Bayern-Sieg in Wolfsburg:Das perfekte Spiel

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  • Die Fußballnation staunt über einen dominanten Auftritt des FC Bayern beim VfL Wolfsburg im DFB-Pokal.
  • 3:1 gewinnen die Münchner - der Sieg hätte deutlich höher ausfallen können.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen im Pokal.

Von Thomas Hummel, Wolfsburg

Ein Gast aus dem spanischsprachigen Raum traute sich ganz zum Schluss dieses Abends, dem sehr streng dreinblickenden Dieter Hecking die entscheidende Frage zu stellen. Er versuchte es auf Englisch: "Is Bayern Munich too strong for the Bundesliga?"

Ist dieser FC Bayern zu stark für Deutschland? Dieter Hecking kann seine Augenbrauen sehr quer über die Augen stellen. Doch der Trainer des VfL Wolfsburg ist auch ein höflicher Mensch, der Gästen eine ordentliche Antwort gibt. "You watched the game?" fragte er zurück. Und schloss: "At the moment they are too strong for the Liga, yes." Was sollte er auch anderes sagen. Es hatte ja eh jeder gesehen.

Überrannt, ausgespielt und fertig gemacht

Der FC Bayern hatte eigentlich das, was man Lospech nennt. Er musste zum Meisterschaftszweiten und Pokalsieger des Vorjahres, eine kniffligere Aufgabe schon in der zweiten Runde des DFB-Pokals gibt es kaum. Wenn nicht der VfL Wolfsburg im eigenen Stadion, wer dann sollte den Münchnern Gegenwehr bieten können?

Doch schon als Schiedsrichter Knut Kircher zur Halbzeit pfiff, schaute sich die Fußballnation verblüfft an und stellte fest: Nichts und niemand kann diesen Bayern Gegenwehr bieten. Sie hatten die Wolfsburger überrannt, ausgespielt, abgefieselt und fertig gemacht. Es stand 3:0, doch das gab die Kräfteverhältnisse nur unzureichend wieder. Die Bayern waren so dermaßen haushoch überlegen, dass es durchaus sechs oder mehr Tore hätten sein können. Am Ende hieß es nur 3:1 (André Schürrle traf in der Schlussminute) - das Ergebnis muss als Geschichtsklitterung gewertet werden. Wolfsburgs Sport-Geschäftsführer Klaus Allofs sprach von "einem Klassenunterschied" und hatte völlig recht.

Heckings Kollege Pep Guardiola hatte einen Plan in Wolfsburg. Und es ist erstaunlich, wie wunderbar Guardiolas Pläne derzeit aufgehen. Er wollte verhindern, dass Wolfsburg spielerisch nach vorne kommt, wo in Julian Draxler, Daniel Caligiuri oder Maximilian Arnold technisch fähige Leute warteten. Seine Mannschaft sollte ganz vorne attackieren und den Gegner zu langen, weiten Bällen zwingen. Die dann Jérôme Boateng, Javi Martínez und Xabi Alonso per Kopf plus Abpraller erkämpfen sollten. Wolfsburg sollte im Spielaufbau "keine Zeit zum Denken" erhalten.

FC Bayern im DFB-Pokal
:Die wollen nicht nur spielen

Der FC Bayern stellt sich den VfL Wolfsburg zurecht - und erlegt ihn müheloser, als der 3:1-Endstand es aussagt. Nur Robert Lewandowski hält sich diesmal zurück.

Genauso kam es. Energisch bedrängt in jeder Ecke des Spielfelds gerieten die Wolfsburger bisweilen fast in Panik und droschen irgendwann den Ball planlos nach vorne. Von wo aus er schnurstracks wieder zurückkam. Den Gastgebern kroch die Angst in die Knochen ob der bayerischen Attacken, kaum zwei oder drei Pässe gelangen ihnen hintereinander.

