Wenn es um Borussia Mönchengladbach geht, hat Norbert Meier allzeit eine Pointe parat: "Außer Busfahrer habe ich bei Gladbach alles gemacht", sagt er gern. In den Neunzigerjahren war Meier in Gladbach erst Fußballprofi, dann Jugend-, Amateur- und Bundesligatrainer. Er hat ein emotionales Verhältnis zu diesem Klub. Noch wichtiger ist ihm zurzeit allenfalls die Beziehung zu seinem aktuellen Arbeitgeber.
Meier ist auf seiner fünften Trainerstation Chefcoach von Arminia Bielefeld. Mit den Bielefeldern ist er im Frühjahr 2014 kurz nach seinem Amtsantritt in die dritte Liga abgestiegen. Derzeit ist der Klub dort Tabellenführer und versucht, in die zweite Bundesliga zurückzukehren. Ein aufregendes Intermezzo stellt dabei an diesem Mittwoch das Viertelfinale im DFB-Pokal dar, zu dem die Bielefelder jene Gladbacher empfangen, bei denen Meier nur den Bus nie hat fahren dürfen.
Es wäre Arminias drittes Halbfinale seit 2005
Die Partie gegen Gladbach ist für die Bielefelder das neunte Pokal-Heimspiel nacheinander. Das siebte haben sie vor fünf Monaten im Elfmeterschießen gegen den Bundesligisten Hertha BSC gewonnen, und das achte vor einem Monat mit 3:1 gegen Werder Bremen, einen Bundesligisten, mit dem Meier ebenfalls eine emotionale Vergangenheit verbindet. Begonnen hat die vom Losglück eines Drittligisten begünstigte Bielefelder Pokal-Heimserie im Juli 2011, und sehr gerne würden die Arminen Ende April direkt das zehnte Pokal-Heimspiel hintereinander bestreiten - denn das würde bedeuten, dass sie Gladbach besiegt hätten und nach 2005 und 2006 zum dritten Mal in ein Pokal-Halbfinale eingezogen wären.
Bundesweite Aufmerksamkeit und Prämien im siebenstelligen Bereich bringt der Pokal der klammen Arminia bereits, aber die Offiziellen des Klubs haben auch ein bisschen Angst, dass die Euphorie den Aufstieg in die zweite Liga gefährden könnte. Vor dem Pokalsieg gegen Bremen hatten die Bielefelder von zehn Ligaspielen neun gewonnen; nach dem Pokalsieg gegen Bremen holten sie aus vier Spielen nur zwei Siege. Der Einzug ins Halbfinale wäre eine große Sache, aber wichtiger ist der Aufstieg. "Die Liga ist unsere Kernaufgabe", sagt Geschäftsführer Marcus Uhlig, "unser Brot-und-Butter-Geschäft."
Arminia Bielefeld hat schon immer in einem Zwischenreich gelebt. Früher war das die Grauzone zwischen erster und zweiter Liga. Jetzt ist es jene zwischen zweiter und dritter Klasse. "Wir sind Pendler zwischen den Welten", sagt Uhlig. Mit der Aufzugkabine, die sie 2005 zum 100. Vereinsgeburtstag in ihre Ausstellung integriert hatten, wollten sie ihre Rolle als Fahrstuhlmannschaft ironisieren. An den Sturz in Liga drei hatte damals niemand gedacht. Auch Uhlig nicht.
Der 44-Jährige ist diesem Klub emotional ausgeliefert - erst als Fan, dann als Herausgeber eines Fanmagazins, schließlich als Redakteur fürs Stadionheft, als Pressesprecher und nun als Manager. Die Niederlage gegen Darmstadt vor knapp einem Jahr, als Bielefeld in der Nachspielzeit der Verlängerung im Relegationsrückspiel jenen Treffer kassierte, der den Abstieg in die dritte Liga bedeutete, nennt Uhlig "den schlimmsten Moment überhaupt, das war unglaublich tragisch".
BVB-Sieg gegen Hoffenheim:Durch die Beine ins Halbfinale gezaubert
Die Saison von Borussia Dortmund geht in die Verlängerung: In einem wunderbar unkontrollierten Pokal-Spiel holt der BVB gegen die TSG Hoffenheim einen Rückstand auf - Sebastian Kehls Gewaltschuss in der 108. Minute lässt Jürgen Klopp auf einen Europa-League-Startplatz hoffen.
Doch die Niederlage hatte, so schmerzhaft sie war, auch ihr Gutes: "Wir haben keinen Sponsoren verloren und in der dritten Liga sogar mehr Dauerkarten verkauft als zuvor in der zweiten", sagt Uhlig. "Seither haben wir in Bielefeld eine Jetzt-erst-recht-Stimmung." Mit dieser Mentalität wollen sie im Pokal nun auch jene Gladbacher besiegen, die zuletzt 2:0 beim FC Bayern und 4:1 in Hoffenheim gewannen. "Wir sind diesmal sicher ein noch krasserer Außenseiter als zuvor", sagt Uhlig, "aber wir werden uns in unserer typischen Bielefelder Atmosphäre mit allem wehren, was wir haben: Publikum, Aprilwetter und Flutlicht."
Dresden, Münster, Erfurt, Kiel - dort wird es wirklich wichtig
15 Jahre ist der Bielefelder Rasen alt, an nasskalten Abenden sieht man ihm das an. Ganze Erdstücke ohne jeglichen Halm werden den spielfreudigen Gladbachern die Ballzirkulation erschweren. Unterbrechungen bei den Gladbacher Ballstafetten würden die Bielefelder gern nutzen, um ihren Stürmer Fabian Klos (19 Tore in 29 Saisonspielen) per Konter zum Torerfolg zu schicken. Eine dritte Pokal-Sensation in Serie täte dem Klub, der zuletzt 2009 aus der Bundesliga abstieg und seither wirtschaftlich mehrmals vor dem Aus stand, auch finanziell gut. "An einem traditionsreichen und anspruchsvollen Fußballstandort wie Bielefeld ist eine Saison in der dritten Liga eigentlich immer defizitär", sagt Uhlig.
Genau deshalb ist für die Arminia der Aufstieg in die zweite Liga auch ungleich wichtiger, und der Manager hofft, dass die Mannschaft sich nach dem "Rauschzustand im Pokal schnell wieder auf das Wesentliche konzentrieren kann". Das sind vom kommenden Wochenende an die alles entscheidenden und direkt aufeinanderfolgenden Ligaspiele in Dresden, gegen Münster, in Erfurt und gegen Kiel. Wenn sie die gewinnen und den Aufstieg sichern, dann würden sie ihren Trainer Norbert Meier vielleicht sogar mal den Mannschaftsbus fahren lassen.