligaspiel bei Arminia Bielefeld nutzte der 69-Jährige für eine Stilübung in Sachen Prägnanz.

Wie zeitnah man einen neuen Sportdirektor präsentiere? "Nicht schnell-schnell, sondern so, wie wir sind: in Ruhe." Welche Qualifikationen der Eberl-Nachfolger benötige? "Er sollte Ahnung von Fußball haben." Ob der Vertrag von Eberl aufgelöst werde? "Das prüfen wir gerade." Ob es ein Ultimatum für den Trainer Adi Hütter gebe? "Wir sind an Adis Seite, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren." Wie tröstlich es sei, dass am Samstag nun doch 10 000 Zuschauer ins Stadion in Bielefeld dürfen? "Da würden noch mehr reinpassen."

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Man darf davon ausgehen, dass Bonhof intern im Gespräch mit Hütter ein bisschen auskunftsfreudiger ist. Der Trainer, dem Eberl seine Rückzugspläne bereits im vergangenen Herbst verraten hatte, fühlt sich vom ausgebrannten Sportchef nicht im Stich gelassen und hält die Borussia auch ohne Eberl für "weiterhin gut aufgestellt". Hütter betonte, er habe auch zum Vizepräsidenten Bonhof, zum Präsidiumsmitglied Hans Meyer, zum Scouting-Chef Steffen Korell sowie zum Finanzchef Stephan Schippers ein gutes Verhältnis. Freilich sei Eberls Nachricht damals trotzdem "ein absoluter Nackenschlag" für ihn gewesen, "weil auch Max ein Faktor dafür war, warum ich mich für Gladbach entschieden habe".

Der Österreicher Hütter, 51, hatte in den vergangenen Monaten nicht gerade Glück mit der Treue seiner Mitstreiter. Eintracht Frankfurt hat er im vergangenen Sommer auch deshalb verlassen, weil dort der Sportvorstand Fredi Bobic und der Sportdirektor Bruno Hübner aufgehört haben. Nun verliert er nach gerade mal einem guten halben Jahr in Mönchengladbach nicht nur auch Eberl, sondern überdies jenen Spieler, für den er bereits in der gemeinsamen Zeit im schweizerischen Bern die Gefühle eines Vaters entwickelt haben will und der in Gladbach die zentrale Stelle im Mittelfeld ausgefüllt hat: Denis Zakaria.

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Der 25 Jahre alte Schweizer ist am Montag zu Juventus Turin gewechselt und lässt Hütter mit dem Rätsel zurück, welchen Spieler er auf der Doppelposition vor der Abwehrkette nun an der Seite des Franzosen Kouadio 'Manu' Koné platziert. Hütter glaubt: kein Problem. Entweder den "Kommunikator" Christoph Kramer oder den "mittlerweile lauf- und zweikampfstarken" Florian Neuhaus oder gar Jonas Hofmann, "der in der Not auch einen Sechser spielen könnte".

Hütter hat folglich reichlich Möglichkeiten, die Bielefelder Gastgeber zu überraschen. Sollten die zuletzt fünf Mal nacheinander unbesiegten Arminen das in trockener ostwestfälischer Mentalität mit einem Sieg quittieren, dann stünde Gladbach am darauffolgenden Samstag daheim gegen den FC Augsburg noch erheblich stärker unter Druck. "Wir haben jetzt zwei ganz, ganz wichtige Spiele in Bielefeld und gegen Augsburg", sagte am Donnerstag der Trainer Hütter zunächst, doch nachdem Vizepräsident Bonhof bei seiner darauffolgenden Wortmeldung angemerkt hatte, "wir haben wesentlich mehr als zwei wichtige Spiele vor uns", da formulierte Hütter bei nächster Gelegenheit direkt: "Wir haben noch 14 wahnsinnig wichtige Spiele vor uns."

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Von Hütter selbst hat der Eberl-Rücktritt fürs Erste allerdings wohl ein bisschen Druck genommen. Einen kurzfristigen Trainerwechsel könnte die Borussia jetzt nicht auch noch gebrauchen. Bereits die Suche nach einem neuen Sportchef könnte sich hinziehen. Allenfalls eine in den nächsten Wochen zunehmend gefährliche Situation im Tabellenkeller brächte Hütters Job ernsthaft in Gefahr.

Am Freitagabend vergangener Woche, wenige Stunden nachdem Eberl im Borussia-Park seine hochemotionale Pressekonferenz gegeben hatte, trafen sich Gladbachs Fußballer zum Teamabend. "Dort hatte ich direkt das Gefühl, dass eine Jetzt-erst-recht-Mentalität entstanden ist", sagte Hütter am Donnerstag. Am Mittwoch hatte Angreifer Jonas Hofmann Eberls Rücktritt gleichwohl als "erschütternd für den Verein" bezeichnet. "Das waren emotionale Tage." Welche Auswirkungen Abstiegskampf und Eberl-Rückzug in der Kombination auf Borussias Fußballer haben, das wird sich am Samstag in Bielefeld zeigen.

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