Bundesliga:Bayern besteht den Stresstest doch noch

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Auf dem Weg zum Leipziger 1:0 zieht Christopher Nkunku an Manuel Neuer vorbei. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Die Münchner verteidigen in einem wogenden Spektakel die Tabellenführung gegen RB Leipzig mit Mühe durch ein 3:3. Erst Müller stellt das Münchner Selbstverständnis wieder einigermaßen her.

Aus dem Stadion von Maik Rosner

Julian Nagelsmann ballte die Fäuste und schrie seine Freude heraus, auf dem Platz fanden sich seine Spieler zu einem mindestens ebenso ausgelassenen Jubel zusammen. Es waren Szenen, die es in den bisherigen vier Bundesligajahren von RB Leipzig so noch nicht gegeben hatte in der Münchner Arena. Auf keiner ihrer vier Dienstreisen zum FC Bayern war den Leipzigern ein Tor gelungen. Doch nun, in der 48. Minute, ließen sich ihre Freudenausbrüche schon das dritte Mal beobachten. Es waren Momente, in denen die Leipziger den Eindruck bestärkten, dass sie Borussia Dortmund sportlich durchaus den Rang als jahrelange deutsche Nummer zwei hinter dem FC Bayern ablaufen könnten. Sie boten dem Triple-Gewinner ein Spitzenspiel, das für diesen wie ein Stresstest auf höchstem Niveau daherkam.

Christopher Nkunku hatte Leipzig in Führung gebracht (19.), der eingewechselte Jamal Musiala (30.) und Thomas Müller drehten das Spiel (35.), ehe Justin Kluivert noch vor der Pause ausglich (36.). Und als Forsberg Leipzigs 3:2 erzielte (48.), waren nicht nur die in dieser Saison ungewohnt häufigen Münchner Defensivprobleme wie unter einem Brennglas in den Fokus geraten, sondern auch Leipzigs Aufschwung zu einem durchaus ernsthaften Kontrahenten für den FC Bayern, zumindest sportlich und punktuell. Es bedurfte eines Kopfball-Tores von Müller (75.) zum insgesamt gerechten 3:3 (2:2)-Endstand, um die Verhältnisse aus Münchner Sicht zumindest halbwegs wieder gerade zu rücken. Verteidigt war mit dem vierten Liga-Remis in Serie zwischen Bayern und Leipzig die Tabellenführung der Münchner, zwei Punkte vor RB.

"Es war nicht alles perfekt, aber man schießt nicht jedes Spiel zwei Tore. Insgesamt ist es okay und auch gut, dass wir Tabellenführer bleiben. Wir haben aktuell sicherlich auch Problemchen. Der Kader ist stark belastet, aber damit müssen wir umgehen", sagte Müller nach dem Spiel bei Sky. "Wenn man die erste Halbzeit gesehen hat, hatten wir riesige Möglichkeiten. Wir haben es ganz gut gespielt, in der Art und Weise, wie wir es machen wollten", lautete die erste Analyse von Julian Nagelsmann.

Dessen Mannschaft untermauerte das Ansinnen des Favoritensturzes, von dem der Trainer zuvor gesprochen hatte, von Beginn an. Leipzig lief die Bayern energisch an, provozierte Ballverluste und kam schon in der zweiten Minute zur ersten Großchance, als Marcel Sabitzer aus der Distanz an die Latte schoss, gefolgt von einem Scheppern, das einer akustischen Erinnerung an Hansi Flicks Auftrag gleichkam. Es gehe darum zu zeigen, "dass Champions immer da sind, wenn sie so große Spiele vor der Brust haben", hatte der Münchner Trainer gesagt. Aufgeboten hatte er dafür gleich sieben am Dienstag geschonte Leistungsträger. Nur David Alaba, Niklas Süle, Javier Martínez und Leroy Sané waren vom 1:1 bei Atlético Madrid in der Startelf verblieben.

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Auch wenn sich Flicks Mannschaft bald zumindest etwas besser auf Leipzigs Pressing einstellte und durch Kingsley Comans Schuss ans Außennetz zu ihrer ersten Chance kam, gelang es Leipzig doch immer wieder, den Münchner Aufbau entscheidend zu stören, Bälle zu erobern und im Anschluss mit Angriffen die Defensive zu stressen. Flüssig und oft mit schnellen Direktpässen kombinierten die Leipziger nach vorne, deckten dabei Freiräume auf und kamen durch zwei Schlenzer von Nkunku zu weiteren Torannäherungen. Ihrer Führung ging allerdings nicht das mutige Pressing voraus, sondern ein Konter über das gesamte Spielfeld. Müllers Pass wurde abgefangen, ehe der Sachsen-Express auf direktem Wege durchs Zentrum und im Eiltempo Richtung Münchner Tor rauschte. Forsberg steckte schließlich durch, Nkunku umkurvte den herausgestürzten Torwart Manuel Neuer und schob den Ball ins leere Tor.

Es war eine verdiente Führung und eine, die die Raserei nur noch beschleunigte. Denn die Bayern fühlten sich nun umso mehr herausgefordert. Hinzu kam, dass Javier Martínez bald nach dem Rückstand mit einer Muskelverletzung im Oberschenkel weichen musste (Hansi Flick sagte später, es "könnte Richtung Muskelfaserriss gehen"). Der 17 Jahre alte Musiala kam herein, was angesichts des Zwischenstandes in diesem Topspiel viel über Flicks Wertschätzung und Vertrauen in den englischen U21-Nationalspieler erzählte. Wie gerechtfertigt dieses ist, ließ sich nur fünf Minuten nach dem Wechsel bestaunen, als Musiala aus 18 Metern mit einem präzisen Rechtsschuss zum 1:1 traf. Es war bereits sein drittes Ligator im achten Bundesligaspiel. Und als Müller bald darauf nach Comans Zuspiel zum 2:1 traf, schien das Spiel darauf hinauszulaufen, Bayerns Ausnahmestellung in der Bundesliga zu zementieren. Fünf Punkte Distanz lagen zu diesem Zeitpunkt zwischen dem Meister und Verfolger Leipzig.

Lange hatte diese Konstellation allerdings nicht Bestand, weil Leipzig nur eine Minute später das Spektakel um eine weitere Volte anreicherte. Einen direkten Steckpass von Amadou Haidara schoss Kluivert an Neuer vorbei mit seinem ersten Pflichtspieltor für Leipzig zum 2:2-Pausenstand ein.

Die wilde Fahrt fand sofort zu Beginn der zweiten Halbzeit ihre Fortsetzung. Angeliño wurde freigespielt und flankte ziemlich ungestört, Forsberg lief ein und traf völlig freistehend mit einem Kopfball zum 2:3 aus Münchner Sicht. Es war durchaus ein Wirkungstreffer. Die Münchner mühten sich zwar, sie wirkten dabei aber nicht so überzeugt und selbstgewiss wie gewohnt. Und mit der Sorge, sich womöglich das vorentscheidende 2:4 zu fangen, fehlte ihnen auch der letzte Tordrang. Dass sie dennoch zum Ausgleich kamen, lag an jenem Spieler, der wie kein anderer für das Münchner Selbstverständnis steht: Coman flankte und der Oberbayer Müller drückte den Ball mit seiner Stirn ins Tor. Nun jubelten Flick und die Bayern ausgelassen - und auch ein bisschen erleichtert.

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