BVB in der Champions League:Klopp streichelt Dortmunder Seelen

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Mann, warst du lange weg: Jürgen Klopp freut sich mit Jakub Blaszczykowski über den Gruppensieg - und über dessen Rückkehr. (Foto: AFP)

"Die Mannschaft ist in der Spur": Bei der Borussia werten sie das 1:1 gegen Anderlecht als Fortschritt und freuen sich über den Gruppensieg mit starker Punkteausbeute. Trainer Jürgen Klopp gewinnt wichtige Erkenntnisse für den Genesungsprozess seiner Elf.

Von Felix Meininghaus, Dortmund

Es waren Momente des Durchschnaufens an diesem nasskalten Dezemberabend im größten Stadion Deutschlands. Borussia Dortmund genoss den Gruppensieg in der Champions League und gönnte sich die Muße, wenigstens kurz durchzuatmen vom entbehrungsreichen Alltag in der Liga. Dort also, wo der Revierklub taumelt und mit großen Anstrengungen um Anschluss ringt.

Für eine Sequenz fand der Trainer sogar zurück zu jener charmanten Spiellaune, die ihn früher auszeichnete, als sein Verein noch mit ungebremster Spielfreude Europa erstaunte. Als Jürgen Klopp mit der Aussage seines Rückkehrers Nuri Sahin konfrontiert wurde, am nächsten Morgen werde ihn nach 90 Minuten auf dem Rasen eine "fette Müdigkeit" plagen, grinste sein sportlicher Vorgesetzter und gab zu Protokoll: "Wir haben ihn mehrmals von außen gefragt, ob er raus will, aber er war so kaputt, dass er nichts verstanden hat."

BVB-Remis gegen Anderlecht
:Präzise genug für den Gruppensieg

Borussia Dortmund scheitert immer wieder an Torwart Silvio Proto - doch das 1:1 gegen den RSC Anderlecht reicht für den Gruppensieg in der Champions League. Die miese Chancenverwertung kostet den BVB jedoch jede Menge Nerven.

Klopp lobte auffallend viel, fand jede Menge warme Worte für seine Spieler und bemühte sich, gute Stimmung zu verbreiten. Das 1:1 gegen den belgischen Meister RSC Anderlecht wird zwar nicht als Heldenepos Eingang in das Geschichtsbuch der Borussia finden, aber es reichte ja, um das primäre Ziel zu erreichen.

Der BVB geht als Erster aus Gruppe D hervor, was den nicht zu unterschätzenden Vorteile bietet, dass er im Achtelfinale auf einen Vorrundenzweiten trifft und außerdem zunächst auswärts antreten darf. Das ist schön, aber im Vergleich zu dem, was der Revierklub gerade in der Bundesliga durchlebt, bedeutet es reinen Luxus, sich mit solchen Fragen zu beschäftigen.

"13 Punkte, das ist eine Marke", analysierte Klopp, "wir haben unser Maximalziel erreicht. Alles gut." Der Coach hatte seine Mannschaft auf sechs Positionen umgebaut und angeschlagenen oder müden Stammkräften wie Hummels, Piszczek, Kehl, Bender oder Aubameyang eine Pause verordnet. Stattdessen verhalf er im Laufe der 90 Minuten mit Sahin, Kirch und Blaszczykowski drei Langzeitverletzten zur Rückkehr auf den Rasen. Es sei "augenscheinlich, dass heute Spieler geschont wurden", sagte Oliver Kirch: "Aber wir haben ja auch den Kader dafür, um solche Möglichkeiten zu nutzen."

Es ging also nur vordergründig darum, in der Königsklasse den Zwei-Punkte-Vorsprung auf den FC Arsenal über die Ziellinie zu retten. Wichtiger erscheint im Herbst des Jahres, in der Liga Tritt zu fassen. Welche Erkenntnisse er aus dem zuvor Erlebten für die samstägliche Aufgabe bei Hertha BSC und somit den Abstiegskampf ziehen könne, wurde Klopp gefragt: "Die Mannschaft ist in der Spur", antwortete der 47-Jährige, "viele Jungs sind in guter Verfassung, und wir haben vier Tage Zeit. Das Spiel hat uns heute geholfen." Gute Form - das war zuletzt nicht immer so.

Borussia Dortmund in der Einzelkritik
:Ein Vermisster taucht wieder auf

Nuri Sahin dirigiert nach seiner Rückkehr sogleich das Mittelfeld. Marcel Schmelzer ist plötzlich Kapitän, verzichtet aber auf Extravaganzen. Und Mitchell Langerak schickt eine zufriedene SMS nach Australien. Der BVB beim 1:1 gegen Anderlecht in der Einzelkritik.

Von Felix Meininghaus, Dortmund

Klopp geht es um Kontinuität und Stabilität, und da hilft es, seinem Personal den Rücken zu stärken. Zum Beispiel Ciro Immobile. Der Stürmer war für eine Ablösesumme von rund 20 Millionen Euro als Torschützenkönig der italienischen Liga nach Dortmund gekommen, hat aber noch nicht die Erwartungen erfüllt. Gegen Anderlecht agierte Immobile nicht nur deswegen stark, weil ihm das Dortmunder Tor gelang. "Ciro ist ein richtiger Stürmer", lobte Klopp, "er ist immer gefährlich. Er ist ein Kämpfer und entwickelt sich gut."

Und als er gefragt wurde, wie ihm Mitch Langerak, der erneut im Dortmunder Tor stand, gefallen habe, sagte der Trainer: "Er muss mich nicht überzeugen, ich weiß, dass er gut ist. Er muss da sein, wenn er gebraucht wird." Richtig ausführlich wurden die Ausführungen, als die Sprache auf Dortmunds größtes Sorgenkind kam: Henrikh Mkhitaryan. Der rannte, grätschte und schoss, doch er traf trotz bester Gelegenheiten mal wieder das Tor nicht. Wie bislang jedes Mal in dieser für ihn so komplizierten Spielzeit.

"Er arbeitet wie ein Tier", sagt Klopp, "aber dass er so große Möglichkeiten nicht nutzt, das haut einfach ins Gebälk. Wir müssen ihm alle helfen und ihn auf die Bahn stellen. Wir brauchen ihn wie das Wasser zum Leben." Klopp streichelte die Seele seines teuersten Transfers und ließ ihm eine Fürsorge zuteilwerden, die er seinem Stammtorhüter Roman Weidenfeller jüngst verweigerte, als er ihn auf die Bank delegierte.

Dagegen hat Mkhitaryan in seinem Chef einen Fürsprecher, der ohne Wenn und Aber zu ihm steht. Klopp ging sogar so weit, die Krise des Armeniers auf das große Ganze zu übertragen. Mit dem Spieler verhalte es sich genauso "wie mit unserer Gesamtsituation: In Momenten, in denen es nicht klappt, musst du weitermachen. Dann wirst du belohnt." Vielleicht gelinge dem Mittelfeldspieler ja schon in Berlin das ersehnte Tor. "Der Tag wird kommen, da nutzt er seine Chancen alle."

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