Basketball:Über dem Limit

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Wer lässt die Muskeln spielen? Den zweiten Vergleich gewannen Ben Lammers (re.) und Alba Berlin klar, nun sinnen die Bayern um Center Jalen Reynolds (beim Dunking) auf Revanche. (Foto: Tilo Wiedensohler/Camera4/Imago)

Im deutschen Euroleague-Duell zwischen dem FC Bayern und Alba Berlin treffen zwei angeschlagene Teams aufeinander. Derzeit sieht es für die Münchner personell wieder etwas besser aus.

Von Ralf Tögel, München

Da kann man schon mal den Überblick verlieren, findet Marco Baldi: "Wenn es gegen den FC Bayern geht, weiß ich manchmal gar nicht mehr, ist es jetzt Bundesliga oder Euroleague?" Ein Scherz des Geschäftsführers von Alba Berlin, natürlich, bei dem aber Sarkasmus mitschwingt. Denn der Spielplan der beiden deutschen Schwergewichte, die außer in der Basketball-Bundesliga (BBL) auch in der europäischen Eliteklasse zu Werke gehen, führt beide Teams bereits in dieser Phase der Saison an die Grenzen ihrer Kräfte. Für die Berliner Momentaufnahme findet Baldi ein einziges Wort: "Katastrophe."

Beim Bundesliga-Sieg in Göttingen am Dienstag erlitt Albas Spielmacher Jayson Granger einen Bruch des Mittelhandknochens, er fällt mehrere Wochen aus. Der nächste Nackenschlag, sagt Baldi, der für die Euroleague-Partie am Freitagabend in München (20.30 Uhr, Magenta Sport) auch Peyton Siva und Niels Giffey als verletzt meldet. Damit muss Trainer Aito Garcia Reneses auf drei prägende Spieler verzichten, ein Zustand, der sich schon über die gesamte Saison dehnt. Der Coach klagt, dass sein Personal allein mit Spielen und Reisen derart ausgelastet sei, dass für Training kaum Zeit bleibe. Man schleppe sich von Spiel zu Spiel, angesichts eines Terminplans, der die Mannschaften im Drei-Tages-Rhythmus fordert - phasenweise sogar noch häufiger.

"Wir müssen diese Periode nur irgendwie überstehen", sagt Trainer Trinchieri

Sein Kollege Andrea Trinchieri stimmt vollumfänglich zu, die Bayern befinden sich gerade in einer Phase von sechs Spielen innerhalb von zwölf Tagen: "Jedes Spiel ist hart für uns in diesem Moment, wir müssen diese Periode nur irgendwie überstehen." Der Coach des FC Bayern bekam in jüngerer Vergangenheit gerade mal zehn gesunde Akteure auf die Bank und korrespondierte bisweilen mehr mit der medizinischen Abteilung als mit den Spielern. Den Euroleague-Trip nach Moskau in der vergangenen Woche mit den schwer erkämpften Siege bei Khimki und ZSKA, bezahlten die Münchner mit der überraschenden Heimniederlage gegen Crailsheim in der Bundesliga.

Auch am Mittwochabend mühten sich die Münchner, diesmal zum 74:70-Erfolg in Würzburg, obwohl in Vladimir Lucic, Paul Zipser, Wade Baldwin drei Leistungsträger nach mehr oder minder langen Verletzungspausen ins Team zurückkehrten. Kapitän Nihad Djedovic hatte bereits gegen Crailsheim ein fünfminütiges Comeback gegeben und wurde erneut sehr sparsam eingesetzt. Eine sofortige Besserung im Spiel muss das nicht nach sich ziehen, erklärte Lucic: "Ich glaube, dass das Team mit meiner und Nihads Rückkehr etwas den Rhythmus verlor." Natürlich hatten die Bayern mehr Qualität im Kader als die Unterfranken, umso deutlicher trat zutage, wie müde Beine und Köpfe der Spieler waren. Ganz abgesehen von schwindender Feinabstimmung wegen ständiger Ausfälle, was im Normalfall in vielen Trainingseinheiten geschliffen wird. Auch die üblicherweise angestachelten und ausgeruhten Gegner machen derlei Spiele nicht einfacher, wie Lucic erklärt: "Jedes Team in der BBL ist gegen uns sehr motiviert, sie spielen in bester Verfassung."

Die Bayern stehen vor dem Einzug in die Playoffs, dafür müssen sie aber Spiele wie gegen Berlin gewinnen

All das trifft selbstredend auch auf die Berliner zu. Alba hat in der Bundesliga dennoch erst einmal verloren, der FC Bayern schon dreimal, in der Euroleague sieht es anders aus. Nie zuvor war eine deutsche Mannschaft aussichtsreicher notiert als der aktuelle Tabellenfünfte aus München. Und vieles deutet darauf hin, dass es dem gelingt, als erstes deutsches Team in die Playoffs der besten Acht einzuziehen. Wovon auch Konkurrent Baldi überzeugt ist: "Aber dazu müssen sie Spiele wie das am Freitag gegen uns gewinnen." Alba ist 16. im Achtzehnerfeld, fünf Siege fehlen momentan zur Endrunde, die Playoff-Chancen sind realistisch betrachtet nur noch theoretischer Natur.

Eine Momentaufnahme, wie der Blick in die europäischen Topligen zeigt. Auch Spitzenteams wie Fenerbahce Istanbul, Mailand, Barcelona oder Athen stecken immer wieder Niederlagen gegen qualitativ und personell schlechter gestellte nationale Kontrahenten ein. In der Euroleague ist das Ranking eng wie nie, noch haben zwölf, dreizehn Teams Hoffnungen aufs Weiterkommen.

Am Freitagabend muss FC-Bayern-Trainer Trinchieri auf Spielmacher Zan Mark Sisko und Robin Amaize verzichten, weiß aber angesichts des personellen Engpasses beim Gegner mehr Qualität in seinem Team - vor allem auf den Ausländer-Positionen. In Jalen Reynolds kehrt einer der besten europäischen Center in den Kader zurück, der wurde gegen Würzburg geschont und durfte Kräfte sammeln.

Maodo Lo, der in der vergangenen Saison noch in München unter Vertrag stand und nun das Berliner Spiel gestaltet, erwartet eine "wahnsinnig schwierige Aufgabe gegen einen richtig guten Gegner". Der Nationalspieler sagt aber auch, dass man "mit viel Intensität und einer Top-Leistung" zu überraschen gedenke. Vorjahreskollege Lucic wurde nach der mäßigen Leistung von Würzburg gefragt, ob er für Berlin bereit sei. Sein Grinsen war Antwort genug: "Keine Angst, das sind wir."

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