Basketball:Tritt in den Allerwertesten

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Regel Nummer eins: So darf man sich nicht präsentieren. Es gibt Redebedarf mit Vladimir Lucic, Darrun Hilliard und Leon Radosevic (v.l.). (Foto: Jörn Wolter /Imago)

Die Basketballer des FC Bayern München kassieren im Bundesliga-Spitzenspiel in Bonn die höchste Saisonniederlage.

Von Ralf Tögel

Natürlich gab es ein paar gute Erklärungen für das Geschehen am Dienstagabend im Telekom Dome in Bonn. Dort waren die Basketballer des FC Bayern im Topspiel der Basketball-Bundesliga (BBL) unterlegen, der Primus verlor beim ersten Verfolger. Die Münchner hatten zuletzt in Euroleague und BBL vier Spiele in den vergangenen sieben Tagen zu absolvieren - Bonn, das nicht im internationalen Geschäft tätig ist, kam auf zwei. Auch das Coronavirus hatte wieder eine Schneise in die Reihen der Münchner geschlagen, unter anderem fehlte Cheftrainer Andrea Trinchieri. Unter solchen Umständen kann man schon mal bei einem Spitzenteam verlieren, da stimmte auch Münchens Geschäftsführer Marko Pesic zu. Aber so?

"Es gibt ein paar Regeln, die zu beachten sind. Die erste ist, dass man sich nicht so vorführen lässt", stellte Pesic apodiktisch fest und kündigte Redebedarf an. Er werde nebst Sportdirektor Daniele Baiesi in der Kabine vorstellig werden, was ansonsten nicht zu seinen regelmäßigen Gepflogenheiten zählt. Denn sein Team wurde in der Tat gedemütigt vor 3600 bestens gelaunten Zuschauern in der ausverkauften Halle und verlor indiskutabel hoch mit 61:96 Punkten. Eine solche Packung haben die Münchner bisher nicht einmal in der Euroleague kassiert, und da heißen die Gegner Barcelona, Madrid oder Mailand. Zur Halbzeit lag das trotz aller Ausfälle immer noch hochkarätig besetzte Ensemble 27:48 hinten, nach der Pause blieb das oft gezeigte Aufbäumen aus. "Wir haben der Bonner Aggressivität nichts entgegensetzen können, so wurde es von Viertel zu Viertel immer schlimmer. Das war nicht unser Gesicht", erklärte Trinchieri-Vertreter Demond Greene.

"Wir hatten keine Energie und Bonn war von der ersten Sekunde an bereit."

Sein Team lag nur in einer Statistik vorn: bei den Ballverlusten. Bonn war in allen Belangen überlegen, dominierte die Bretter und traf nach Belieben. Die bezeichnendste Szene war, als Javontae Hawkins, mit 23 Punkten bester Akteur der Gastgeber, über Gavin Schilling und Marvin Ogunsipe, beides mehr als zwei Meter große 100-Kilo-Brocken, den Ball per Dunk in den Korb hämmerte. Im Basketball sind solche Aktionen eine Machtdemonstration. "Sie haben uns in den Allerwertesten getreten, das war schon hart", sagte Darrun Hilliard, der mit zwölf Punkten neben Deshaun Thomas (14) als einziger Münchner zweistellig punktete. "Wir hatten keine Energie und Bonn war von der ersten Sekunde an bereit." Außerdem sei der Gegner sehr gut gecoacht, womit er den wohl entscheidenden Punkt ansprach.

Bonn steht nicht zufällig auf dem zweiten Platz, der neue Trainer Tuomas Iisalo hat aus dem Team, das in der Vorsaison die Playoffs verpasste, einen ernst zu nehmenden Konkurrenten geformt. Dem Finnen war dies ja bereits mit den Crailsheimer Merlins gelungen, weshalb er mit Euroleague-Klubs in Verbindung gebracht wurde, unter anderem signalisierte der litauische Serienmeister Kaunas Interesse. Der 39-Jährige entschied sich etwas überraschend für Bonn. Dort hat er der Mannschaft einen attraktiven und erfolgreichen Spielstil verordnet, aus einer aggressiven Deckung wird sofort umgeschaltet und schnell abgeschlossen. Bonn hat die beste Offensive der Liga und führt die Rebound-Statistik an.

Dass die Münchner im Vollbesitz ihrer Kräfte dennoch ein anderes Kaliber sind, haben sie im Hinspiel bewiesen, als sie den Bonnern beim 100:81 deren höchste Saisonpleite verpassten, der direkte Vergleich ist dennoch perdu. Das dürfte zu verschmerzen sein, München bleibt in der Tabelle vorn und hat nun ein paar Tage Zeit, das Erlebte zu verdauen. Das Freitagsspiel gegen Kasan ist storniert, wie alle Vergleiche mit russischen Klubs. Deren Rückkehr ist zwar noch nicht endgültig vom Tisch, aber so gut wie ausgeschlossen, zumal den Vereinen die Spieler in Scharen weglaufen. Moskaus Center Johannes Voigtmann etwa ist zurück in seiner Heimat Eisenach und war kürzlich in München für einen Podcast zu Gast.

Der Nationalspieler hatte sein Auto kurzerhand vollgepackt und war 2500 Kilometer in die Heimat gefahren, derzeit ist er ohne Verein und klärt die vertraglichen Dinge mit ZSKA. Auch wenn Voigtmann mehrmals angedeutet hatte, dass der FC Bayern eine attraktive Adresse sei, steht kein Engagement in München an, wie Marko Pesic bekräftigt: "Es gibt keinen Plan, so etwas zu machen."

Kommenden Sonntag gastieren die Münchner in Ulm, die Schwaben sind Tabellendritter, nach Minuspunkten gleichauf mit Bonn, bei einem Spiel weniger. FCB-Guard Hilliard gab auf dem Bonner Parkett noch ein Versprechen: "Wir werden schnell zurückkommen."

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