Dortmund gegen Heidenheim:Vier Szenen, vier Erklärungen

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Dortmunds Emre Can (Mitte) und Nico Schlotterbeck diskutieren mit Schiedsrichter Tobias Reichel. (Foto: Martin Meissner/AP)

Beim Spiel zwischen Dortmund und Heidenheim steht Schiedsrichter Tobias Reichel bei mehreren Entscheidungen im Fokus, die exemplarisch für die Komplexität der Handspiel- und der Abseitsregel stehen.

Von Martin Schneider

Vier Szenen im Spiel zwischen Dortmund und Heidenheim bieten sich an, um die faszinierenden Aspekte zweier Fußballregeln noch einmal durchzudeklinieren: Handspiel und Abseits.

Beim Handspiel gab es gleich drei Situationen, die Schiedsrichter Tobias Reichel bewertete. Einmal unmittelbar vor der Dortmunder Führung, als Emre Can den Ball mit dem Arm berührte und somit das Tor von Julian Brandt vorbereitete, einmal der Handelfmeter für Dortmund, den Lennard Maloney verursachte, und einmal das aberkannte Heidenheimer Tor von Marvin Pieringer.

Bei allen drei Entscheidungen sind unterschiedliche Aspekte der Regel entscheidend. Cans Handspiel ist nicht strafbar, weil er beim Zweikampf den Ellbogen direkt vor die Brust hält und damit seine Körperfläche nicht vergrößert. Bei Maloney ist es umgekehrt, er geht mit abgespreiztem Arm in den Zweikampf, die Bewegung geht zum Ball - da reicht der entlastende Umstand der geringen Distanz zwischen Stürmer und Verteidiger nicht aus. Das Risiko trägt in dem Fall der Abwehrspieler.

Die Regel wurde präzisiert - nur der Torschütze darf den Ball gar nicht mit der Hand berühren

Wer die Erklärung bei Can gelesen hat, könnte nun denken: Moment, Pieringer hält den Arm doch auch eng vor die Brust! Das stimmt, allerdings greift da der Passus, dass Tore generell nicht mit dem Arm erzielt werden dürfen, völlig egal ob absichtlich oder unabsichtlich, mit oder ohne Vergrößerung der Körperfläche. Vor Kurzem wäre mit diesem Argument auch noch Cans Handspiel abgepfiffen worden, weil Julian Brandt den Ball mit dem nächsten Ballkontakt ins Tor schießt. Doch die Regel wurde präzisiert - nur noch der Torschütze darf den Ball gar nicht mit der Hand berühren. Beim Vorlagengeber wird nun differenziert.

Am bemerkenswertesten war der Elfmeter für Heidenheim zum 2:2. Der wurde erst gepfiffen, dann entschied Reichel auf Abseits, aber dann gab er den Elfmeter doch. Das Foul von Sebastien Haller an Jan-Niklas Beste ist unstrittig, die Abseitsposition des Heidenheimers zuvor auch. Die Frage, die sich Reichel und das Schiedsrichterteam stellten (und zunächst unterschiedlich beantworteten): Entsteht durch Hallers Eingreifen eine neue Spielsituation (wodurch das Abseits zuvor irrelevant wird)? Dabei ist entscheidend, ob Haller den Ball kontrolliert. Sieht man sich die Szene an, kann man zu dem Schluss kommen: eher ja. Elfmeter war also die korrekte Entscheidung, allerdings wäre dann auch eine rote Karte gegen Haller konsequent gewesen, da man ihm nur mit sehr viel Wohlwollen unterstellen konnte, noch irgendwie den Ball erreichen zu wollen.

Da Reichel und sein Videoteam für die Entscheidungsfindung aber sehr lange brauchten und Haller währenddessen ausgewechselt worden war, entschied sich Reichel wohl allein deswegen für Gelb, um nicht noch mehr Chaos zu verursachen. Das steht zwar nicht im Regelbuch, war aber in diesem Kontext wohl die bessere Wahl.

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