Geschichte des deutschen Basketballs:Dem Kleinbus entwachsen

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Es gab auch dunklere Zeiten: 2015 scheiterte das deutsche Team unter Chris Fleming (vorne) und Henrik Rödl (hinten links) in der EM-Vorrunde - trotz eines mit Dennis Schröder, Tibor Pleiß, Niels Giffey und Dirk Nowitzki (v.l.) überaus prominent besetzten Kaders. (Foto: imago sportfotodienst; Imago/imago/Camera 4)

Die deutschen Basketballer haben im vergangenen Jahrzehnt eine atemraubende Entwicklung genommen. Der Höhepunkt ist für Olympia im kommenden Jahr geplant.

Von Ralf Tögel

Vielleicht hilft ein Blick zurück bei der Einordnung dieser Mannschaft: Europameisterschaft in Ljubljana, Slowenien, vor ziemlich genau zehn Jahren. Die deutsche Basketball-Nationalmannschaft schlägt den späteren Europameister Frankreich um den viermaligen NBA-Champion Tony Parker sensationell und hinterlässt zu bester Primetime in der ARD große Hoffnung auf ein erfolgreiches Turnier. Nach den eher mauen Ergebnissen bei vorausgegangenen Großturnieren war dieses 80:74 Balsam auf die geschundenen Basketballer-Seelen. Für weitere Highlights im Fernsehen wurden sogar die Anwurfzeiten angepasst, um möglichst viele Zuschauer in Deutschland zu begeistern. Es kam dann bekanntlich anders. Das deutsche Team verlor gegen Belgien (73:77, immerhin erst nach Verlängerung), die Ukraine (83:88) und Großbritannien (74:81), bis heute allesamt nicht als Basketball-Großmächte in Erscheinung getreten, und musste vorzeitig heimreisen. Die Auswahl des Deutschen Basketball Bundes (DBB) landete letztlich auf Rang 17, hinter England und Schweden.

Was aber hängenblieb bei diesem aus deutscher Sicht desaströsen Auftritt war Mannschaftskapitän Heiko Schaffartzik. Der war nicht nur durch rotzige Ansagen auffällig geworden, er fiel in einer Auszeit seinem Trainer Frank Menz ins Wort, der sich vor den Augen der Nation nichts zu entgegnen traute. Menz war vom Nachwuchstrainer auf den Chefsessel befördert worden, den er recht bald nach dem Turnier räumen musste. So blieb der Eindruck, dass bei den deutschen Spielern die Klappe größer war als ihre Basketballkunst.

Frank Menz mit dem aktuellen Trainer Gordon Herbert zu vergleichen, wäre höchst unfair, die Vorzeichen sind zu unterschiedlich. Der Kanadier hat ja gerade bei der WM in Manila ein anderes Krisenmanagement an den Tag gelegt als weiland Menz. Auch Herbert geriet in einer Auszeit mit seinem Kapitän Dennis Schröder aneinander, ließ seinen Anführer kurzerhand auf der Bank schmoren, bis sich dessen Emotionen abgekühlt hatten. Danach wurde der Zwist intern geklärt, niemand beschädigt, Trainer wie Kapitän sitzen fester denn je im Sattel.

Da war die Welt noch in Ordnung: Heiko Schaffartzik (rechts) beim EM-Sieg 2013 gegen Frankreich und Tony Parker. (Foto: Sportfotodienst Imago/Imago)

Es ist viel passiert im deutschen Basketball in diesem vergangenen Jahrzehnt, das ja so holprig begonnen hat. Menz jedenfalls wurde von Emir Mutapcic beerbt, der mit einem befristeten Vertrag ausgestattet immerhin die Qualifikation zur Europameisterschaft 2015 realisierte. Da hatte der damalige Bamberger Erfolgscoach Chris Fleming übernommen, der trotz der Rückkehr eines gewissen Dirk Nowitzki in die DBB-Auswahl und mit den beiden NBA-Spielern Dennis Schröder und Tibor Pleiß bereits in der Vorrunde in Berlin scheiterte. Jener von mäßigen TV-Quoten flankierte Misserfolg war im Übrigen die Initialzündung für den Entschluss der Öffentlich-Rechtlichen, fortan die Finger vom Basketball zu lassen.

