Susan Dunklee:Fast wäre sie umgefallen

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Bis zum Umfallen: Susan Dunklee bei der WM in Antholz. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Biathlon ist in den USA ein Sport für Liebhaber - umso bemerkenswerter ist der WM-Auftritt von Susan Dunklee, die kämpft und läuft, obwohl sie am Ende ihrer Kräfte ist.

Von Saskia Aleythe, Antholz

Amerikaner, die WM-Medaillen im Biathlon gewinnen, haben häufig gute Geschichten parat: Lowell Bailey etwa, der 2017 in Hochfilzen als erster und einziger für sein Land Gold gewann, und das mit 35 Jahren, berichtete nach seinem Triumph im Einzel, dass er eigentlich längst eine Bison-Farm aufmachen und die Skier in die Ecke stellen wollte. Auch Susan Dunklee hatte am Freitagabend etwas zu erzählen: Von Honigbienen, sie hatte im Studium Vorlesungen über "Bestäubung" besucht. "Ich beschäftige mich wirklich gerne mit Insekten", sagte die Silber-Gewinnerin im Sprint, "ich habe auch mal für ein paar Jahre Honigbienen gehalten. Aber es war schwer, das durchzuziehen, weil ich so oft weg war in Trainingslagern." Fleißige Bienchen, das passt ja.

Wie viel Arbeitsbiene in ihr steckt, hatte man eindrücklich erleben können bei diesem zweiten Rennen der Biathlon-WM, nach dem überraschend nur Marte Olsbu Roeiseland aus Norwegen vor ihr gelandet war. Beinahe musste man Angst haben, dass Susan Dunklee in der letzten Kurve das Gleichgewicht verliert und einfach umfällt. Sie hatte sich so verausgabt, dass ihr Körper nach 7,4 von 7,5 Kilometern bedenklich wankte; mit den Stöcken verhinderte sie das zum einen, musste aber aufpassen, durch den Druck nicht kerzengerade mit den Skiern umzukippen.

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Dunklee schaukelte mit letzter Kraft Richtung Ziel, die 34-Jährige wusste ja: Die Gelegenheit, eine WM-Medaille abzustauben, bietet sich ihr nicht allzu oft. "Die letzten 100 Meter waren sehr schmerzhaft", sagte Dunklee später, da hatte sie schon wieder Energie gesammelt und die investierte sie in viel Gelächter: "Ich habe es über die Ziellinie geschafft!"

Zum ersten Mal in dieser Saison schießt Dunklee null Fehler

Basketball, Football, Eishockey - in den USA interessiert sich ja so gut wie jeder für Sport, doch Biathlon ist etwas für Liebhaber, die Verdienstmöglichkeiten entsprechend gering. Erst fünf WM-Medaillen hat die Nation seit 1958 gewinnen können, Dunklee ist das nun zum zweiten Mal gelungen nach ihrem Massenstart-Silber von vor zwei Jahren. Und hinter ihrer Medaille liegt auch eine Botschaft, die man momentan in der Frauen-Konkurrenz tatsächlich so beschreiben kann: "Da sind 20 oder 30 Leute, die im Biathlon auf dem Podium landen können", sagte Dunklee, "den Glauben nicht zu verlieren, ist doch das, worum es geht." Ein Prinzip, das auch Bernd Eisenbichler in den USA lange gelebt hat, der 44-Jährige wechselte 2019 als sportlicher Leiter zum Deutschen Skiverband, war zuvor 20 Jahre lang in zuletzt ähnlicher Position für die US-Biathleten tätig.

95, 14, 55 - das ist nur ein Ausschnitt der Platzierungen, die Dunklee in diesem Winter bis zu diesem Freitag erreicht hatte, über einen zehnten Rang in der Verfolgung von Ruhpolding war sie bisher nicht hinausgekommen. Genau wie Bailey vor zwei Jahren hat nun auch Dunklee von den Fehlern der Konkurrenz profitiert - und von der eigenen Sicherheit am Schießstand. Nur vier von 101 Starterinnen versenkten am Freitagnachmittag alle Scheiben, Dunklee war eine von ihnen. Zum ersten Mal überhaupt in dieser Saison, trotz wechselhafter Bedingungen in Antholz.

Ob das Schießen für sie bei der WM nun kein Problem mehr darstelle? "In dem Moment, in dem du denkst, du hast es gemeistert, ist es schon vorbei. Es wird dir gegeben und wieder genommen", sagte Dunklee. Immer weitermachen, immer weiterarbeiten, das hat sie als Erfolgsrezept verinnerlicht. Ihren ersten Podestplatz feierte sie schließlich erst mit 28.

Wer seit fast zwei Jahrzehnten schon als Biathletin unterwegs ist, muss auch manch negative Erfahrung verarbeiten; für Dunklee waren das ausgerechnet die Olympischen Spiele 2018 in Pyeongchang: Eine Erkältung erwischte sie, dazu die Rennen um acht Uhr abends, Schlaf erst tief in der Nacht. "Es war ein Leben in der Dunkelheit in diesen zwei Wochen", erinnert sich Dunklee.

Das Massenstart-Silber im Vorjahr hatte ihr zarte Hoffnungen auf einen Olympia-Erfolg gemacht, die Enttäuschung war dann nach einem 19. Platz im Einzel und Rang 66 im Sprint umso größer. "Das zu verarbeiten, das war eine meiner größten Herausforderungen in meiner Karriere", sagte Dunklee nun in Antholz.

Biathlon ist ein Sport der Europäer, für Quasi-Außerirdische wie Dunklee sind die vielen Weltcup-Stationen in Schweden, Deutschland, Österreich mit langen Zeiten abseits von Familie und Freunden verbunden. Ihre Ration Ahornsirup, die sie immer mitnimmt, ist nun schon beinahe aufgebraucht, seit Weihnachten ist Dunklee schon nicht mehr daheim in Vermont gewesen. Da verwundert es kaum, was sie am Biathlon am meisten begeistert: "Für mich sind es die Leute. Es ist die Gruppe hier, mit der ich trainiere und herumreise. Wenn das nicht so eine gute familiäre Atmosphäre wäre, dann wäre ich auch nicht hier." Am Donnerstag, dem ersten Tag der WM, hat sie ihren Geburtstag gefeiert, im Kreis der Kollegen.

Für die Verfolgung am Sonntag hat sie nun eine starke Ausgangsposition. "Ich tue mein Bestes und schaue, was passiert", sagte Dunklee noch, aber ihr Highlight soll das Staffel-Rennen werden: Vor einem Jahr in Östersund lagen die Amerikanerinnen bis zum letzten Schießen auf dem dritten Rang; über einen sechsten Platz ist Dunklee im Team noch nicht hinausgekommen. "Das zu toppen, wäre fantastisch", findet sie; auf eines können sich die Kolleginnen verlassen: Dunklee macht weiter, auch wenn die Kraft aus ihren Beinen schon fast vollständig aufgebraucht ist.

© SZ vom 16.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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