Fußball-Bundesliga:Gladbach entwickelt ein Köln-Trauma

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Trost gab's keinen von den Gladbacher Anhängern für ihre Spieler. (Foto: Ralf Treese/Imago)

Die Borussia muss beim 1:3 gegen den ungeliebten Nachbarn den nächsten Tiefschlag einstecken. Der Verein sehnt sich nach der Sommerpause - und dem Umbau des zermürbten Kaders.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Das Letzte, was die leidgeprüften Fans von Borussia Mönchengladbach ausgangs einer miserablen Spielzeit noch gebrauchen konnten, war ein Köln-Trauma. 50 Kilometer liegen die beiden Städte auseinander. Das Verhältnis der Fanlager ist diffizil. Niederlagen gegen den rheinischen Rivalen tun hier wie da doppelt weh, aber drei Mal doppelter Schmerz binnen 14 Monaten setzt den Gladbachern nun schlimm zu. So viel steht fest nach ihrer 1:3 (0:3)-Niederlage am Samstagabend gegen den 1. FC Köln. Drei Derby-Niederlagen in Serie, das war das letzte Mal vor 30 Jahren passiert. Als die Gladbacher nach dem Schlusspfiff vor ihre Fantribüne traten, wurden sie grell ausgepfiffen. Die Kölner Fans hingegen besangen ihre Spieler minutenlang mit der Inbrunst einer Opern-Arie. Sie bekamen, sozusagen, unzählige Vorhänge.

Schon die beiden vorangegangenen Rheinderbys gegen Köln hatten für Gladbach markante Tiefpunkte dargestellt. Am 6. Februar 2021 bedeutete eine vom damaligen Trainer Marco Rose vercoachte 1:2-Heimniederlage den Ausgangspunkt einer 14-monatigen Talfahrt inklusive Champions-League-Aus, Rose-Abschied, Europapokalplatz-Verlust, Max-Eberl-Abschied und, über all dem, einer Art Identitätsverlust.

Früher Rückschlag für die Gladbacher Borussia: Anthony Modeste (in rot) nutzt den Freiraum in der Gladbacher Abwehr zum 1:0 für Köln. (Foto: Norbert Jansen/Jan Hübner)

Die darauffolgende 1:4-Niederlage in Köln am 27. November 2021 war innerhalb der monatelangen übergeordneten Abwärtsbewegung der Auftakt zu einer noch mal beschleunigten Talfahrt. Anschließend verlor man nämlich daheim gegen Freiburg 0:6 und fügte zwei weitere Spiele nacheinander zu einem gruseligen Vierteiler mit 4:17 Toren zusammen, der die Borussen in der Tabelle Richtung Keller schubste.

Zuletzt wirkten die Gladbacher gut erholt von den Niederschlägen dieser Spielzeit - aber von Teamwork ist nur selten etwas zu spüren

Zuletzt, nach zehn Punkten aus vier Spielen, hatte man nun eigentlich gedacht, die Gladbacher hätten sich ein bisschen erholt vom wochenlangen Schwächeanfall, doch die Blamage gegen Köln stellt Gladbachs Erholung in Zweifel.

Dass der Borussia-Park am Samstag erstmals seit dem 7. März 2020 (1:2 gegen Borussia Dortmund) wieder ausverkauft war (54 042 Zuschauer), wirkte aus Gladbacher Sicht unglücklich. Solch einen emotionalen Anlass würde man nämlich eigentlich anders begehen wollen. Doch vor allem die erste Halbzeit gestaltete sich für die Gastgeber schmerzlich.

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Das 0:3 nach 45 Minuten ist ein Derby-Novum

Anthony Modeste (5.), Florian Kainz (20.) und Dejan Ljubicic (34.) stellten einen 0:3-Halbzeitstand her, den es in der Derby-Historie so noch nie gegeben hatte im Borussia-Park. Gladbachs Fans erstarrten. Kölns Fans sangen "Europapokaaal!" und zündeten bengalische Leuchtfeuer.

Zehneinhalb Monate nachdem ein entnervter 1. FC Köln in der Relegation gegen Holstein Kiel Ende Mai 2021 den Bundesliga-Klassenerhalt geschafft hat, spielt die weitgehend identische Mannschaft unter dem heutigen Trainer Steffen Baumgart nun wie neugeboren im Dunstkreis der Qualifikationsplätze zu den Europapokal-Wettbewerben namens Conference League (Platz 6), Europa League (Platz 5) und Champions League (ab Platz 4). Ihre Reife bestätigten sie in Mönchengladbach in der zweiten Halbzeit dadurch, dass sie die Gastgeber nicht zurück ins Spiel finden ließen. In der 85. Minute gelang Breel Embolo bloß noch das Tor zum 1:3-Endstand. Wie ein "Ehrentor" fühlte es sich nicht an.

Baumgart ist mit der Leistung der zweiten Halbzeit merklich unzufrieden. Das ist Mäkeln auf hohem Niveau.

"Die zweite Halbzeit war nicht mehr so konsequent, das hat mir nicht so gut gefallen", sagte der Kölner Trainer Baumgart. Aber: "Die erste Halbzeit war sehr gut." Auch Baumgart war von den Fans überschwänglich gefeiert worden. Seine berühmte Schiebermütze verschenkte er, vielleicht zum Trost, aber an einen Gladbach-Fan hinter der Trainerbank.

Warum so mürrisch, Herr Baumgart? Der Kölner Trainer schaut sich aus sicherer Distanz die Interaktion zwischen Team und Fans an. (Foto: Moritz Müller/Imago)

Kölns Torschütze Kainz sagte nach dem Spiel: "Mich freut für unsere Fans, dass sie so eine Saison mit uns erleben dürfen, weil sie es die Jahre zuvor nicht immer einfach hatten." Die Hoffnungen der Fans wachsen von Woche zu Woche. "Wir greifen weiter an", sagte Kainz, "wir haben uns ein neues Ziel gesetzt." Dieses neue Ziel lautet: Europapokal.

Davon sind die Gladbacher weit entfernt. "Mit einem Sieg wollen wir noch einmal etwas entfachen", hatte Gladbachs Sportdirektor Roland Virkus vor dem Spiel gesagt. Doch es sieht so aus, als ließe sich bei der Borussia in dieser Saison nichts mehr entfachen. "Wir haben nicht viel Gegenwehr gezeigt, das war nicht Gladbach-like", zeigte sich der Mittelfeldmann Jonas Hofmann bei Sky geständig. Man sehnt die Sommerpause und einen Umbau des zermürbten Kaders herbei. Nächste Saison wollen sie den Kölnern dann wieder mehr entgegensetzen, denn der Gladbacher Stolz hat gelitten. Kurz vor Schluss spöttelten die Kölner Fans zwar "Auf Wiedersehen!", aber absteigen werden die Gladbacher eher nicht mehr.

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