Biathletin Tiril Eckhoff:Lockere Zunge, heißes Händchen

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Tiril Eckhoff in Nove Mesto: Macht auch nach der WM einfach weiter mit dem Siegen. (Foto: dpa)

Tiril Eckhoff siegt und siegt und siegt - und gewinnt auch den Gesamt-Weltcup im Biathlon. Was sie so stark macht? Ihr Umgang mit den Faustschlägen der vergangenen Saison.

Von Saskia Aleythe, München

Wo gelacht wird, ist Tiril Eckhoff nicht weit. Und dass gelacht wird, dafür sorgt die Norwegerin dann auch selbst, sie lebt die Verantwortung einer Seriensiegerin in sehr verdienstvoller Weise aus. Man kann ihr dafür dankbar sein, schließlich saß die 30-jährige Biathletin in dieser Saison unfassbar oft bei Pressekonferenzen, wurde unfassbar oft gefragt, was denn nun dieser und jener Sieg für sie bedeute und was das Geheimnis hinter ihrem Erfolg sei. Diese und auch weitere Fragen beantwortet sie mitunter sehr aufgeschlossen. Vor ein paar Monaten, die ersten Weltcup-Stationen waren absolviert, da ging es um ihre Pläne für die Weihnachtspause. Was haben Sie vor, Frau Eckhoff? "Essen, schlafen, vielleicht ein bisschen Liebe machen." Vielen Dank, genügt schon.

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Mit leichtem Herzen und lockerer Zunge siegte sich Eckhoff durch diese Saison, und natürlich hängt dabei alles mit allem zusammen. Wer einmal einen Lauf hat, der muss sich nicht zwangsläufig mit komplizierten Analysen den Kopf zerbrechen, der macht weiter, gewinnt leichter und kann fröhlich sein. "Hot hand", nennt Eckhoff das selbst, sie habe jetzt das heiße Händchen wie im Basketball, wo dem Schützen nach ein paar gelungenen Körben scheinbar alles glückt. Für Eckhoff bedeutete das, dass sie nach dem gewonnenen Verfolgungsrennen in Nove Mesto in Tschechien als Gesamtsiegerin feststand - als erste Norwegerin seit Tora Berger im Jahr 2012, seit der großen Tora also, die einst über Jahre das Biathlon geprägt hat. Aber dahinter steht, wie so oft im Sport, nicht einfach nur eine Erfolgsgeschichte, oder wie Tiril Eckhoff es sagt: "Immer, wenn du die Faust ins Gesicht bekommst, stehst du stärker wieder auf."

Bei der WM vor einem Jahr in Antholz schlug sie sich noch selbst

Die Faustschläge haben sie vor einem Jahr noch reihenweise erwischt, wie eine Anfängerin, die die Arme nicht mehr zu Deckung nach oben bekommt, sondern baumeln lässt. Als große Favoritin war sie zur WM nach Antholz in Südtirol gereist, hatte zuvor von zwölf Individualrennen sechs gewonnen. Klar war: Wer Medaillen abstauben will, musste erst mal an Eckhoff vorbeikommen - doch die schlug sich dann selbst. Im Sprint fielen nur vier der zehn Scheiben, Platz 59, damit war ihr dann auch schon die Verfolgung entglitten. Schießfehler, Schießfehler, Schießfehler, ihre alte Schwachstelle war wieder da. "Letztes Jahr in Antholz war es sehr hart. Es war schwer für den Kopf, dass es am Schießstand nicht lief", sagte Eckhoff später, "ich glaube, die WM damals hat diese jetzt so gut gemacht." Sie war fokussiert darauf, es besser zu machen: "Ich gebe niemals auf, und jetzt habe ich viele Medaillen." Von der Hochebene Pokljuka kehrte sie vor wenigen Wochen mit drei Plaketten aus den Einzelrennen wieder heim, die Bilanz: vier Mal Gold, ein Mal Silber, ein Mal Bronze. Erfolgreicher als alle anderen.

Was hinter dem Wandel steht? "Das Alter", sagt Eckhoff und lacht. Die Erfahrung sei es, vor allem auch: eine bessere Technik. "Es ist leicht, sich im Biathlon in die Hosen zu machen", findet sie zwar, aber alles nur auf die mentale Verfassung zu schieben, ist ihr zu einfach. Der Südtiroler Patrick Oberegger hat mit ihr am Trefferbild gearbeitet, er ist Schießtrainer bei den norwegischen Frauen. "Er ist die Nummer eins. Er ist bei jedem einzelnen Training anwesend und hat meinen Trefferanteil erhöht. Er ist derjenige, dem ich zu 100 Prozent dafür danken kann, dass ich eine bessere Biathletin bin", sagte Eckhoff in Pokljuka dem norwegischen Fernsehen. Die Verbesserungssprünge, die sie mit der Waffe gemacht hat, sind enorm: Von 81 auf 85 Prozent ist die Trefferleistung im Vergleich zum Vorjahr geschnellt, allein im Stehendanschlag versenkt sie heute acht Prozent mehr Scheiben. Und da die Rennen oft im letzten Schießen entschieden werden, und das immer im Stehen absolviert wird... Alles hängt eben mit allem zusammen.

Selbstredend profitiert sie als Norwegerin von ihrem läuferischen Potenzial, aber ohne Schussglück und Köpfchen wird es im Biathlon eben auch nichts. "Wenn du an der Spitze bist, reitest du auf einer Welle", auch dieses Zitat ist von Eckhoff überliefert , "aber wenn du am Boden bist, treibst du wie im Ozean auf hoher See." Nur hat sie es geschafft, aus den bedrohlichen Situationen neue Energie zu ziehen. Auf der Pokljuka wollte sie Rache nehmen für Antholz, so hat sie das selbst umschrieben, und auch mit der großen Kristallkugel - immerhin 28 000 Euro Preisgeld wert - gab es noch eine Rechnung zu begleichen. In der vorigen Saison hätte Eckhoff trotz der vermasselten WM noch die Gesamtwertung gewinnen können, doch am Ende hatte Dorothea Wierer aus Italien sieben läppische Punkte mehr gesammelt. "Ich wollte es dieses Jahr wirklich besser machen als letztes Jahr. Es hat mich stärker gemacht", sagte Eckhoff nun in Nove Mesto. Drei Rennen gibt es beim Saisonfinale in Östersund ab dem kommenden Freitag noch zu bestreiten, sogar der 20 Jahre alte Rekord von Magdalena Forsberg gerät nun ins Wanken: 14 Saisonsiege hatte die Schwedin damals geschafft. Eckhoff steht bei: zwölf.

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