Start der Basketball-WM:Deutsche Basketballer sorgen für Stille in Okinawa

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Franz Wagner (links) spielte erst stark gegen Japan, dann verletzte er sich. (Foto: Yuichi Yamazaki/AFP)

Das Basketball-Nationalteam untermauert zum WM-Start beim 81:63 gegen Gastgeber Japan die hohen Ansprüche - Sorgen bereitet aber Franz Wagner, der verletzt vom Feld muss.

Von Ralf Tögel, Okinawa

Zwischenzeitlich war es bedenklich still in der Arena zu Okinawa, dabei hatte Dennis Schröder am Vorabend noch vor "den 18 000 Zuschauern" in der schicken Halle gewarnt, einen "Dogfight" hatte der Kapitän der deutschen Basketball-Nationalmannschaft erwartet, einen harten Kampf also gegen den Co-Gastgeber Japan. Ganz so viele Menschen passen zwar nicht in die 10 000 Zuschauer fassende Spielstätte, aber selbst die 6937, die zum ersten Spiel ihrer Mannschaft gekommen waren, feuerten die Japaner unermüdlich an.

Aber zu einem Kampf auf Augenhöhe ließ es die Auswahl von Trainer Gordon Herbert auch ohne die Hilfe von Bastian Schweinsteiger erst gar nicht kommen. Der Fußball-Weltmeister hatte in den sozialen Medien kurz vor Spielbeginn scherzhaft seine Unterstützung angeboten, Deutschland gewann die Partie nach einer konzentrierten und phasenweise starken Leistung dennoch mit 81:63 Punkten und hat damit den erhofften Einstieg in diese Basketball-Weltmeisterschaft in Japan, Indonesien und den Philippinen souverän geschafft.

In den beiden vergangenen Turnieren war jeweils nach der Vorrunde Schluss, es gab dennoch einen dicken Wermutstropfen beim gelungenen Auftakt: Franz Wagner knickte im Schlussabschnitt um, blieb auf der Bank und entschwand wortlos in die Kabine. Eine MRT-Untersuchung werde genaueren Aufschluss bringen, erklärte Trainer Gordon Herbert hernach mit steinernem Gesicht, der NBA-Profi der Orlando Magic ist neben Schröder der Schlüsselspieler in seinem System. Gegen die Japaner war im Reboundspiel die Überlegenheit der Gäste besonders auffällig, gleichwohl war das deutsche Team den körperlich unterlegenen Gastgebern auch in allen anderen Belangen weit voraus.

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Der erste Stresstest auf der japanischen Ferieninsel brachte neben den beiden Punkten auch ein paar weitere Erkenntnisse. Zum einen bringen Isaac Bonga und Moritz Wagner viel Qualität ins Team, beide waren bei der EM verletzt: "Mo hat ein großes Spiel gemacht offensiv", befand Herbert, der Turnierstart jedenfalls ist gelungen. Und: Die hohen Erwartungen, die Trainer und Mannschaft an sich selbst haben, sind keineswegs übertrieben.

Das erste Spiel in so einem Weltturnier ist ja immer eine heikle Angelegenheit, zumal gegen einen ambitionierten und heißen Gastgeber. Zwar musste Japan in Rui Hachimura auf seinen besten Spieler verzichten, der wie viele anderen Topakteure nach einer langen NBA-Saison nicht in bester körperlicher Verfassung war und auf die Heim-WM verzichtete, um sich auf die bevorstehende Saison bei den Los Angeles Lakers zu konzentrieren. Aber das japanische Team hat in Flügelspieler Yuta Watanabe, der mit 20 Punkten bester Japaner war, einen weiteren NBA-Akteur (Phoenix Suns) im Team und erzielte in der Vorbereitung durchaus gute Ergebnisse - der Heimvorteil ist ohnehin stets eine unbekannte Größe.

Fokussiert und cool: Nicht einmal ein Raketenalarm kann die Spieler aus der Ruhe bringen

Doch die deutsche Auswahl stellte schnell klar, wer die Halle als Sieger verlassen wird. Ein Konter von Daniel Theis, ein Block von Schröder, zwei verwandelte Freiwürfe vom Kapitän und eine feine Einzelleistung von Franz Wagner brachten die schnelle 6:2-Führung. Zwar trieben die Heimzuschauer ihr Team unermüdlich an, jede gelungene Aktion wurde frenetisch bejubelt, aber die deutliche Überlegenheit des Gegners dämpfte die Euphorie schnell. Als dann auch noch Moritz Wagner viel Wucht von der Bank brachte, wuchs der Vorsprung schon nach dem ersten Viertel in den zweistelligen Bereich (23:11), zur Pause lagen die Deutschen mit 43:21 Punkten komfortabel vorne.

Auch nach dem Wechsel hielt das DBB-Team das Tempo hoch, verteidigte aufmerksam und setzte immer wieder Glanzpunkte: mächtige Dunks von Theis oder Isaac Bonga, feine Finten und raffinierte Abschlüsse von Franz Wagner, unwiderstehliche Dribblings von Bruder Moritz zum Korb. Zwar wollten sich die Gastgeber zu keiner Zeit geschlagen geben, die Partie aber war zur Pause entschieden. Wodurch Trainer Herbert die Möglichkeit hatte, die Spielanteile auf alle Schultern zu verteilen, jeder Akteur kam zum Einsatz und der Coach gönnte seinem Kapitän und Antreiber Schröder großzügige Pausen. Bester Werfer war Moritz Wagner mit 25 Punkten, zudem punkteten Schröder (14), Theis (13) und Franz Wagner (10) zweistellig.

Wenn die Mannschaft weiter so fokussiert und cool bleibt, kann es weit gehen in diesem WM-Turnier. Nicht einmal ein Raketenalarm hatte die Spieler aus der Ruhe bringen können, als in der Nacht zum Donnerstag aus Nordkorea eine Rakete über die Insel hinweg Richtung Pazifik geflogen war. Gegen vier Uhr am Morgen war deshalb auf alle Handys, die im örtlichen Netz eingewählt waren, ein schriller Warnton nebst der Aufforderung, schnell einen Schutzraum aufzusuchen, gesendet worden. Den bekamen nicht einmal alle Spieler mit, wie Moritz Wagner und Andreas Obst am folgenden Tag zugaben.

Im ersten Spiel der Gruppe E standen sich zuvor Australien und Finnland gegenüber, wobei sich die favorisierten Profis von Down Under in der ersten Halbzeit bei ihrem 98:72-Sieg schwertaten. Australien versammelt neun NBA-Profis in seinem Kader und zählt schon deshalb zum Kreis der Medaillenanwärter, keine andere Mannschaft hat bei dieser WM so viele Akteure aus der weltbesten Liga in seinen Reihen. Außer den USA natürlich, deren Auswahl sich wenig überraschend ausschließlich aus NBA-Spielern rekrutiert. Im finnischen Team war einmal mehr Lauri Markkanen auffälligster Akteur, aber auch die 19 Punkte des 2,13-Riesen der Utah Jazz onnte die letztlich sehr deutliche 72:89-Niederlage nicht verhindern. Die Australier haben damit ihren Mitfavoritenstatus untermauert, daher dürfte es im zweiten Spiel der deutschen Mannschaft am Sonntag (10.30 Uhr deutscher Zeit) gegen Australien bereits um den Gruppensieg gehen.

Dann ist eine ungleich schwerere Aufgabe zu erwarten, zumal der Ausfall von Franz Wagner droht. Immerhin weiß der Trainer für den Notfall ja noch Schweinsteiger in der Hinterhand.

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