Bayern-Niederlage beim FC Porto:Der Wunschgegner bereitet Albträume

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Etwas indisponiert gegen Portos Jackson Martinez: Bayern-Abwehrspieler Jérôme Boateng (links). (Foto: dpa)
  • Der FC Bayern leistet sich im Hinspiel des Champions-League-Viertelfinals drei anfängerhafte Abwehrfehler und verliert beim FC Porto 1:3.
  • Portos Treffer erzielen Quaresma (2) und Jackson Martinez. Nur Thiago trifft für die Münchner.
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Von Benedikt Warmbrunn, Porto

Manchmal reichen 90 Sekunden, um einem Fußballspiel seine Geschichte zu geben. Am Mittwochabend hatte es in Porto gerade erst angefangen zu dämmern, über dem Fluss Douro schwebten dünne Nebelwolken, und im Estádio do Dragao im Stadtteil Antas saß Xabi Alonso auf dem Hosenboden, nicht einmal 80 Sekunden waren da gespielt.

Alonso, der sonst so sichere Ballverteiler des FC Bayern, hatte den Ball vertändelt, im Fallen sah er, wie ihm Jackson, der Angreifer des FC Porto, davonrannte, wie er von Torwart Manuel Neuer gefoult wurde. Gelbe Karte, Elfmeter, nach 82 Sekunden in diesem Hinspiel im Champions-League-Viertelfinale. Ricardo Quaresma traf sicher vom Elfmeterpunkt (3.). Doch dieser frühe Rückstand war nicht das Problem des FC Bayern an diesem Abend. Das Problem des FC Bayern an diesem Abend war der FC Bayern selbst.

Um es mit Sportvorstand Matthias Sammer zu sagen: "Das haben wir verbockt." 1:3 (1:2) hat der FC Bayern am Ende verloren, hat aber beim Rückspiel am Dienstag in München weiter alle Chancen auf das Halbfinale, ein 2:0 würde ja genügen. "Das ist ein schwieriges Ergebnis", sagte Trainer Pep Guardiola, "ein kompliziertes Ergebnis - aber wir werden nicht aufgeben." Doch die Partie demonstrierte, wie anfällig das Spiel des FC Bayern in diesen entscheidenden Wochen der Saison ist.

Alonso auf dem Hosenboden, das war das Bild dafür, wie sich die Mannschaft aufgrund all der Verletzungen durch den Frühling schleppt, die einst so leichtfüßigen Pass-Automaten sind schwerfällig, ihnen fehlt die Kraft, körperlich und geistig. Versucht sie dann gegen eine Mannschaft wie den FC Porto, gegen eine geschlossene, dynamische Mannschaft also, an ihrem teilweise riskanten System festzuhalten, kann das verhängnisvoll enden. Weil dann die eigenen Füße zum größten Gegner werden. Guardiola hatte seine Elf im Vergleich zum 3:0 am Samstag auf einer Position umgestellt, der zuletzt angeschlagene Innenverteidiger Jérôme Boateng ersetzte Mitchell Weiser. Und anders als gegen Frankfurt, als nur vier Spieler auf der Ersatzbank saßen, war diese am Mittwoch komplett besetzt. Allerdings nur, weil Guardiola einen Trick anwendete: Er nominierte den jungen Ivan Lucic als zweiten Ersatztorwart.

Das Spiel ging los. Und schon saß Alonso auf dem Hosenboden. Alle Pläne, die sich Guardiola für seine letzten gesunden Spieler ausgedacht hatte: futsch.

FC Bayern in der Einzelkritik
:In Gedanken beim Seesack-Schnüren

Xabi Alonso macht mit seinem Seefahrerbärtchen eine schreckliche Figur. Dante gewinnt in der 43. Minute seinen einzigen Zweikampf - und Thiago erinnert plötzlich an Gerd Müller. Der FC Bayern in der Einzelkritik.

Von Jonas Beckenkamp, Porto

Trotz dieses frühen Schocks versuchte Bayern, sich die Sicherheit durch Ballstafetten zu holen, jeder Pass sollte die Nerven beruhigen. Aber es kam fast kein Pass an. Und so gab es auch kaum Chancen. Die erste hatte Robert Lewandowski, sein Kopfball verfehlte das Ziel (9.).

