Borussia Dortmund:Peters Mondfahrt

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Erklärungsbedarf: Peter Bosz weiß, dass sich die Spieler noch an seine Ideen gewöhnen müssen. (Foto: Alex Gottschalk/imago/DeFodi)
  • Unter Trainer Peter Bosz scheint beim BVB nach der turbulenten Saison 2016/17 endlich Ruhe einzukehren.
  • Spielerisch holpert es allerdings noch, die Mannschaft tut sich schwer mit dem von Bosz favorisierten 4-3-3-System.
  • Der Supercup gegen die Bayern ist die erste richtig große Aufgabe für Bosz und sein Team - doch auch die Münchner haben keine gute Vorbereitung hinter sich.

Von Sebastian Fischer

Peter Bosz sah unzufrieden aus. Er stemmte die Hände in die Hüften, stand im Regen. Nicht weit von ihm ragte eine Wand in den Himmel. Die Menschen sangen den Namen seines Gegners.

Gut, es war nicht die gelbe Wand im Westfalenstadion, auf die der neue Trainer von Borussia Dortmund blickte, sondern eine aus Fels am Horizont, im Gebirge in Vorarlberg. Und es waren die Fans von Atalanta Bergamo, die den Trainer Gian Piero Gasperini hochleben ließen. Bergamo gewann gerade das Testspiel gegen die Borussia in Altach 1:0. Doch wie Bosz so dastand, in Gedanken, musste ihm bewusst werden, dass Lob vergänglich sein kann. "Das war nicht immer gut", sagte er später, als er das Fazit einer Saisonvorbereitung zog, in der das Thema meistens ein anderes war: Es herrscht jetzt wieder gute Stimmung beim BVB. Endlich.

Man musste am Dienstag in Altach zum Abschluss des Trainingslagers nur in die Gesichter schauen. Bosz strahlte Gelassenheit aus, obwohl sein Team den dritten von sechs Tests verlor. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hatte auf der Tribüne ständig einen Fan für ein Selfie im Arm. Und Sportdirektor Michael Zorc sah aus wie ein Urlaubender. Zorc sagt es so: "Borussia Dortmund war immer dann stark, wenn wir eine gewisse Ruhe hatten, das hat uns eigentlich immer ausgezeichnet." Diese Ruhe, findet er, sei jetzt wieder da.

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"In jeder Hinsicht herausfordernd", so nennt Zorc, 54, seit 1978 beim BVB, die vergangene Saison. Die Herausforderungen begannen mit den Ausschreitungen vor dem Spiel gegen Leipzig, sie wuchsen ins Ungeahnte mit dem Anschlag auf das Team vor dem Spiel gegen Monaco, sie wurden begleitet vom Zwist zwischen Trainer Thomas Tuchel und Watzke, in dem die meisten Spieler Watzke stützten. Am Ende war Tuchels Entlassung trotz des DFB-Pokalsiegs unausweichlich.

Die Situation war absurd: Obwohl es sportlich eigentlich nicht notwendig war, brauchte der BVB einen Neustart. Am besten einen ohne Anlaufschwierigkeiten. "Wir wissen, dass die Dinge Zeit benötigen", sagt Zorc, "aber dass es holpert, kalkulieren wir nie von vornherein ein."

Vergleiche mit Thomas Tuchel drängen sich von alleine auf

Es ist kein Geheimnis, dass der BVB für diese Saison, an deren Ende wieder die direkte Qualifikation für die Champions League gelingen soll, gerne Lucien Favre verpflichtet hätte. Doch der frühere Gladbacher musste in Nizza bleiben. Glaubt man Zorc, dann weckte auch Bosz früh das Interesse des Sportdirektors. Im April, als Bosz mit Amsterdam beim FC Schalke ins Halbfinale der Europa League einzog, sah Zorc Ajax attackieren. Er dachte: "Das ist eine Spielweise, die wir uns auch bei uns im Stadion sehr gut vorstellen können." Boszs Idol ist Johan Cruyff. Schon als Spieler von Feyenoord Rotterdam in den Neunzigerjahren soll Bosz Trainingseinheiten von Ajax unter Louis van Gaal beobachtet haben, der Cruyffs Stil lehrte. Vieles hat Bosz sich bei Cruyff abzuschauen versucht, den er persönlich als Trainer in Tel Aviv kennenlernte, wo Cruyffs Sohn als Sportdirektor arbeitete. Cruyff hat als Trainer auch Pep Guardiola wie kein Zweiter geprägt. Und Guardiola ist das Vorbild von Thomas Tuchel.

