BVB in der Bundesliga:Dortmunds coole Gruppe

Borussia Dortmund - Borussia Mönchengladbach

Die Dortmunder Rasselbande hat Spaß: Erling Haaland & Co. feiern das 1:0 von Giovanni Reyna (Mitte).

(Foto: Bernd Thissen/dpa)

Der Mix aus Routine hinten und U-20-Genies vorne funktioniert, wie das 3:0 gegen Gladbach zeigt - nur mit der Rolle als offizieller Bayern-Jäger tut die Borussia sich noch schwer.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Michael Zorc fiel es nicht schwer, tief in der Defensive zu bleiben. Nein, zu den Saisonzielen wolle man sich immer noch nicht äußern, auch nicht nach diesem 3:0 gegen einen der vermutlich stärksten Konkurrenten in der Liga. "Einige unserer Spieler haben sich dazu ja persönlich geäußert, und das dürfen sie auch", sagte Zorc mit sanftem Sarkasmus, "aber wir als Verein geben keine Ziele aus."

Corona mag die Welt verändern, aber offenbar nicht so weit, dass den Dortmundern nicht am ersten Spieltag die ganze Branche die altbekannte Frage stellt: Ist es nicht Zeit, dass Borussia Dortmund sich offiziell zum Bayern-Jäger erklärt? Aber Zorc und sein Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke fühlen sich als gebrannte Kinder: Vor der vergangenen Saison hatten sie zum ersten Mal öffentlich zugegeben, an der Bundesliga teilzunehmen, um am Ende vielleicht Meister zu sein. Prompt galten sie 34 Spieltage lang als Versager, weil sie die Bayern, wieder einmal, nicht stoppen konnten. Jenen Triple-Sieger, der gerade als beste Mannschaft der Welt gilt.

Jenseits der 20 ist man schon zu alt für einen Offensiv-Startplatz

Auf dem Spielfeld aber spielte Dortmund am Samstag zumindest so auf, als wolle man in dieser Saison jedes Spiel gewinnen. Eine Halbzeit lang hielt sich Mönchengladbach dabei sehr gut, es wirkte optisch und von den üblichen Zahlenspielen her fast ausgeglichen; wie ein Aufeinandertreffen zweier Mannschaften, die sich taktisch geschickt umklammerten und die Spielräume nahmen. Dortmund aber kreierte immerhin zwei, drei Torchancen, und nach einer traumsicheren Kombination, ausgehend von Emre Can, 26, über Zugang Jude Bellingham, 17, auf den Torschützen Giovanni Reyna, 17, führten die Dortmunder nach 35 Minuten 1:0. Es sollte sich bald herausstellen, dass dies schon der wegweisende Treffer gewesen war.

Den Unterschied zwischen den vorher beinahe ähnlich stark eingeschätzten Borussias machten dabei vor allem die ganz jungen BVB-Offensivspieler. Beim zweiten Tor wurde Reyna im Strafraum gefoult, und Erling Haaland, 20, verwandelte den Elfmeter. Und als sich das Spiel schon dem Ende zuneigte, sauste Jadon Sancho, 20, zu einem Konter davon, nach Vorlage von Felix Passlack, immerhin schon 22 und gerade erst zurück von drei Ausleihen an drei Vereine nacheinander. Sancho spielte unterkühlt wie ein 30-Jähriger auf Haaland, und es stand 3:0. Dem Team von Trainer Marco Rose hingegen gelang es so gut wie nie, Torszenen zu kreieren; an diesem Punkt lag an diesem Tag der Unterschied.

"Es macht einfach einen unheimlichen Spaß mit dieser jungen Gruppe", berichtete auf der anderen Seite Giovanni Reyna - auf Englisch, was die tatsächliche Amtssprache in der BVB-Truppe zu sein scheint. Gerade mit Jude Bellingham, der erst vor wenigen Wochen 17 Jahre alt wurde, verstehe er sich auch neben dem Platz besonders gut. Schließlich seien Haaland und Sancho ja schon 20. Die Welt ist eben so, aus der Sicht eines Teenagers. Jeder, der zwei, drei Jahre älter ist, ist schon ganz schön alt. Und man spricht von einer "Gruppe", nicht von einer "Mannschaft" oder gar von einem "Verein". Gruppe klingt unverbindlich und cool. Die Loyalität zur Gruppe mag hoch sein, aber sie ist auch schnell aufkündbar, wie die Treffen von Fridays-For-Future-Schülern.

Man spielt gerne zusammen

Reynas Kumpel Sancho hatte es schon vor drei Wochen ähnlich formuliert. Man spielt gerne zusammen, inspiriert sich zu schönerem Fußball, hat Spaß miteinander. Vereinstreue kommt in dieser Welt des neuen Fußballzaubers nicht unbedingt vor. Sie wird eher zufällig und nach Opportunitäten und Gefühlslage angewandt. Was soll man auch machen im Geschäft Fußball, in dem man heute hochgejubelt wird und morgen abgeschoben und ausgeliehen?

Sekunden nach dem 3:0 wechselte Dortmunds Trainer Lucien Favre den genesenen Marco Reus, 31, und Julian Brandt, 24, für Sancho und Reyna ein. Im Moment, so sieht es fast aus, ist man mit jenseits der 20 in der BVB-Offensive schon zu alt für die Startbesetzung. Zuvor war schon für Jude Bellingham, der nach 41 Zweitliga-Spielen mit seinem Stammverein Birmingham City seine erste Erstliga-Partie bestritt, Thomas Delaney, 29, gekommen. Der brachte kürzlich den Fußballer-Spruch, er komme sich im Training mit all den Jungspunden beim BVB vor, als würde er mit lauter Hunde-Welpen Gassi gehen. Der Däne mit amerikanischem Vater hatte es sich nicht träumen lassen, einmal mit einer solchen Ansammlung von Hochbegabten im gleichen Verein zu spielen - pardon, in der gleichen Trainingsgruppe zu sein.

Das Experiment, mit erfahrenen Defensivspielern wie Torwart Roman Bürki, Mats Hummels, Emre Can oder den beiden Belgiern Axel Witsel und Thomas Meunier den Laden dicht zu machen und in der Offensive auf die Jung-Genies zu setzen, ist in sich schon von hohem Unterhaltungs- und Beobachtungswert. Egal, ob mit oder ohne offiziellem Statement über die Aussichten auf eine Meisterschaft gegen das weltbeste Vereinsteam von der Isar.

In Dortmund sahen all das 9300 Zuschauer im Stadion, die in - laut Gesundheitsamt - ordentlichen Abständen blieben. "Es war wunderschön", freute sich Reyna, "dass endlich wieder Fans dabei waren." Die Gesänge waren immerhin zurück, wenn auch gedämpft, fast zaghaft. Die Hardcore-Fans von der Südtribüne hatten sich der Notbesetzung auf den Rängen verweigert, zumindest offiziell. Das Stadion war, fast ein Skandal in Dortmund, nicht ausverkauft. Es hätten 10 000 kommen dürfen. Auch das bleibt also im Experimentierstadium.

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