Mit großem Laufaufwand, mit viel Einsatz setzten die Münchner dem Gegner erheblich zu und schnürten ihm die Luft ab. Und wenn sie den Ball hatten, dann zogen sie ihr unwiderstehliches Passspiel auf. So lange, bis einer vorne frei stand oder Douglas Costa, Kingsley Coman, David Alaba, Thomas Müller im Eins-gegen-Eins dem Gegenspieler entwischten. Die Tore fielen zwangsläufig.

1:0 Costa nach Dribbling im Mittelfeld und fulminantem Weitschuss (15.), 2:0 Thomas Müller nach Flanke David Alaba (20.), 3:0 Müller nach Flanke Alaba (34.). Müller, Robert Lewandowski und Thiago vergaben weitere gute Chancen.

Was bleibt, ist Staunen

Es ehrte Hecking, dass er nicht wie viele Kollegen danach die Schultern zuckte und erklärte, dass man gegen diese Bayern eben nichts ausrichten könne. Er sah die Hauptschuld der einseitigen ersten Halbzeit bei seinen Leuten. Er beklagte den lange Zeit fast körperlosen Auftritt, die zaghafte Zweikampfführung. "Du musst auch mal Foulspielen, auch mal austeilen, sonst hast du keine Möglichkeit." Der Gegner sei stark gewesen, aber "es lag nicht nur an den Bayern. Wir haben viele technische Fehler gemacht. Die darfst du dir nicht erlauben, gegen niemanden."

FC Bayern in der Einzelkritik
:Stinkig wegen Müller

Einen Abgastest für Fußballer würde der Stürmer nicht bestehen. Alaba und Coman machen aus der linken Seite eine Autobahn. Und Xabi Alonso räumt alles weg. Der FC Bayern beim 3:1 gegen Wolfsburg in der Einzelkritik.

Von Thomas Hummel, Wolfsburg

Während Heckings Elf schnell eingeschüchtert wirkte, lief bei den Münchnern so gut wie alles. Sie spielten in der ersten Halbzeit so aggressiv, so gut, so dominant wie man das in einem Spiel zweier deutscher Spitzenmannschaften vielleicht noch nie gesehen hatte. War der Ball erobert, lief er traumwandlerisch zwischen den Spielern. Oder wie es Kapitän Philipp Lahm ausdrückte: "Wir haben ein überragendes Positionsspiel, um die bestimmten Spieler frei zu bekommen, die dann im Eins-gegen-Eins den Unterschied ausmachen."

Was blieb, war einerseits Staunen über den perfekten Auftritt des FC Bayern. Und bei manchem das mulmige Gefühl, wie das nun weitergehen soll, wenn dieser Klub selbst die besten Konkurrenten deutlich dominiert. Pep Guardiola wurde die Frage gestellt, ob ihm in Deutschland nicht bald langweilig werde. Man merkte, wie der (wie Hecking ebenfalls höfliche) Spanier an sich halten musste. Er habe zuletzt gelernt, dass den Gegnern des FC Bayern kein Respekt entgegengebracht werde - aber auch nicht ihm und seiner Mannschaft. "Wir arbeiten viel", sagte er. "Wir wollen gewinnen und gewinnen ist nicht einfach. Gewinnen ist das schwierigste überhaupt im Sport." Vor allem alle drei, vier Tage wie in diesen Wochen. Mal in Darmstadt, mal in der Champions League, mal in Wolfsburg. "Das ist nicht einfach."

In diesem Moment stand einige Etagen tiefer im Wolfsburger Stadion Sportdirektor Matthias Sammer und ärgerte sich über das gleiche Thema. "Es ist eine Mär, dass die Mannschaft national nicht gefordert wird. Es ist eine Mär, dass wir uns nicht anstrengen müssen", rief er.

Die Bayern waren in Wolfsburg so gut, dass sich die Verantwortlichen dafür am Ende fast rechtfertigen mussten.

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