Basketball-Bundesliga:Und plötzlich ist Bonn der Favorit

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Wie machen wir es? Der wertvollste Spieler T.J. Shorts (li.) im Gespräch mit dem Trainer des Jahres Tuomas Iisalo. (Foto: Jörn Wolter/Imago)

Playoffs mal anders: Während die Großklubs Berlin und Bayern in der Euroleague ausgeschieden sind und ausgeruht in die K.-o.-Runde gehen, muss der Hauptrundenerste Bonn eine neue Rolle erlernen - und vorher das Champions-League-Final-Four spielen.

Von Ralf Tögel

Es ist ja eine Art zweifelhafte Auszeichnung, dass die Favoriten in der Basketball-Bundesliga (BBL) besonders gestresst in die K.-o.-Runde um die deutsche Meisterschaft einziehen. Denn die besten Mannschaften sind dann in der Regel noch im internationalen Geschäft engagiert, schleppen also eine gehörige Zusatzbelastung mit in den nationalen Titelkampf. Nicht selten ist das ein entscheidender Malus, der teuer bezahlt wird. Der FC Bayern konnte davon in der Vergangenheit oft berichten.

Auch in diesem Jahr ist der Favorit noch in einem fordernden Finalturnier zugange, während sich die Konkurrenz in Ruhe auf die Playoffs, die am 14. Mai beginnen, vorbereiten kann. Doch an dieser Stelle enden die Parallelen zu den vergangenen Spielzeiten, in denen die beiden deutschen Großklubs Alba Berlin und FC Bayern in großer Regelmäßigkeit den Titel ausmachten. Zwar gab immer mal wieder ein Überraschungsteam, spätestens in der Finalserie aber prallten in den vergangenen fünf Jahren (mit Ausnahme des Corona-Blasenturniers 2020, als Ludwigsburg den Berlinern im Endspiel den Titel überlassen musste) die Geweihe der Bundesliga-Platzhirsche aufeinander.

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In dieser Saison ist das anders.

Denn es sind die Telekom Baskets Bonn, die den stressigsten Spielplan haben sowie das beeindruckendste Gehörn in den Titelkampf tragen - um im Bild zu bleiben. Dabei darf man es nur als überraschend ansehen, wie souverän die Rheinländer durch die Hauptrunde marschiert sind. Zwei Niederlagen haben die Bonner in der gesamte Saison einstecken müssen, eine in Berlin, eine in Ludwigsburg. Zu Hause sind sie ungeschlagen. Keine schlechte Ausgangslage also für jenes Team, das dank Platz eins in der Hauptrunde nun in der Best-of-five-Serie den Heimvorteil bis ins Finale hat - und damit eine mögliche fünfte Partie immer in heimischer Halle austragen darf. Angedeutet hat sich dieser Aufwärtstrend schon im Vorjahr, als Bonn Hauptrundenzweiter war und erst im Halbfinale den Bayern mit 2:3 Spielen unterlag. Bis dahin war der Klassenerhalt das bestimmende Thema - mit dem Eintreffen von Trainer Tuomas Iisalo ging es dann schnell bergauf.

Pokalsieger München und Titelverteidiger Berlin sind nominell besser besetzt, Bonn hat den besten Spieler und den besten Trainer

Schon in Iisalos erster Saison war das Bonner Spiel geprägt von einem dominanten Regisseur, aber Parker Jackson-Cartwright - der lediglich 1,76 Meter messende Point Guard wurde zum wertvollsten Spieler der Liga gewählt - war von Bonn nicht zu halten. Ersatz war indes schnell gefunden, die Bonner eisten T.J. Shorts aus Crailsheim los, einen sehr ähnlichen Spielertyp wie der Vorgänger. Eine gute Wahl: Auch der 1,75 Meter kleine Shorts wurde gerade zum wertvollsten Spieler der Liga gekürt, Iisalo zum zweiten Mal zum Trainer der Saison. Aber nicht nur Regisseur und Coach machen die Stärke der Bonner aus, es ist eine sehr abwehr- und reboundstarke Einheit, stets leidenschaftlich kämpfend und mit hohem Tempo im Spiel, die wenig Fehler macht und kaum Schwächen hat. Zieht der kaum zu stoppende Shorts nicht selbst zum Korb, hat er das Auge für den besser postierten Nebenmann und schafft Räume, dankbarste Abnehmer sind Guard Jeremy Morgan und Flügelspieler Tyson Ward.

Nominell freilich sind die Hauptkonkurrenten besser besetzt, Titelverteidiger Berlin hat nur eine Niederlage mehr auf dem Konto. Die allerdings setzte es im Hauptrundenendspurt in Bonn. Bestimmende Akteure bei Alba sind die EM-Bronzemedaillengewinner Maodo Lo auf der Spielmacherposition und Johannes Thiemann unter dem Korb. Gleichwohl ist das größte Pfund des Meisters die Ausgeglichenheit im Kader, Extrakönner wie Jaleen Smith, Luke Sikma und Tamir Blatt können ein Spiel jederzeit drehen.

Die Bayern gaben den Kampf um die Euroleague-Playoffs recht früh auf

Noch höher muss man die Qualität im Kader der Bayern einschätzen. Zwar haben die Münchner zuletzt zweimal verloren, allerdings nutzte Trainer Andrea Trinchieri jene Spiele des bereits feststehenden Dritten, um Spieler zu schonen und anderen Spielpraxis zu geben. Ein starke Schwächung ist das verletzungsbedingte Fehlen von Center Othello Hunter und Kapitän Vladimir Lucic, zwei erfahrene und spielprägende Akteure. Die Münchner haben indes aus den vergangenen Spielzeiten gelernt und ihr Kontingent an deutschen Spielern qualitativ enorm verbessert. Die Nationalspieler Nick Weiler-Babb, Niels Giffey und Andreas Obst seien stellvertretend genannt.

Und noch etwas spricht für die Bayern: In den vergangenen zwei Jahren ließ die Mannschaft im Kampf um das Finalturnier der Euroleague viel Kraft. In dieser Saison hat der FCB den Kampf um die Playoffs angesichts wachsender Aussichtslosigkeit recht früh aufgegeben. Was auf Alba ebenfalls zutrifft, Berlin war früh chancenlos im Rennen um die Euroleague-Playoffs - und hat bald Kräfte geschont. Bonn dagegen spielt am kommenden Wochenende das Final Four in der Champions League, geht also mit zwei schweren Spielen mehr in die BBL-Playoffs.

Es ist also alles anders und zugleich wie immer: Der Favorit ist besonders gestresst.

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