Bayern-Niederlage gegen ManCity:Mit dem Seltenheitswert einer Sonnenfinsternis

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Vereint in der Niederlage: Torwart Manuel Neuer (links) und Franck Ribéry nach dem 2:3 gegen ManCity (Foto: dpa)

So fühlt sich also eine Pleite an: Die Bayern werten das 2:3 gegen ManCity als Betriebsunfall und üben trotz des knapp geschafften Gruppensieges Selbstkritik. Guardiolas Elf muss erkennen, dass es zumindest in Europa doch noch ernsthafte Gegner gibt.

Aus dem Stadion von Jonas Beckenkamp

Es war stimmungsvoll geworden in der Fankurve oben unter dem Dach, wo ein gut geölter, britischer Männerchor vergnügt vor sich hinträllerte. "Football's coming home" schallte es durch die Münchner Arena - der Gassenhauer der Lightning Seeds, stadiontauglich interpretiert von Tausenden football lads aus Manchester. Grund zur Ausgelassenheit bestand allemal, denn ManCity führte bei den vermeintlich unbezwingbaren Bayern. Und wer weiß, wie laut es geworden wäre, wenn Stürmer Álvaro Negredo in jener 80. Minute sogar das 4:2 für die Gäste erzielt hätte.

Der Spanier hatte wie ein Basketballer seinem Gegenüber Dante den Ball geklaut und rannte alleine auf Bayern-Keeper Manuel Neuer zu - es war einer dieser Momente, in denen sich das Geschehen plötzlich verdichtet. Ein weiterer Treffer für die Engländer und die Münchner hätten es tatsächlich fertiggebracht, den Gruppensieg in der Champions League zu verdaddeln. Gespanntes Raunen, bange Blicke und dann kollektives Gejohle: Neuer parierte gegen Negredo, für den Titelverteidiger ging noch mal alles gut.

Nach dem 3:1-Hinspiel-Erfolg der Guardiola-Elf, gewann diesmal der Scheichklub von der Insel 3:2 (1:2) - dank des knapp besseren direkten Vergleichs retteten sich die Bayern noch auf Platz eins der Gruppe D ins Ziel. Trotzdem, weil es so etwas schon gefühlte Trilliarden Jahre nicht mehr gab, hier noch einmal zum mitschreiben: Der FC Bayern hat ein Punktspiel verloren! Zum ersten Mal seit fast neun Monaten! Damals zitterte sich der spätere Triple-Sieger mit einem 0:2 zu Hause gegen Arsenal ins Viertelfinale. Das letzte Pflichtspiel ging im Juli beim Supercup gegen Borussia Dortmund mit 2:4 verloren.

FC Bayern in der Einzelkritik
:Viel Gedribbel um nichts

Ribéry tanzt Demichelis mit seinen Freestyle-Dribblings selten aus. Dante hämmert mit den Fäusten, dass die Locken beben. Und Neuer stellt fest, dass er als Torwart angestellt ist. Der FC Bayern beim 2:3 gegen Manchester City in der Einzelkritik.

Aus dem Stadion von Philipp Schneider

"Es ist sicherlich nicht die schlimmste aller Niederlagen, wir haben auch nicht so schlecht gespielt", erklärte Neuer, "richtig blöd wäre nur das vierte Gegentor gewesen." So kurios es ist, aber am Ende versuchten die siegesgedrillten Allesabräumer tatsächlich eher, das 2:3 über die Zeit zu retten, als selbst noch den Ausgleich zu schaffen. "Deshalb bin ich in der 87. Minute nur noch mit dem Ball Richtung Eckfahne", sagte Thomas Müller, der sanfte Zweifel an der Rechenfuchsigkeit (Auswärtstorregel) seiner Kollegen äußerte. "Ich weiß nicht, ob jeder gewusst hat, um was es geht."

Bayern-Niederlage gegen Manchester
:Doch nur Menschen

Nach zwölf Minuten hatten die Zuschauer mit allem gerechnet: Auch mit einem neuerlichen 7:0. Doch dann geschieht etwas mit der Bayern-Elf, die zuletzt die Gegner demütigte. Am Ende verlieren die Münchner 2:3 und müssen sogar noch froh sein, als Gruppenerster das Achtelfinale zu erreichen.

Seine Skepsis dürfte wesentlich am Vortrag in der zweiten Halbzeit gelegen haben, denn wie sich die Bayern da ihre Gewinner-Gene betäuben ließen, hat den Seltenheitswert einer Sonnenfinsternis. Der gewohnte Überschall-Fußball der Anfangsphase, als erst Müller (5.) und dann Mario Götze (12.) trafen, verpuffte nach David Silvas Anschlusstor (28.) zusehends - und wer genau hinschaute, konnte ein paar hochnäsige Schönspiel-Schlampereien bei den Kunstschülern Thiago, Franck Ribéry oder Götze erkennen.

"Wir haben es in dieser Phase schleifen lassen", räumte Müller ein, "man hat gemerkt, dass wir immer einen Schritt zu wenig machten." Und Manchester immer einen mehr, wie zum Beispiel in der Szene, die zum Elfmeter führte: Der stets gefährliche James Milner zog in den Sechzehner und nahm Dantes ungeschickte Zweikampfführung dankend an. Den Strafstoß zum 2:2 verwandelte City-Kapitän Aleksandar Kolarov (59.). Nur drei Minuten später blieb es dann Jérôme Boateng gegen seine alten Kollegen vorbehalten, formvollendet über den Ball zu treten, so dass Milner mit feiner Schusstechnik den Endstand fixierte.

"Nicht mehr so souverän" sei das alles gewesen, meinte der fahrige Dante, der beim Plausch mit den Reportern anders als sonst ziemlich wortkarg blieb. In der Bundesliga hätten die Münchner den frühen Vorsprung vermutlich routiniert nach Hause geschaukelt - oder gleich sieben Tore erzielt. Aber gegen ein europäisches Topteam wie ManCity reicht der Sparmodus eben nicht aus, so die Erkenntnis dieses allgemein als Betriebsunfall empfundenen Abends. "Wir haben gedacht, es geht zu einfach", sagte Ribéry, der damit auch ein wenig die eigene Überheblichkeit anprangerte.

Champions League
:Spiel in Istanbul abgebrochen

Wegen Schnee und Hagel brechen die Offiziellen die Champions-League-Partie zwischen Galatasaray Istanbul und Juventus Turin ab. Das Spiel wird an diesem Mittwoch fortgesetzt - zur Mittagszeit. Olympiakos Piräus löst derweil eines der letzten Tickets fürs Achtelfinale.

Bisher hatten die Bayern unter Guardiola vor allem damit beeindruckt, nie zufrieden zu sein. Auf ein 2:0 musste zwangsläufig irgendwann das 3:0 folgen und dann am besten noch zwei, drei weitere Treffer - bis der Gegner schließlich fachgerecht auseinandergeklaubt war. Solchen Ansprüchen wurde das sonst so gefräßige Bayern-Rudel diesmal nicht gerecht. Nach den ganzen Galas gab es nun eine gar unperfekte Darbietung.

Die Frage, ob das jetzt der Untergang des Fußballlandes ist, beantwortete Perfektionist Guardiola auf recht erstaunliche Weise: "Wir müssen lernen, dass wir nicht jedes Spiel gewinnen. Vielleicht tut uns diese Niederlage ganz gut." So bescheiden, so versöhnlich. Der FC Bayern lässt es endlich wieder menscheln.

Die erste große Pleite unter dem Katalanen verlief damit immerhin halbwegs stilvoll. Vom gekonnten Verlieren können übrigens auch die Engländer ein Lied singen.

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