Während sie seinem Vorgänger in Dortmund am Ende vorwarfen, im persönlichen Gespräch nur schwer zugänglich zu sein, stellte sich Bosz in seiner ersten Pressekonferenz schon mal als "Peter" vor. Zorc lobt Boszs kommunikative Art: "Auch wenn manche Dinge natürlich noch nicht funktionieren, versucht er immer, argumentativ vorzugehen, sehr erklärend, ruhig, nicht aufbrausend." Zorc will Bosz und Tuchel nicht vergleichen, nicht jedes Lob für den einen soll als Kritik am anderen verstanden werden, die Vergangenheit soll Vergangenheit sein. Doch manchmal drängt sich der Vergleich von alleine auf. Angesprochen auf die Intensität während der Vorbereitung, sagte Bosz im Trainingslager: "Ich möchte meine Spieler sehr gut behandeln. Ich versuche, Kondition aufzubauen, ohne dass sie verletzt werden." Die hohe Trainingsintensität unter Tuchel war oft hinterfragt worden.

Aus seiner Zeit in den Niederlanden ist überliefert, dass Bosz auch stur sein kann, was seine Methodik und sein System angeht. "Er wird sich nicht von seinem Plan abbringen lassen", sagt Heiko Westermann, der in Amsterdam unter ihm spielte. Westermann erzählt von intensiven, schnellen Trainingseinheiten, nennt Bosz einen "Liebhaber des Offensivfußballs"; einen Trainer, der junge Spieler besser macht. Westermann, 33, inzwischen bei Austria Wien, sprach im Frühling einmal lange mit Bosz. Er sagte ihm, so erzählt er es: "Trainer, wenn ich Sie am Anfang meiner Karriere kennengelernt hätte, wäre meine Karriere anders gelaufen."

Dass Bosz den Zugang zum Team gefunden hat, zeigt die Form eines Spielers, der in den vergangenen Monaten noch ein Patient war. Mario Götze spielte gegen Bergamo zum zweiten Mal seit seiner Stoffwechselerkrankung von Beginn an, in Abwesenheit des verletzten Marcel Schmelzer trug er gar die Kapitänsbinde. Er spielte seine typischen Mario-Götze-Pässchen, war immer anspielbar. Götze sagte im Interview mit dem Kicker über Bosz, er sei "sehr froh, dass er hier ist". Zorc sagt über die Beziehung des Trainers zum Weltmeister: "Er hat erkannt, welche hervorragende Qualität Mario uns geben kann." Alles gut also in Dortmund? Nun, es holpert noch ein bisschen.

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Bosz sprach jüngst davon, dass er die Spieler besser kennengelernt habe. Doch er sagte auch, dass es so schnell gar nicht möglich sei, seine Philosophie bereits komplett verinnerlicht zu haben. In Amsterdam brauchte seine Mannschaft ein paar Monate, um sich an seine Ideen zu gewöhnen. Der Saisonstart missglückte.

Boszs System unterscheidet sich nur in Nuancen von Tuchels. Der Neue stellt im 4-3-3-System auf, Tuchel bevorzugte eine Dreierkette. Bosz legt mehr Wert auf hohes Pressing. Doch auch er schätzt die Ballkontrolle in der Offensive. Und in den Testspielen fielen auch immer mal wieder Gegentore nach einfachen Fehlern, die an Dortmunds schwache Phasen der vergangenen Saison erinnerten.

"Bei den Bayern ist auch nicht alles glatt gelaufen"

Es gibt noch andere Baustellen. Der Wechselwunsch von Stürmer Pierre-Emerick Aubameyang beschäftigte den Klub im Sommer. Zorc sagt, die Verhandlungen mit dem Spieler seien stets im Konsens geführt worden, dass Aubameyang in einem gewissen Zeitfenster für eine gewisse Summe wechseln dürfe. Doch weil dann kein konkretes Angebot kam, ist der Torschützenkönig nun fest eingeplant. Von Gerüchten, wonach er im Winter wechseln könnte, will Zorc nichts wissen.

Aubameyang ist kaum zu ersetzen, so wenig wie die lange verletzten Marco Reus und Raphael Guerreiro. Was die Neuen bringen, ist eher noch offen. Ömer Toprak aus Leverkusen und Mo Dahoud aus Gladbach wurden noch unter Tuchel geholt. Spieler würden nicht von Trainer X oder Y verpflichtet, sagt Zorc. Doch: "Natürlich hat bei einem Transfer der Sportdirektor mehr Input und bei einem anderen mal der Trainer." Zorc will den Kader noch verkleinern, aber keine Stammspieler abgeben. Vielleicht muss der BVB zumindest damit rechnen, dass der FC Barcelona ein Angebot für Ousmane Dembélé einreicht.

Die Aufgabe für Bosz, 53, ist groß, zumal für einen Trainer, der bislang noch nie in einer europäischen Top-Liga trainierte. "Man muss das nur genießen", sagte er vor dem Spiel an diesem Samstag (20.30 Uhr) im Supercup gegen den FC Bayern.

"Bei den Bayern", sagte Zorc am Dienstagabend, als die Münchner den Test gegen Liverpool 0:3 verloren hatten, "ist auch nicht alles glatt gelaufen." Die Berge in Österreich hinter sich, die Herausforderungen einer Saison vor der Brust, lief er mit einem Lächeln zum Mannschaftsbus.

© SZ vom 05.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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