VfL Bochum:Die Grasfresser von der Castroper

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Premiere der Jubelpyramide: Erstmals in dieser Saison dürfen sich die Bochumer Profis über einen Sieg freuen. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Im neunten Spiel endlich der erste Sieg: Bochum gewinnt gegen maue Frankfurter überraschend mit 3:0. Das liegt insbesondere an einem Spieler, der nur zufällig in der Startelf steht - und daran, dass der neue Trainer wieder so spielen lässt wie der alte.

Von Ulrich Hartmann, Bochum

Gegen wen der VfL Bochum unter seinem neuen Trainer derzeit auch spielt, ständig trifft Thomas Letsch alte Bekannte aus seiner Vergangenheit bei RB Salzburg. Vor einer Woche in Leipzig war es der Trainer Marco Rose, am Samstag gegen Eintracht Frankfurt war es der Trainer Oliver Glasner, mit dem zusammen Letsch in Salzburg auch mal Co-Trainer unter Roger Schmidt war. Der RB-Fußball verfolgt den Schwaben Letsch überallhin, bloß an der Castroper Straße in Bochum, da trifft er niemanden aus diesem Kosmos des modernen Fußballs. Denn in Bochum, sagen sie gern stolz, spielen sie Castroper Straßenfußball, und der definiert sich eher über bodenständige Mentalität als über eine kostspielig zu besetzende State-of-the-Art-Strategie.

Vor einer Woche in Leipzig hatte Letsch bei seinem Debüt dem VfL noch ein RB-Korsett verpasst: eine Dreierkette und die Maßgabe, hoch zu pressen und nach Ballgewinnen schnell umzuschalten. Dies ist das Prinzip jenes Fußballs, den Letsch in Salzburg gelernt hat, den er bis vor zwei Wochen bei Vitesse Arnheim hat spielen lassen und den er sich eigentlich auch für den VfL Bochum vorgestellt hat. Doch das hat überhaupt nicht geklappt, dieses Korsett war den Bochumern zu eng. Sie verloren 0:4 und Letsch gewann für das Heimspiel gegen Frankfurt die Erkenntnis, dass er seine Spieler lieber in ihrem gewohnten 4-3-3 auflaufen lässt und ihnen auch nicht mehr das ganz laufintensive Pressing abverlangt.

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Im Grunde ließ er sie so spielen, wie sie es in der vergangenen Saison unter dem Trainer Thomas Reis sehr erfolgreich gemacht haben. Und siehe da: Es funktionierte. Bochum feierte im neunten Saisonspiel den ersten Sieg mit einem überraschend deutlichen 3:0 (0:0) gegen den Champions-League-Teilnehmer Frankfurt, der zuletzt Olympique Marseille und den Bundesliga-Tabellenführer Union Berlin besiegt sowie Tottenham Hotspur ein respektables 0:0 abgetrotzt hatte.

"Am Ende geht es doch nur darum, dass man alles reinhaut", sagt Torschütze Förster

RB-Fußball oder VfL-Fußball, Pressing oder Ballbesitz, Avantgarde oder Castroper Straßenfußball? "Am Ende", sagte Bochums Matchwinner Philipp Förster nach seinen zwei Vorlagen und dem 3:0-Siegtreffer, "am Ende geht es doch nur darum, dass man alles reinhaut, und Thomas Letsch hat uns vermittelt, dass es nur gemeinsam funktioniert."

Dass es überhaupt irgendwie noch funktionieren kann, daran wuchsen in Bochum ja schon die Zweifel, weil dem VfL in den ersten sechs Spielen der neuen Saison kein einziger Punkt gelungen war. Der Weg dieser Mannschaft schien nach dem Verlust ihrer wichtigsten und offenbar nicht gleichwertig ersetzten Spieler geradewegs in Liga zwei zu führen, beim 0:4 in Leipzig schien überdies der Trainerwechsel von Reis zu Letsch bereits zu verpuffen.

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Gegen maue Frankfurter, die ohne Sebastian Rode, Daichi Kamada und Ansgar Knauff in der Startelf vielleicht dachten, sie könnten das Spiel zwischen zwei Europapokal-Hits etwas ruhiger angehen lassen, hingegen erinnerten die Bochumer mit ihrer Leidenschaft und ihrem Kämpferherz an die besten Spiele der vergangenen Saison. Damals hatten sie unter Thomas Reis sogar Borussia Dortmund und Bayern München gedemütigt. "Wir haben Gras gefressen", sagte Mittelfeldmann Förster, ein Zugang vom VfB Stuttgart, der gegen Frankfurt womöglich nur deshalb in der Startelf stand, weil Kevin Stöger corona-infiziert ausfiel.

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Bis zur 70. Minute war Bochum nur enorm bemüht, aber noch mit vielen individuellen Fehlern unterwegs und im Abschluss auch erfolglos. Doch von der 70. Minute an gelang plötzlich alles. Zunächst köpfelte Philipp Hofmann nach einer Förster-Ecke das 1:0 (71.), dann lenkte Frankfurts Evan Ndicka nach einem Förster-Freistoß den Ball zum 0:2 ins eigene Tor (87.) und schließlich drosch Förster den Ball in der 91. Minute zum 3:0-Endstand in den Winkel.

Ein Tor und zwei Assists: Philipp Förster ragt gegen Frankfurt heraus. (Foto: Dean Mouhtaropoulos/Getty)

Trainer Letsch war beeindruckt vom Auftreten seiner Mannschaft, und er selbst hatte maßgeblichen Anteil am Triumph, weil er nicht auf seiner Vorstellung von Fußball bestand, sondern der Mannschaft systemische Zugeständnisse machte. Er selbst wollte die Systemfrage aber nicht zu hoch hängen. Man habe sich nach der Niederlage in Leipzig Gedanken gemacht und entschieden, dass dieses 4-3-3 "zunächst einmal die Grundordnung sein soll"; und man wolle in den nächsten Wochen sehen, "welches System am besten zu uns passt". Aber grundsätzlich findet er: "Es geht nicht um Systeme, sondern um den Glauben, um die Kompaktheit und um die Zweikämpfe."

"Der VfL ist wieder da", sangen die Fans nach dem Spiel, aber für diese Behauptung ist es noch zu früh. Der Kontakt zum unteren Tabellenmittelfeld ist zwar wieder halbwegs hergestellt, doch dass der VfL Bochum auch in dieser Saison wirklich bundesligatauglich ist, das muss er in den nächsten Spielen in Stuttgart, gegen Union Berlin und in Wolfsburg erst noch nachhaltig unter Beweis stellen.

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