Rücktritte von Dahlmeier und Neuner:Warum Biathletinnen so früh aufhören

Biathlon 19 02 2017 IBU Weltmeisterschaften Hochfilzen AUT 12 5 km MASSENSTART Damen Frauen DAHLMEI

Alles auf einmal: Laura Dahlmeier gewinnt in Hochfilzen bei der Biathlon-Weltmeisterschaft 2017 fünf mal Gold

(Foto: imago images / Camera 4)
  • Laura Dahlmeier beendet mit nur 25 Jahren ihre Biathlon-Karriere - genau wie schon Magdalena Neuner 2012.
  • Dass Biathletinnen so früh aufhören, ist keine Seltenheit - und hat durchaus seine Gründe.
  • Da es bei den Frauen leichter ist als bei den Männern, schon in jungen Jahren Goldmedaillen zu gewinnen, ist auch der Sättigungsgrad an Erfolg schneller erreicht.

Von Volker Kreisl

Urlauber, die auf der Landstraße von München nach Innsbruck und weiter nach Italien unterwegs sind, kommen auch in Kaltenbrunn vorbei. Schauen sie hinter Garmisch-Partenkirchen rechts aus dem Fenster, bietet sich für einen Moment der Blick auf die Biathlon-Trainingsanlage von Kaltenbrunn. Da üben insgesamt 41 junge und gestandene Biathleten und Biathletinnen, nur eine wird ab jetzt fehlen: die soeben wegen fehlender Motivation zurückgetretene Laura Dahlmeier.

Weiter in Kaltenbrunn dabei ist dafür Bernhard Kröll, der Stützpunkttrainer. Kröll hat großen Spaß an der Arbeit mit werdenden Biathlon-Könnern, was er auch dadurch bewiesen hat, dass er zwei Jugendliche in diesem doch recht unprätentiösen Gelände rechts neben der Straße zu den jeweils überragenden Biathletinnen ihrer Zeit gemacht hat: die fünffache Hochfilzen-2017-Weltmeisterin Dahlmeier und Magdalena Neuner, die Rekord-Titelträgerin. Leider ist Bernhard Kröll aber wohl auch der einzige Wintersport-Trainer, der seine beiden Hochkaräterinnen, kaum dass sie den Gipfel erreicht hatten, gleich wieder verlor: Wie gerade Dahlmeier hatte sich auch Neuner 2012 schon mit 25 Jahren zurückgezogen.

Dahlmeiers Abschied wirkt sich nun auch auf das Weltcup-Team aus, in vielerlei Hinsicht: als Verlust und ein bisschen auch als Chance. Der Deutsche Skiverband muss wegen seiner verwöhnten Zuschauer und Sponsoren die nächste Erfolgsgeneration aufbauen - ohne Dahlmeier, aber mit dem langsam wieder anschwellenden Druck der nächsten olympischen Medaillenpflicht 2022. Und generell stellt sich die Frage, woran es liegt, dass derartige Brüche in gemeinsam mühsam aufgebauten Karrieren so plötzlich entstehen.

Der Sättigungsgrad an Erfolg ist bei den Frauen schneller erreicht

Vor der näheren Biathlon-Zukunft ist dem Verband offiziell erst einmal nicht bange. Frauen-Bundestrainer Kristian Mehringer erinnert daran, dass man mit Denise Herrmann, der Weltmeisterin von 2019, eine hat, die jetzt die nächste "Leaderin" werden kann. Am anderen Ende der Mannschaft wolle man mit den Talenten Anna Weidel und Janina Hettrich sanft den Druck aufbauen, der die Mittel-Etage dazu motivieren soll, ihr Talent endlich mal voll auszuschöpfen. Gemeint sind Franziska Preuß, Maren Hammerschmidt und Vanessa Hinz. Dahlmeier reiße zwar eine große Lücke, sagt Mehringer: "Aber wir haben durchaus einen Plan."

