FC Bayern:Getrieben von fast grenzenloser Gier

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Treffer Nummer 33 für Robert Lewandowski. (Foto: REUTERS)

Die umgebaute Elf des FC Bayern beweist gegen Freiburg, dass sie sich in dieser Saison alles sichern will - und sei es nur eine Randnotiz in den Statistikbüchern.

Aus dem Stadion von Benedikt Warmbrunn

Thomas Müller sah die Gelegenheit, er sprintete los, ein paar Schritte, er tippte mit der Fußspitze gegen den Ball, rannte ihm hinterher. Und dann sprang er auf, drehte sich einmal um 180 Grad, so sehr ärgerte er sich. Mitte der ersten Halbzeit am Samstagnachmittag, der FC Bayern führte 2:0 gegen Freiburg, und Müller haderte, weil er zwar bei einem Freiburger Freistoß an der Mittellinie den Ball erobert hatte, dieser ihm aber ins Seitenaus gesprungen war. Diese kleine Szene reichte, um zu verstehen, warum sich der FC Bayern bereits am vergangenen Spieltag die deutsche Meisterschaft gesichert hatte und warum er auch nun, in der ersten Halbzeit am vorletzten Spieltag, kein Prozentchen an Dominanz verlor: Der FC Bayern ist in diesem Sommer getrieben von einer möglicherweise grenzenlosen Gier nach Erfolg.

Eigentlich ging es für die Münchner gegen Freiburg nur noch um ein paar statistische Details. Würde es der Mannschaft an den letzten beiden Spieltagen gelingen, die 100-Tore-Marke zu überspringen? Vielleicht sogar den historischen Rekord von 101 Saisontoren, aufgestellt von den Bayern in der Saison 1971/72? Und bis auf wie viele Tore würde Robert Lewandowski sich dem doch als unerreichbar geltenden 40-Saisontreffer-Rekord von Gerd Müller (auch aus der Saison 1971/72) annähern? Und natürlich würde es darum gehen, wie gut es der Mannschaft gelingen sollte, ihre beeindruckende Souveränität aus den vergangenen Wochen für weitere Aufgaben in diesem Sommer zu konservieren, ohne an Frische oder gar Gesundheit zu verlieren.

Spätestens als Thomas Müller also an der Mittellinie dem verpassten Ballgewinn hinterhertrauerte, da war klar, dass die Bayern nicht ein Stück nachlassen würden. Dass sie sich alles sichern wollen, und sei es nur eine Randnotiz in den Statistikbüchern.

Sven Ulreich darf sich für neue Klubs empfehlen

3:1 (3:1) gewann der FC Bayern gegen Freiburg, vor dem letzten Ligaspiel nächste Woche in Wolfsburg hat die Mannschaft 96 Tore erzielt, und weil Lewandowski doppelt traf, hat er 33 dieser 96 Tore erzielt (das andere Tor gegen Freiburg erzielte Joshua Kimmich). Die Bayern sind also weiterhin frisch, sie sind gesund, und ihre Besessenheit am Samstag war ein letzter Beweis dafür, warum die Mannschaft nun zum achten Mal in Serie die Meisterschaft gewonnen hat. "Wir wollten gierig sein, aber das sagt jede Bundesliga-Mannschaft vor dem Spiel. Wir aber leben es aktuell ganz gut", sagte Thomas Müller nach dem Spiel bei Sky. Er sagte das, obwohl es die Mannschaft in der zweiten Halbzeit dann doch etwas gemütlicher angegangen war.

Trainer Hansi Flick hatte nach dem Titelgewinn zwar betont, dass es ihm wichtig sei, dass seine Mannschaft eingespielt bleibe - am Samstag wechselte er dennoch auf fünf Positionen (Stichwort: Frische). Sven Ulreich ersetzte Torwart Manuel Neuer, Lucas Hernández den gesperrten Linksverteidiger Alphonso Davies, Javier Martínez rückte in die Innenverteidigung für den angeschlagenen David Alaba; die Flügelspieler Kingsley Coman (zunächst auf der Bank) und Serge Gnabry (Prellung) wurden vertreten von den Nachwuchskräfte Mikaël Cuisance und Sarpreet Singh.

Doch an Geradlinigkeit, an Lauffreudigkeit, an Passsicherheit verlor der FC Bayern durch diese Wechsel zunächst nichts. "Es ist einfach so, dass wir das gerne so haben wollen", sagte Flick. "Es ist schon so, dass wir den Anspruch haben, Spielfreude zu zeigen, dass wir den Anspruch haben, Tore rausspielen wollen, dass wir den Anspruch haben, Spiele zu gewinnen. Wenn du das Vertrauen in deine Stärke hast, dann ist das der eine oder andere Pluspunkt mehr im Spiel."

Flicks umgebaute Mannschaft brauchte nur ein paar Minuten, um nachzuweisen, dass sie auch in dieser Zusammensetzung eingespielt war. Ein Schuss von Singh wurde geblockt (13.), Lewandowski rutschte an einer flachen Hereingabe von Singh vorbei (14.), den Ball passten sich die Bayern da schon wieder beeindruckend souverän zu. Eine weitere Minute später führte so eine Passfolge zur Führung, Lewandowski passte im Strafraum zurück zu Joshua Kimmich, der den Ball überlegt ins Tor schob.

In der 24. Minute parierte Freiburgs Torwart Alexander Schwolow zunächst einen Schuss von Leon Goretzka, aber dann war Lewandowski zur Stelle und traf per Kopf. Auf den zwischenzeitlichen Anschlusstreffer durch Lucas Höler (33.) reagierten die Bayern, indem sie weiterhin geschmeidig kombinierten. In der 37. Minute konterten sie schnell und geradlinig, Goretzka spielte zu Hernández, und dessen Flanke vom linken Flügel spitzelte Lewandowski ins Tor.

Kurz vor der Pause vergab Müller noch zwei Gelegenheiten zum Saisontor Nummer 97, und dann hatten die Bayern offenbar das Gefühl, sich für diesen Nachmittag ausreichend verausgabt zu haben. Meister waren sie ja schon, der Sieg schien auch sicher, und für all die Rekorde bleibt ja noch das Spiel in Wolfsburg.

In der zweiten Halbzeit boten die Münchner ihrem zweiten Torwart Ulreich, der nach dieser Saison ja wahrscheinlich den Klub verlassen wird, ein paar gute Möglichkeiten, sich für andere Klubs zu empfehlen. Nach einem Freiburger Freistoß flog er kunstvoll durch seinen Strafraum, um einen Ball wegzufausten (51.). Nach einem zu kurzen Kopfball von Jérôme Boateng sprintete Ulreich raus, um den Ball wegzuschlagen (56.). Und in der Nachspielzeit lief der eingewechselte SC-Angreifer Changhoon Kwon alleine auf das Münchner Tor zu, durch Ulreich blieb cool und parierte. Für die Münchner debütierten noch die Talente Chris Richards und Jamal Musiala, dazu gab es ein paar halbherzige Angriffe auf der einen, ein paar weitere auf der anderen Seite. Ansonsten passierte nicht viel. Auch die Münchner Gier kennt eben doch ihre Grenzen.

© SZ vom 21.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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