Der FC Porto, angesichts der Mitbewerber eigentlich so etwas wie ein Wunschgegner der Bayern für dieses Viertelfinale, erkannte die Schwäche des Favoriten. Zwei, drei Angreifer attackierten die Verteidiger des FC Bayern in deren Spielfeldhälfte, dahinter verdichteten sie vor allem die Mitte des Rasens, bedrängten oft zu zweit ihre Gegenspieler, ließen dort keine Lücken zu, vernachlässigten dafür die Außenbahnen. Aber ohne Franck Ribéry, ohne Arjen Robben, ohne David Alaba liegt die Stärke des FC Bayern ohnehin nicht im Flügelspiel.

Immer wieder zwangen die Gastgeber den FC Bayern mit dieser aggressiven, offensiven Verteidigung zu riskanten Pässen im Spielaufbau - und immer wieder misslangen diese. In der zehnten Minute bedrängte Ricardo Quaresma den zuletzt so ruhigen Dante, der sich einen schlimmer Patzer leistete, er unterband Dantes Pass, lief alleine auf Neuer zu, das zweite Tor. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war klar, dass dies nicht der Abend des FC Bayern sein würde. Die Spieler schleppten sich nun minutenlang über den Rasen, ihren Kombinationen fehlte die Pfiffigkeit. Bis in der 28. Minute Boateng auf die Idee kam, auf die Außenbahn zu gehen. Er flankte den Ball flach in die Mitte, dort stand Thiago Alcántara, er musste nur noch ins leere Tor schießen. So richtig jubeln wollte erst einmal niemand. Es blieb für lange Zeit die letzte nennenswerte Chance der Gäste.

"Will man ein großes Team sein, muss man solche Rückschläge wegstecken können."

Die Zuspiele wurden nun zwar schärfer, sie kamen präziser, überhaupt: Sie kamen an. Aber spätestens in der Mitte der Spielfeldhälfte des FC Porto verloren die Offensiv-Aktionen an Schwung. Stattdessen nutzte der Gastgeber jenes Stilmittel, mit dem der FC Bayern zuletzt so große Schwierigkeiten hatte: Er konterte. Eine Flanke von Alex Sandro nach einem schnellen Gegenangriff rutschte Neuer durch die Hände, der Ball prallte gegen die Latte (34.).

Stimmen zur Bayern-Niederlage
:"Wir wissen, dass wir es verbockt haben"

Karl-Heinz Rummenigge und Bayern-Trainer Pep Guardiola verteidigen nach der klaren 1:3-Niederlage in der Champions League beim FC Porto die Spieler. Für Philipp Lahm ist noch nichts verloren, Manuel Neuer findet klare Worte.

In der zweiten Halbzeit konnte sich der FC Bayern ganz seinem gewohnten Spiel widmen, die Mannschaft hatte viel Ballbesitz; auch, weil sich Porto weit zurückzog. Doch gefährlich wurden die Angriffe nicht. Zwei enge Viererketten des Gastgebers riegelten den Strafraum zu, durch sie war kein Durchkommen. Und wenn wieder ein Ball verloren war, dann konterte Porto. In der 57. Minute parierte Neuer noch geistesgegenwärtig einen Schuss auf sein Tor - den Ball bespielt hatte Boateng. Acht Minuten später aber war auch der Torwart wieder chancenlos.

Wieder hatte ein Bayern-Spieler einen Fehler gemacht, dieses Mal war es der bis dahin Boateng, der sich bei einem langen Ball verschätzt hatte. Und wieder lief ein Spieler alleine auf Neuer zu, dieses Mal Jackson, der angeschlagen ins Spiel gegangen war, das Abschlusstraining ausgelassen hatte und später sagte, er habe sich "nicht hundertprozentig fit" gefühlt. In diesem Moment aber reichten auch weniger als 100 Prozent: Jackson umkurvte Neuer, das dritte Tor - über das Guardiola danach sagte: "Wir hatten uns gerade erholt. Das hat uns mächtig zurückgeworden."

Der FC Bayern versuchte danach weiter, eine Lücke in Portos Defensive zu finden. Aber was sie auch in der Offensive versuchten, veränderte an diesem Abend nicht mehr des Geschichte dieses Fußballspiels.

Und nun? "Es hilft nicht zu lamentieren, wir müssen nach vorne schauen", befahl Kapitän Philipp Lahm. "Es ist möglich, 2:0 zu gewinnen." Solche Fehler aber dürfen sie sich nicht mehr leisten. "Wenn man eine große Mannschaft sein will", sagte Sportvorstand Sammer noch, "muss man solche Rückschläge wegstecken können." Der Dienstag wird zum Charaktertest.

© SZ vom 16.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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