Manchester City:Guardiola kopiert Stilmittel von Mourinho und Simeone

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Ungewohnt ruhiger Abend: City-Trainer Pep Guardiola kam in München ohne große Gestik und Instruktionen aus. (Foto: Heiko Becker/Reuters)

City-Trainer Pep Guardiola will unbedingt wieder die Champions League gewinnen. In München rückt er dafür sogar von seinem Ballbesitz-Dogma ab - sein Team zeigt zuweilen ein neues Gesicht.

Von Sven Haist

Als Pep Guardiola am Mittwochabend in München erstmals richtig in Erscheinung trat, war das Spiel zwischen dem FC Bayern und seinem Manchester City vorüber. Im Kabinentrakt tröstete der Trainer seinen ehemaligen City-Spieler Leroy Sané, der Tränen darüber vergoss, dass er zuvor so viele Chancen für die Bayern vergeben hatte. Bei besserer Verwertung hätten sie vermutlich ausgereicht, um das 0:3 aus dem Hinspiel aufzuholen. Guardiola legte seine rechte Hand einfühlsam um Sanés Nacken, er kann besser als viele andere nachempfinden, wie es sich anfühlt, in der Champions League auszuscheiden - nachdem er in den vergangenen sechs Jahren immer knapp daran gescheitert war, mit City erstmals den Henkelpott zu gewinnen.

Die rührende Szene mit Sané war nahezu die einzige Aktion am Mittwochabend, bei der der sonst sehr leidenschaftliche Guardiola im Rahmen seiner Rückkehr nach München, wo er zwischen 2013 und 2016 die Bayern trainiert hatte, Emotionen zeigte. Das Spielgeschehen verfolgte er zuvor nur sporadisch vom Seitenrand aus, obwohl er sonst zumeist seine Trainerzone während des gesamten Matches besetzt, um den Spielern Instruktionen zu erteilen. Diesmal saß Guardiola zurückgezogen auf der Ersatzbank. Mit seinem unterkühlten Auftritt "überlebte" er nicht nur die "vulkanische" Spielweise des FC Bayern, wie die Zeitung El País das Vorgehen der Münchner beschrieb. Sondern er löschte sie sogar.

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Anders als es seine Spielphilosophie gemeinhin vorsieht, steuerte Guardiola den Angriffen des Gegners nicht mit forciertem eigenem Ballbesitz entgegen. Sein Team schien sie stattdessen bewusst zuzulassen, indem es sich auf die Defensive fokussierte. City spielte angesichts des komfortablen Hinspiel-Polsters auf Konter, wartete geduldig auf Fehler und schlug zu, als sich die Gelegenheit bot. In der 57. Minute war es so weit, als Bayern-Verteidiger Dayot Upamecano bei einem City-Gegenzug nach einer Münchner Großchance als letzter Feldspieler ausrutschte und den Weg frei machte für das alles entscheidende 1:0 durch - natürlich - Erling Haaland (zwölftes Champions-League-Tor der Saison).

Solche wichtigen, aber stilistisch nicht unbedingt schönen Treffer habe man in den vergangenen Saisons "zu wenig" erzielt, betonte City-Kapitän Ilkay Gündogan. Man habe im Sturm ja "immer mit einer falschen Neun" gespielt, wodurch sich zwar "mehr Ballbesitz" ergab - aber in der Spitze ab und zu eine Anspielstation fehlte. Diese Option biete nun der Torjäger Haaland, erklärte Gündogan.

Obwohl die Bayern in der Schlussphase noch zum 1:1 ausglichen, geriet das Weiterkommen nie in Gefahr - weil City den Vorsprung aus dem Hinspiel mit Mitteln verwaltete, die weniger Guardiola als seinen streitbaren Trainerrivalen José Mourinho und Diego Simeone ähnlich sehen. City beging auch recht ungeniert zahlreiche taktische Fouls und stoppte bei fast jeder Gelegenheit den Spielfluss. Schon in der ersten Halbzeit erhielt Torwart Ederson wegen Zeitspiels die gelbe Karte, später ließ er sich wegen angeblicher Krämpfe behandeln. Im Interview mit BT Sport erklärte Citys Offensivallrounder Bernardo Silva erstaunlich offen, dass sein Klub "in der Champions League aus den Fehlern vieler frustrierender Abende in der Vergangenheit gelernt" habe. Man habe immer geglaubt, ein Match "90 Minuten lang" spielerisch dominieren zu müssen. Dabei gehöre es in diesem Wettbewerb dazu, manchmal nur "zu verteidigen, konsequent zu sein und hart zu arbeiten". Und sich zu wehren, wie Ilkay Gündogan im Mittelfeldzentrum eindrucksvoll vorlebte.

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Die Anleitung für das abgezockte City-Auftreten im Viertelfinale schien Guardiola - und darin liegt die Pointe der beiden Spiele gegen die Bayern - ausgerechnet seine Amtszeit in München geliefert zu haben. Zu jener Zeit verlor er dreimal in Serie auf vermeidbare Weise im Halbfinale der Königsklasse. Nun wirkte es, als ob sich Guardiola die einst jeweils mit Skepsis betrachteten Siegstrategien der damaligen Gegner (Real, Barcelona, Atlético Madrid) zu eigen machte und für seinen Plan vereinte. So erinnerten die Gegenstöße an jene Konter, mit denen die Königlichen von Real Madrid 2014 in München mit 4:0 gewannen. Im darauffolgenden Jahr übte sich das lange unterlegene Barcelona im Hinspiel in Geduld, bis sich die Guardiola-Bayern müde gespielt hatten - und sich in der Schlussphase ein 3:0 herausschießen ließ. Ungefähr auf diese Art bestritt City vor einer Woche das Hinspiel, ebenfalls erfolgreich. Und das unnachgiebige, gerissene Verteidigen sah aus wie die Abwehrlehre der Defensivprediger José Mourinho und Diego Simeone, die sich nie sonderlich um die Schönheit des Spiels scherten.

Damals wie zunächst auch jahrelang bei Manchester City wollte Guardiola gegen diese Spielweisen mit seiner Art des Fußballs angehen. Doch die vielen vergeblichen Anläufe, endlich mal wieder die Champions League zu gewinnen (nach 2009 und 2011 mit Barcelona), haben ihm offensichtlich gezeigt, dass sich elementare Grundprinzipien wie das Kontern oder das Verteidigen nicht umgehen lassen. In dieser Saison hat sie Guardiola nun für sich adaptiert. Sogar so weit, dass die gewohnte Spielweise seiner Elf gegen die Bayern kaum wiederzuerkennen war.

Im Halbfinale gegen Titelverteidiger Real wird City neben dem neuen Pragmatismus allerdings wohl auch wieder ein Stück mehr Spielkunst benötigen.

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