In der Hand der Espresso, draußen vor dem Fenster der Golfplatz. Eine karge Wiese war das nur im Winter von Pyeongchang, die deutschen Athleten hatten sich eingemietet in einen ansässigen Golfclub, um sich dort nach gewonnenen Medaillen zu erholen. Da saß Laura Dahlmeier also im Winter 2018, und hatte einiges zu verarbeiten. Doppel-Olympiasiegerin, mit 24 Jahren, eine Bronze-Medaille noch dazu. Dahlmeier trank, musste nachdenken. Ob man sie in Peking 2022 nocheinmal wiedersehen würde? "Alles ist offen", sagte sie, "ich mache Biathlon, seit ich neun Jahre alt bin."
Bei den Winterspielen 2022 in Peking wird man Dahlmeier nicht mehr am Schießstand sehen, so viel ist seit Freitagmittag klar: Über die sozialen Netzwerke teilte sie ihr Karriereende mit. "Es ist Zeit, Servus zu sagen", schrieb sie, nach einer "unfassbar harten Saison" verspüre sie nicht mehr hundertprozentige Leidenschaft, "die für den Profisport erforderlich ist".
Noch im März hatte sie bei der WM in Östersund in Schweden zwei weitere Bronze-Medaillen gewonnen. Angeschlagen, und umso glücklicher über die Erfolge. Dass sie nun mit 25 Jahren den Sport aufgibt, an dem ihr Herz hing, das ist ein Abschied, der sich schon länger angebahnt hat.
"Sie kann rennen wie ein Pferd"
Damals in Südkorea hat Dahlmeier wohl wirklich noch nicht gewusst, was die kommenden Jahre ihr bringen, sie musste ja erstmal die vergangenen 13 Tage verarbeiten. Und das fällt nicht immer leicht, wenn man das Gesicht einer ganzen deutschen Mannschaft ist, über Jahre hinweg. Gleich am ersten Tag der Spiele war sie im Sprint zum Olympiasieg gestürmt, erzählte dann, wie sie das als Kind schon geübt hatte: aufs Bett hüpfen, Arme nach oben, Siegerehrung simulieren. Die Verfolgung in Pyeongchang beendete sie mit weiterem Gold, das Einzel mit Bronze. "Hier war immer im Hinterkopf: Okay, es sind sechs Rennen, ich muss weiter trainieren, Fokus halten", sagte Dahlmeier, "das war sicher keine leichte Situation."
Ihre Eltern, die auch nach Südkorea gereist waren, traf sie mal zufällig beim Joggen, für alles andere war keine Zeit. Und doch wusste sie da schon eher, sich auch mal Momente zum Genießen zu nehmen. Weil vor einem Jahr bei der WM in Hochfilzen in Österreich alles ein bisschen zu verrückt war, mit fünfmal Gold und einer Silber-Medaille, mit all den TV-Terminen und gestiegenen Erwartungen der Biathlon-Fans.
"Laura liest ein Rennen während des Wettkamps", hat ihr Heimtrainer Bernhard Kröll mal gesagt, und das war auch ein Grund für ihre Erfolge. Sie wusste, wann sie im Windschatten der anderen laufen musste, weil die Gegnerin sich womöglich verausgaben und am Schießstand patzen würde. Sie wusste, wann sie das Gewehr neu ausrichten musste, wenn die Windverhältnisse wechselten. Dahlmeier war eine Königin der Pausen. Wo andere weiche Knie bekamen, begann für sie erst der Wettkampf. "Wenn ich beim Bergsteigen etwas falsch mache, dann könnte ich tot sein", hat sie mal erklärt, das Klettern war ihre zweite Leidenschaft, "wenn ich beim Biathlon-Wettkampf einen Fehler mache, lande ich vielleicht auf Platz 25".