Basketballer Johannes Strasser:In der Fremde zum Glück

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Dass die Bayern-Basketballer gegen Quakenbrück in der ersten Playoff-Runde vor dem Aus stehen, hätten viele nicht gedacht. Vor Spiel vier rückt bei den Norddeutschen ausgerechnet Johannes Strasser in den Mittelpunkt - dabei verließ der gebürtige Dachauer einst München wegen mangelnder Perspektiven.

Joachim Mölter

Auf Johannes Strasser kommt an diesem Dienstag vermutlich wieder mehr Arbeit zu als üblich, einer seiner Kollegen ist angeschlagen, und Strasser muss eventuell einspringen. Ist nicht schlimm, es sind ja keine Überstunden, die sein Vorgesetzter verlangt, eher Überminuten. Johannes Strasser ist Basketball-Profi, in dieser Branche wird die Arbeitszeit in Minuten abgerechnet, und je mehr einer ableisten darf, desto besser.

Johannes Strasser gegen Bayerns Chevon Troutman (li.): Die Münchner stehen gegen Quakenbrück vor dem Aus. (Foto: imago sportfotodienst)

An der Einsatzzeit lesen die Spieler ja ihre Bedeutung fürs Team ab und bemessen die Wertschätzung durch den Trainer. Strasser kann sich diesbezüglich nicht beklagen: In dieser Bundesliga-Saison steht er länger auf dem Feld als je zuvor, im Schnitt 23 Minuten und 24 Sekunden - mehr als die Hälfte einer Partie.

Am vorigen Samstag war es sogar noch mehr, da vertrat der gebürtige Dachauer bei den Artland Dragons aus Quakenbrück im Wechsel mit dem Kollegen Bryan Bailey den gesperrten Spielmacher David Holston. Strasser hat nicht viel falsch gemacht, die Dragons gewannen gegen den FC Bayern München 83:67 und führen in der Best-of-five-Serie des Playoff-Viertelfinales nun mit 2:1 Siegen. In der vierten Partie am Dienstag (19.15 Uhr/ Sport 1) in München darf Holston zwar wieder mitmachen, doch nun ist Baileys Einsatz fraglich - er hat sich einen Finger ausgekugelt.

Also hält sich Strasser bereit, auf die leitende Position bei den Dragons zurückzukehren. "Ich habe neun Jahre in der Bundesliga auf der Eins gespielt", auf der Position des Spielmachers also, sagt er. Weil Artland in Holston und Bailey mittlerweile aber über zwei sehr gute Aufbauspieler verfügt, ist der 1,89 Meter große Strasser auf die Position zwei gerückt, die des Shooting Guards, der eher werfen soll, als die Bälle zu verteilen. "Da fühle ich mich mittlerweile genauso wohl, wenn nicht sogar wohler", sagt er.

Der 29-Jährige hat das Basketballspielen beim TSV Dachau gelernt, mit 16 zog er weg, "weil es hier keine Perspektive gab". Erst- oder Zweitligisten suchte man Ende der neunziger Jahre im Großraum München jedenfalls vergebens, Strasser hatte aber bereits "das Ziel, Basketball zu meinem Beruf zu machen". In Rhöndorf bei Bonn kam er in einem Nachwuchsprogramm unter, er machte dort das Abitur und gleichzeitig die Ausbildung zum Basketball-Profi.

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Seine erste Anstellung bekam er dann bei Rhein-Energie Köln, einem Klub, der 2001 per Wildcard in die Bundesliga aufgenommen wurde. Insofern kennt sich Strasser aus mit einem Basketball-Projekt in der Großstadt, das mit viel Geld und öffentlichem Interesse angeschoben wird, ähnlich dem des FC Bayern.

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"Da ist eine neue Mannschaft aus dem Boden gestampft worden und hatte gleich sehr viel Druck, Ergebnisse zu liefern", erinnert sich Strasser an seine Kölner Zeit, die ihm immerhin einen Meistertitel (2006) bescherte, aber auch die Erkenntnis: "Für ein Talent waren nicht so die Chancen da, gefördert zu werden."

Mit seiner sportlichen Entwicklung ging es erst deutlich voran, als er 2007 nach Bonn wechselte, zum Trainer Michael Koch. Seit zwei Jahren spielt er nun in Quakenbrück unter dessen Bruder Stefan. "Die Minuten haben über die Jahre hinweg zugenommen", sagt Strasser über seine Einsätze: "Ich habe den Koch-Brüdern viel zu verdanken."

Die Entwicklung seines Sports in München verfolgt er interessiert. "Ich habe schon früher gedacht, dass Basketball hier neben Fußball funktionieren kann", sagt er. Aber so gut er es auch findet, "dass hier was vorangeht": Eine dauerhafte Rückkehr kann er sich nicht vorstellen, und bei seiner kurzzeitigen am Dienstag will er natürlich mithelfen, das Projekt FC Bayern vorerst zu stoppen.

Es wird eine brisante Partie, die Atmosphäre ist aufgeheizt zwischen den Teams wegen einer umstrittenen Aktion vom vorigen Dienstag, bei der Bayern-Kapitän Steffen Hamann (1,94 Meter) zu Boden ging und David Holston (1,70 Meter) als böser Bube der Halle verwiesen und für ein Spiel gesperrt wurde. Hinzu kommt, dass das Team von Trainer Dirk Bauermann unter sehr viel Druck steht, ein Ergebnis zu liefern, einen Sieg - sonst ist die Saison für den ambitionierten Aufsteiger vorbei. Johannes Strasser erwartet "eine gute, laute, intensive Stimmung, wie es sich für die Playoffs gehört". Er sagt: "Ich mag das - auch wenn die Fans gegen einen sind."

© SZ vom 15.5.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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