Leonardo Bonucci:Der Top und der Flop der Hinrunde

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Unions Leonardo Bonucci ist nach einem gewaltigen Missverständnis in Berlin nun in die Türkei gewechselt. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Es kann keine Zweifel geben: Ein soeben aus Berlin abgewanderter Italiener sollte alle verfügbaren Auszeichnungen des Betriebs erhalten - eine Handreichung für die Jury.

Glosse von Philipp Selldorf

Wie es guter alter Brauch ist in der Bundesliga, wird nach der Hinrunde Inventur gemacht. Welcher Spieler war besonders gut, wer war gar nicht gut? Wer war sein Geld nicht wert, wer hat uns zum Lachen, wer hat uns zum Weinen gebracht?

Der Spieler der Hinrunde ist, da gibt's kein Vertun, Leonardo Bonucci. Kein sogenannter Superstar, der für 100 Millionen Euro und eine Suite im Luxus-Hotel gekommen ist, aber noch nie einen Titel gewonnen hat. Dafür einer, der schon Europameister wurde und neun Mal den Scudetto geholt hat, der bei Juventus Turin und Inter Mailand ein und aus ging, zudem fließend Italienisch spricht. Ein Weltmann im Vorort der überschätzten Kaff-Kapitale Berlin, wo im Wirtshaus "Schorfheider Hirtensalat", "Bierfleisch" und der "Ratsherrenteller" auf den Tisch kommen. Einer, der trotzdem immer reinhaut und die Bundesliga mit seiner Ausstrahlung bis Chongqing, Milwaukee und Timbuktu glänzen ließ.

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Der Flop der Hinrunde ist, auch das ist keine Frage, Leonardo Bonucci. Einer, der meinte, er könne 36-jährig aus der zweitrangingen Serie A zu einem Champions-League-Spitzenklub in die deutsche Hauptstadt kommen und gleich die Hauptrolle beanspruchen. An dem "Weltklasseverteidiger" sind Bochumer, Mainzer und Heidenheimer vorbeigelaufen und haben dabei nicht mal schwer geatmet. Als Trainer Urs Fischer einen Bankplatz anordnete, reagierte der selbsternannte Superstar beleidigt. Schlimm: Der sympathische Trainer musste gehen, der arrogante Motz-Millionär durfte bleiben. Viel zu spät servierten ihn die Unioner jetzt endlich ab, er wechselt zu Fenerbahce Istanbul.

Comeback der Hinrunde? Trotz Manuel Neuer geht der Preis an Leonardo Bonucci, 36. Bei Juve auf dem Abstellgleis, bei Union ohne Schonzeit sofort im Krisen-Einsatz. Verteidigte nicht nur wie ein Spartaner den Strafraum, sondern stürmte mit, als ob er Ronaldo hieße. Atemberaubend und ganz klar DAS Tor der Hinrunde: Sein Elfmetertreffer in Dortmund. Eiskalt im heißen Borussen-Tempel.

In den Kategorien "Bester Nebendarsteller", "Bestes Make-up" und "Beste visuelle Effekte" kann es ebenfalls nur diesen Sieger geben: Leonardo Bonucci. Damit steht auch der Verlierer der Hinrunde fest: Es ist Leonardo da Vinci. Ausgerechnet in seinem Jubiläumsjahr - sein Geburtstag jährt sich bald zum 572. Mal - hat ein Landsmann und Namensvetter dem großen Künstler die Schau gestohlen.

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