Auch im sogenannten Perspektivkader tauchen aussichtsreiche Begabungen beiden Geschlechts auf, deren Namen aber niemand raunt, weil sie zwar gut sind, aber nicht dreimalige Junioren-Weltmeisterinnen wie einst Dahlmeier und Neuner. Das gesamte deutsche Biathlon wird also zunächst mal einen ruhigeren Gang fahren, was ganz natürlich ist. Andererseits könnte man es einem Strategen im Verband nicht verübeln, sollte er auch mal heftig damit hadern, warum seine Spitzenstars nicht wenigstens noch eine zweite Olympiaperiode anhängen konnten.

Ob sich dieses plötzliche Abwenden vom Biathlon in Zukunft verhindern lässt, ist sehr fraglich. Nach wie vor sei es bei den Frauen leichter, schon in jungen Jahren Goldmedaillen zu gewinnen als bei den Männern, sagt Mehringer. Somit ist auch der Sättigungsgrad an Erfolg schneller erreicht. Und für eine lange Karriere als Seriensiegerin und Rekordjägerin ließen sich die Top-Läuferinnen zuletzt kaum motivieren.

Dahlmeier sehnt sich erst mal nach den Bergen

Die Schwedin Helena Eckholm, Daria Domratschewa aus Weißrussland, die Tschechin Gabriela Koukalova und viele mehr hörten vorzeitig auf. Kröll verweist auch auf das Thema Kinderwunsch, das manche internationale Topathletin zum Aussteigen veranlasst hat. Eine davon war Magdalena Neuner, die mit der Familiengründung nicht ewig warten wollte.

Dahlmeier dagegen sehnt sich erst mal nach den Bergen, wo sie nun nicht mehr horizontal skatend und schießend unterwegs sein will, sondern vertikal - beim Hinaufsteigen, Klettern, wieder Abseilen und Kennenlernen fremder Gebirge und Kulturen. Was in Kaltenbrunn ohne sie fehlen wird, ist nicht nur die Trainingsgefährtin Dahlmeier, sondern auch der laufende Beweis Dahlmeier. Das habe die Kinder aus Wallgau, Krün, Mittenwald, Eschenlohe und den anderen Orten schon ziemlich gepusht, sagt Kröll, wenn sie da eine Weltmeisterin Skirollern sahen, und sich dachten: "Boah, das kann ich vielleicht auch mal, weil, die ist ja auch von hier."

Andererseits hängen die Fotos der beiden weiter im Funktionsstüberl von Kaltenbrunn, auch bleiben beide der Heimat verbunden, und schließlich ist nicht ausgeschlossen, dass ein großes Talent wieder aus der Gegend kommt. Längerfristige Sorgen bereiten Kröll da schon die Olympischen Spiele, jenes große Sportler-Ziel, das kaum noch mythenbehaftet ist. Ohnehin beobachtet er, dass seine Schüler fokussiert sind "auf Abi, Studium, Geldverdienen und Reisen, was ja absolut richtig ist", wie er sagt, dass das Sportheldentum aber kaum noch Anziehungskraft entfaltet.

Olympia hat der Heimtrainer Kröll noch nie besucht, trotzdem weiß er: "Eine negative Auswirkung hat der olympische Gigantismus schon." Und von seinen Siegerinnen hat er aus erster Hand erfahren, dass dort im Termindruck kaum Zeit ist, um sich im Olympischen Dorf umzuschauen, andere Athleten oder gar das Land kennenzulernen. Aber, auch wenn er den Schülern keinen Reichtum versprechen kann, weil die beim Googeln selbst rausfinden, dass ein deutscher Olympiasieger 2018 20 000 Euro Prämie bekam, ein Dschungelcamp-Sieger aber 100 000 - obwohl das so ist, sagt Kröll, dass er sich wieder auf den Trainingssommer freue, und auf die Gruppe, die eben etwas anders aussieht, wie immer im Frühsommer.

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