Als neulich die Trainerlegende Rudi Gutendorf bei Markus Lanz im ZDF plauderte, tippte Kevin Großkreutz in Dortmund schon eine SMS an seinen Trainer, an Jürgen Klopp. "Der hat Ahnung!", schrieb Borussia Dortmunds Profi zu später Stunde, denn Gutendorf, inzwischen 87 Jahre alt, die alte Krokotasche unter den Fußball-Lehrern, versicherte dem staunenden Wetten-dass-Moderator: "Der beste, der wertvollste unter den Fußballern heute, das ist der Großkreutz." Es soll noch ein paar Mal hin und her gefunkt haben zwischen Großkreutz und Klopp, dann schickten sich beide gegenseitig per SMS ins Bett.
Es läuft gerade gut für Kevin Großkreutz, geboren in Dortmund, Sohn eines ehemaligen Zechen-Schlossers, Fan der Borussia und dort auch Stammkraft bei seinem Lieblingsverein. 17 Pflichtspiele hat der BVB in dieser Saison bestritten, das nächste steht an diesem Mittwoch in den Champions League gegen den FC Arsenal an - und Großkreutz hat bislang noch keine Minute verpasst. Sogar im Derby gegen Schalke, bei dem er meist so aufgeregt ist, dass er schlecht spielt, hat es geklappt. 3:1 gewonnen, gute Noten für Großkreutz. Weihnachten kommt dieses Jahr sehr früh.
Man könnte sagen: Dortmunds heimatverbundenster Profi profitiert davon, dass Lukasz Piszczek seit dem Sommer ausfällt und er dessen Posten als rechter Verteidiger übernehmen konnte. Andererseits: Warum spielt Großkreutz die ungewohnte Rolle gleich so gut, dass selbst neutrale Instanzen wie Lothar Matthäus oder Jens Lehmann Bundestrainer Joachim Löw ans Herz legen, Dortmunds Allrounder mit zur WM nach Brasilien zu nehmen? Weil vielleicht doch etwas dran ist an Gutendorfs Einschätzung?
Jürgen Klopp predigt seit langem, dass Großkreutz "ein kleines taktisches Genie" sei. Spielmacher Nuri Sahin drückt es so aus: "Kevin hat eine unglaubliche Spielintelligenz." Großkreutz kann so ziemlich jede Position in Klopps System übernehmen - zumindest vertretungsweise. Es gab schon Spiele, da wechselte Kevin Überall, wie sie ihn in Dortmund nennen, innerhalb ein und desselben Spiels dreimal die Position. Und als am Ende der vergangenen Saison der Torwart Roman Weidenfeller mal vom Platz flog - wer ging da ins Tor? Großkreutz natürlich. "Es hat mich geärgert, dass ich den Elfmeter dann nicht halten konnte", sagte er trocken.
Öffentliches Sprechen ist sonst nicht die größte Stärke von Kevin Großkreutz. Bei Dortmunds Meisterfeiern 2011 und 2012 krächzte er zwar einige Fan-Hymnen ins Mikrofon (Textprobe: "Kommste abends besoffen nach Haus."), aber bei Interviews begnügt er sich oft mit Aussagen wie: "Wir sind einfach eine geile Truppe. Wir hauen immer alles raus." Die Schlichtheit mancher Statements muss man wohl so einschätzen, wie die Maulfaulheit mancher Tüftler und Ingenieure, die mit hoher Intelligenz in ihrem Fach arbeiten, aber nur ungelenk darüber reden.