Denise Herrmann bei der Biathlon-WM:Sogar Dahlmeier fürchtet ihren Zielsprint

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Formidable Zielsprinterin: Denise Herrmann darf sich bei der WM-Verfolgung im schwedischen Östersund durchaus Chancen ausrechnen. (Foto: Anders Wiklund/TT/AP)
  • Die deutschen Biathletinnen Laura Dahlmeier und Denise Herrmann gehen mit guten Medaillenchancen in die WM-Verfolgung an diesem Sonntag (13.45 Uhr).
  • Kaum einer Teilnehmerin liegt die Strecke in Östersund so wie der früheren Langläuferin Herrmann.
  • Beim Sprint am Freitag vermasselte Herrmann sich eine Medaille mit zwei Schießfehlern im Stehen. Sie hatte die schnellste Laufzeit an diesem Tag.

Von Saskia Aleythe, Östersund

Die Küche von Denise Herrmann war irgendwann sehr beliebt. An einem Hängeschrank hatte sie Zielscheiben angebracht, da kamen die Fernsehkameras vorbei und filmten sie: Wie sie da stand neben Töpfen und Geschirr, die Waffe vom Rücken hangelte über die Schultern hinweg in den Anschlag, immer wieder: Abstreifen, Anschlag, wieder Aufsetzen. Mit 27 Jahren wurde aus der Langläuferin Denise Herrmann die Biathletin Denise Herrmann. Und nun, mit 30 Jahren? Weltmeisterin?

Wo immer auf diesem Planeten um Medaillen geschossen und gerannt wird, steht Laura Dahlmeier im Fokus, die Doppel-Olympiasiegerin und siebenfache Weltmeisterin. Doch diese WM in Östersund ist eine, die auch ganz eng mit Herrmann verbunden ist - weil kaum einer Teilnehmerin die Strecke so sehr liegt wie ihr. Weil sie hier vielleicht die Chance ihres Lebens hat, um in ihrer zweiten Karriere als Sportlerin einen Titel zu gewinnen.

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Die Kleinstadt in Mittelschweden ist für die Sächsin ein Ort der Glücksgefühle. In Östersund hat Herrmann schon einmal Erfolge gefeiert, ihre ersten als Biathletin: 2017 siegte sie beim Weltcup in Sprint und Verfolgung. "Ich liebe die Runde einfach", sagt Herrmann, "die ist schwer, da muss man einfach alles können." Und genau darin hat sie ja Vorteile. Je anspruchsvoller und kurvenreicher, umso besser, denn dann profitiert sie von ihrer Erfahrung als Langläuferin. "Wenn es ein bisschen schwerer wird, dann weiß ich, dass sich ein bisschen mehr die Spreu vom Weizen trennen kann", sagte sie noch am Donnerstagabend, "mit dem Wissen läuft es sich leichter."

"Die Ausgangsposition ist sehr lukrativ", sagt Herrmann

Da hatte sie gerade Silber mit der Mixed-Staffel gewonnen, erst am Vorabend war sie für die kranke Dahlmeier ins Team gerückt. Unter allen, die in ihrer Staffel an Position zwei ins Rennen gingen, war Herrmann die Schnellste. Es war überhaupt erst die zweite Medaille in ihrem Sportlerleben - als Langläuferin holte sie mit der Staffel in Sotschi 2014 Olympia-Bronze. Mehr ging für sie nicht in diesem Sport, im Biathlon ist die Konkurrenz ausgeglichener. Trotzdem war der Umstieg mit 27 Jahren ein Wagnis, den Rückstand an der Waffe merkt man ihr bis heute an. "Ich hätte mir mit 35 vorgeworfen, dass ich es nicht versucht habe. Ich musste es probieren", sagte Herrmann damals. In der Mixed-Staffel in Östersund hatte sie im Stehen dann auch drei Nachlader gebraucht, konnte aber auf der Strecke wieder aufholen. Was diese Medaille im Biathlon ihr nun bedeute? "So viel", sagte Herrmann, "man trainiert so viele Jahre auf so was hin."

Und dann wäre der Sprint am Freitagnachmittag beinahe schon ihr Rennen geworden: Beim ersten Schießen klappten alle fünf Scheiben um, wann immer Zwischenzeiten über den Bildschirm flackerten, war vor ihrem Namen ein Minus-Zeichen. "Wenn ich treffe, weiß ich ja, was geht", sagte Herrmann zuletzt. Getroffen hat sie dann mindestens einmal zu wenig: Mit zwei Fehlern im Stehen vermasselte sich Herrmann die Medaille, vielleicht sogar Gold. "Schon sehr ärgerlich" fand sie das selber. Die schnellste Laufzeit an diesem Tag hatte: Denise Herrmann, natürlich.

Aber mit ihrem sechsten Platz und 24 Sekunden Rückstand auf Rang eins ist die Medaillenchance noch da bei der bevorstehenden Verfolgung am Sonntag (13.45 Uhr). "Die Ausgangsposition ist sehr lukrativ", sagt Herrmann. Auf Laura Dahlmeier, die im Sprint Bronze gewonnen hatte, fehlen ihr nur 11,3 Sekunden. Und Dahlmeier hatte vor dieser WM ja auch schon eine der Stärken ihrer Kollegin ausgemacht: "Es gibt wenige Biathletinnen, die so einen Berg nach oben sprinten können." Sie selber ist darin auch nicht talentfrei - doch wie es um ihre Gesundheit bestellt ist, weiß man bei dieser WM nicht so ganz genau. Mit einer Erkältung war Dahlmeier aus dem Flieger gestiegen, musste bisher jeden Tag aufs Neue austesten, was geht und was nicht.

Gut möglich, dass sich Dahlmeier und Herrmann am Sonntag Frau gegen Frau messen müssen. Auf eines, das machte Dahlmeier aber schon vor dem ersten Rennen klar, kann sie dann ganz gut verzichten: "Ich hoffe, dass es nicht zu einem Zielsprint kommt."

© SZ vom 10.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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