Bayer Leverkusen:Aufpasser für Roger Schmidt

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Bitte verlassen Sie den Rasen: Beim 0:3 gegen Hoffenheim wird Roger Schmidt von Schiedsrichter Bastian Dankert auf die Tribüne geschickt. (Foto: imago/Sven Simon)

Ungewöhnliche Personalie: Leverkusens Roger Schmidt hat jetzt einen persönlichen Begleiter - der soll helfen, den bisweilen aufbrausenden Trainer zu professionalisieren.

Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Den Chefcoach Roger Schmidt gibt es in mehreren Ausführungen. Die unterschiedlichen Varianten derselben Person lassen sich grob nach zwei Voraussetzungen einteilen: Es gibt den Roger Schmidt, der ein Spiel verloren hat. Und den Roger Schmidt, der das Spiel gewonnen hat. Der Spielgewinner kann heiter und charmant sein, der Spielverlierer das Gegenteil.

Das ist im Grunde nichts Besonderes für Fußballtrainer, deren Befinden oft vom Auftreten und vom Erfolg ihrer Mannschaft abhängen, doch so einfach ist die Sache bei Schmidt nicht. Sein Fall ist nach den Erfahrungen der Verantwortlichen bei Bayer Leverkusen viel komplizierter als bei herkömmlichen Exemplaren seines Berufsstandes - weil die Gegensätze zwischen Gut und Böse bei ihm so empfindlich nah beieinander liegen.

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In vertraulichen und erstaunlicherweise gar nicht so vertraulichen Gesprächen erzählen die unterschiedlichsten Offiziellen von Bayer 04 Dinge über Schmidt, die ziemlich alarmierend klingen. Zum Beispiel, dass er stur und unbelehrbar sei, dass man ihn für überheblich und arrogant halten könne, oder dass er in Kontroversen aufbrausend und unangenehm werde. Sportchef Rudi Völler hat auf seine Weise dazu das Passende gesagt: "Er hat seine Macken und ist nicht immer pflegeleicht", hat er eingeräumt, um hinzuzufügen: "Aber das eine ist auch klar: Er ist ein erstklassiger Trainer, er macht es richtig gut."

Diese Aussagen sind ungefähr zehn Monate alt und wurden mit dem Versprechen versehen, dass man sich hausintern um Besserung bemühen und dem Trainer mit pädagogischer Fürsorge beistehen werde.

Als sich aber vor der Winterpause die Auseinandersetzungen um den schwierigen Mann wieder mal krisenhaft zuspitzten, suchten sie andere Lösungen. Bis die Idee geboren wurde, Jörn Wolf zu engagieren. Dieser trägt amtlicherseits den Titel "Koordinator Trainer- und Funktionsteam", aber es kursieren noch viele andere Titel bei Bayer 04: Man nennt Wolf "Kommunikator", beschreibt ihn als "Puffer zwischen den Fronten", als "Gute-Laune-Bär" und als "Bindeglied" zwischen Team, Betreuer-Stab und Klub-Management, und auch der ironische Begriff "Friedenswächter" wird für passend gehalten. Doch nur Schmidt selbst bezeichnet den neuen Mitarbeiter als "Aufpasser" des Cheftrainers. Was ebenfalls ironisch, aber auch ein kleines bisschen ernst gemeint ist.

Im Wesentlichen fungiere Wolf jedoch als "Kümmerer" und als "Organisator" im großen Räderwerk der Profiabteilung, sagt Schmidt: "Die Funktionsteams sind mittlerweile sehr groß, alle wollen sich einbringen, alle suchen den direkten Kontakt zum Cheftrainer." Wolf, der zuvor 13 Jahre als Medienchef beim Hamburger SV gearbeitet hat und somit als promovierter und habilitierter Kenner des Krisenmanagements gelten darf, soll Schmidt die Last der täglichen Kommunikation abnehmen, er soll verhindern, dass aus kleinen Problemen große Probleme werden, und er soll dem Coach die Freiheit verschaffen, sich wieder auf die Kernelemente seines Jobs zu konzentrieren. "Schmidt vor sich selbst schützen? Das trifft es ganz gut", sagte Völler, als sich das Fachmagazin kicker nach dem Sinn der Sache erkundigte.

Mit einem Berater im üblichen Sinn ist die Position nicht zu verwechseln. Jörn Wolf ist nicht auf die Rolle des persönlichen Referenten oder PR-Experten beschränkt, und er ist auch nicht dazu da, die persönliche Karriere seines Nebenmanns zu befördern. Erleichtert wird seine Tätigkeit dadurch, dass die Beiden seit zweieinhalb Jahren befreundet sind, nachdem sie sich im Urlaub über den Weg gelaufen waren.

Zumindest sportlich ist der Einstieg gelungen

Aufpasser für den Cheftrainer: Jörn Wolf ist eine der wichtigsten Leverkusener Personalien des Winters. (Foto: imago/Jan Huebner)

Bei Bayer 04 hat man mit Unverständnis im Publikum gerechnet, als Wolf während der Winterpause sein in der Liga beispielloses Engagement antrat. "Diese Maßnahme ist vielleicht ungewöhnlich, aber Roger ist auch ein ungewöhnlicher Typ, der seine speziellen Stärken hat", erklärt Jonas Boldt, der Manager, "ich glaube, dass sich die Beziehung zwischen Bayer 04 und Schmidt weiter entwickeln kann."

Sportlich ist der Einstieg gelungen. Das erste Spiel nach der Winterpause brachte ein 3:1 gegen Hertha BSC - prompt präsentierte sich Schmidt von seiner heiteren Seite. Boldts Äußerung über die Beziehungsperspektive, die nach mehr als zweieinhalb Jahren Zusammenarbeit zunächst mal erstaunlich klingt, gibt das Ziel des Manövers zu erkennen: Völler, Boldt und Geschäftsführer Michael Schade sind mit aller Gewalt entschlossen, möglichst lang das Bleiben des widersprüchlichen Spezialisten Schmidt zu sichern. Einerseits handelt es sich also um ein beachtliches Bekenntnis zum Trainer, der schon einige sportliche Krisen hat überstehen müssen; andererseits um den schon etwas verzweifelt anmutenden Versuch, Entwicklungshilfe zu leisten. Schmidt soll lernen, sich helfen zu lassen.

Wer am Ende auf die Idee kam, Wolf für die Aufgabe zu gewinnen, darüber gibt es verschiedene Theorien. Jonas Boldt versichert, dass Schmidt selbst den Vorschlag gemacht habe. Das könnte aber auch ein psychologischer Trick sein. Vielleicht soll er ja bloß glauben, dass er so schlau war, den Kunstgriff zu erfinden.

© SZ vom 26.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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