Das Potenzial von Spielmacher Schröder, der sich bereits in der NBA durchgesetzt hatte, war indes zu erkennen. Zwei Jahre später bei der EM 2017 bestätigte der ehemalige Braunschweiger als Anführer der jüngsten Mannschaft des Turniers diesen positiven Eindruck und führte das Team ins Viertelfinale, in dem sich die Spanier allerdings als zu stark erwiesen. Bei der WM 2019 folgte der bis dato letzte Tiefpunkt einer DBB-Auswahl, als das hoch eingeschätzte Team um Schröder überraschend in der Gruppenphase scheiterte. Damals allerdings gab es atmosphärische Störungen zwischen den beiden Führungsspielern Schröder und Maxi Kleber, Schröder wurde nach dem Ausscheiden Egoismus vorgeworfen, er hatte sich über fehlenden Rückhalt beklagt. Der 29-Jährige hat es weggesteckt und kam gereift zurück.

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Unter Fleming-Nachfolger Henrik Rödl wurde die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio 2020 realisiert, wobei sich in Isaac Bonga ein weiterer Hochbegabter aus Übersee in den Fokus spielte. Bei Olympia in Japan kam gegen Slowenien um Super-Guard Luka Doncic noch das Aus im Viertelfinale, allerdings ohne Schröder, der wegen laufender Vertragsverhandlungen in der NBA und versicherungstechnischen Gründen pausieren musste. War Schröder in Japan nur als Fan dabei, führte er bei der Heim-EM im vergangenen Jahr in Köln und Berlin sein Team wieder auf dem Parkett zu Bronze.

Dies bereits unter Trainer Herbert, weil sich der DBB entschlossen hatte, den Vertrag mit Rödl trotz des starken Olympia-Turniers nicht zu verlängern. Eine nicht von allen goutierte Entscheidung, die sich allerdings als goldrichtig erwiesen hat. Herbert entwickelte einen Dreijahresplan, dem sich alle Spieler verpflichteten. Und dem mit einigem Getöse im Vorfeld der WM Maxi Kleber zum Opfer fiel. Der Flügelspieler verzichtete nach harscher Kritik von Schröder auf eine Teilnahme. Herbert hat sich zu Schröder bekannt und so diese eingeschworene Gemeinschaft begründet, die er an der langen Leine, aber mit natürlicher Autorität so erfolgreich führt.

Eine große Rolle für den aktuellen Erfolg sind der Basketball-Bundesliga (BBL) und der Euroleague zuzugestehen. Die BBL hat in den vergangenen Jahren ihre Strukturen wirkungsvoll professionalisiert, mit der 6+6-Regel, die sechs deutsche Spieler im Kader verlangt, deutsche Spieler in den Fokus gerückt und deren Entwicklung wirksam gefördert. Die Zeiten wie noch vor zehn Jahren, als Mannschaften aus ehemaligen Schul-AGs entstanden und mit zwei Kleinbussen zum Bundesliga-Duell vorstellig wurden, sind vorbei. Mittlerweile spielen deutsche Klubs tragende Rollen in Europa, Alba Berlin und der FC Bayern zählen seit Jahren zur kontinentalen Königsklasse, der FCB hat bereits gut hörbar an der Euroleague-Endrunde angeklopft - und die Telekom Baskets Bonn haben die Champions League gewonnen. Andreas Obst, Maodo Lo, Johannes Thiemann, Niels Giffey oder Johannes Voigtmann spielen kontinuierlich auf diesem exponierten europäischen Niveau und offenbaren nun in Manila, dass der Abstand zur NBA deutlich geschrumpft ist.

Der Höhepunkt von Herberts Dreijahresplan im Übrigen ist für 2024 geplant - dann bei den Olympischen Spielen in Paris.

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