Jérôme Boateng:Der Wechselwillige muss bleiben

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Jérôme Boateng auf der Bank des FC Bayern. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty)
  • Juventus Turin möchte Jérôme Boateng nicht verpflichten. Der Innenverteidiger bleibt beim FC Bayern.
  • Dort sitzt er bisher nur auf der Bank. Obwohl er nach der Vorbereitung von verschiedenen Seiten gelobt wurde.
  • Trainer Niko Kovac - einst ein Fürsprecher von Boateng - zieht bisher in der Innenverteidigung Niklas Süle, Lucas Hernandez und Benjamin Pavard vor.

Von Benedikt Warmbrunn, München

In der vergangenen Woche hatte Jérôme Boateng zu einer Grillrunde eingeladen. Er selbst stellte dann ein Foto von dieser Runde ins Internet und hat dadurch ein paar spannende Einblicke zugelassen. So ist zu erkennen, dass Boateng für solche Anlässe kleine Matten im Rosenmuster lagert, darauf müssen dann die Teller platziert werden. Zu erkennen ist außerdem, dass an dem Nachmittag Getränke serviert wurden, die für ein Profileben bedingt geeignet sind, nix Alkoholiges zwar, aber Säfte und andere zuckerlastige Drinks.

Am meisten verrät aber die Gästeliste, die ein bunter Querschnitt des Kaders des FC Bayern war. Der Torwart Manuel Neuer war dabei, der neue brasilianische Edeltechniker Philippe Coutinho - und die beiden Spieler, die für Boateng das Berufsleben zurzeit zu so einem schweren machen wie nie zuvor in seiner Karriere: die Innenverteidiger Lucas Hernández und Niklas Süle. Boateng also präsentierte sich als ausgezeichneter Gastgeber, weil er seiner Grillrunde eine integrative Bedeutung gegeben hat. Für den Kader des FC Bayern ist es daher eine gute Botschaft, dass dieser verbindende Grillmeister erhalten bleibt.

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Eine nicht so gute Botschaft ist es möglicherweise für Boateng selbst.

Am Sonntag stand der Innenverteidiger, der an diesem Dienstag 31 Jahre alt wird, vor einem Wechsel zu Juventus Turin, die Meldungslage las sich so, dass er kurz vor einem Wechsel stand, aber das war etwas verfrüht. Am Montag meldete die Gazzetta dello Sport, dass sich Turin dagegen entschieden habe, Boateng zu verpflichten. Bei Juventus fällt Kapitän Giorgio Chiellini nach einem Kreuzbandriss monatelang aus, die Verantwortlichen sind wohl dennoch von ihrem Kader so überzeugt, dass sie Boateng nicht zwingend benötigen. Für den Weltmeister von 2014 war es das bittere Ende einer für ihn persönlich schweren Transferperiode.

Schon im vergangenen Sommer wollte Boateng den FC Bayern unbedingt verlassen, wochenlang war er sich mit Thomas Tuchel, dem damals neuen Trainer von Paris Saint-Germain, einig. Als PSG Ende August ein Angebot vorgelegt hatte, verhinderten die Bayern den Wechsel noch, auch auf Wunsch von Niko Kovac, dem damals neuen Trainer der Münchner. Es folgte für Boateng ein schwieriges Jahr, in dem er erst schwankend spielte, dann irgendwann fast gar nicht mehr; im März erklärte ihm Bundestrainer Joachim Löw, dass er nicht mehr mit ihm plane.

Dass Boateng im Sommer 2019 die Stadt verlassen werde, davon waren im Frühjahr alle im Klub ausgegangen, auch der Spieler selbst. Im Mai verführte Boatengs enttäuschter Ehrgeiz ihn dazu, dass er bei der Meister- und der Pokalfeier nur emotionslos beziehungsweise gar nicht teilnahm. Wenig später sagte Präsident Uli Hoeneß, dass er Boateng einen Wechsel empfehle, da dieser nur noch ein "Fremdkörper" sei.

Boateng ist so selbstbewusst, dass er sich zutraut, ein Innenverteidiger zu sein, mit dem ein Klub die Champions League gewinnen kann; er wollte daher nicht einfach nur weg, er wollte zu einem Verein, der seinen Ambitionen entspricht. Einen Spieler, der als Fremdkörper bezeichnet wird, verpflichtet aber nicht jeder Klub, und so scheiterte ein Wechsel Boatengs lange vor allem daran, dass es kein Angebot gab. Der Wechselwillige selbst trainierte in der Sommerpause selbständig, nach den ersten Wochen der Vorbereitung lobten ihn auch alle, Mitspieler, Trainer, sogar der ihm nicht immer wohlgesinnte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge. Thomas Müller zum Beispiel sagte: "Ich denke, dieser Jérôme Boateng, der so Fußball spielt, der tut uns gut." Im Pokal und in der Liga durfte dieser Jérôme Boateng aber bislang keine einzige Minute spielen. Und er wird es auch weiterhin schwer haben.

Hernández, der 80-Millionen-Euro-Einkauf, zeigte gleich in den ersten Spielen, dass er mit seiner Ruhe und seiner Übersicht das Potenzial zum neuen Abwehrchef hat. Und Süle, von Kovac im Januar zum (damaligen) Innenverteidiger Nummer eins ausgerufen, hat offenbar so viel Vorsprung, dass ihm sogar ein bisschen Übergewicht nach der Sommerpause verziehen wird. Dabei hatte der Trainer im Juli gesagt, dass Boateng "dieselben Chancen wie jeder andere Spieler auch" habe.

Wie ernst Kovac, der frühere Fürsprecher, diesen Satz gemeint hat, das muss er nun einige Monate länger nachweisen, als er und alle anderen im Verein es erwartet hatten.

© SZ vom 03.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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