Basketball: Möglicher Streik:Kolossaler Kater nach rauschender Party

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Nach einer überaus spannenden Saison und einer hochklassigen Finalserie droht der NBA nun der Ausfall einer kompletten Spielzeit: Sollte es im NBA-Tarifstreit keine Einigung geben, könnte Dirk Nowitzki ein Deutschland-Intermezzo geben.

Jürgen Schmieder

Mittlerweile dürfte Dirk Nowitzki einen kolossalen Kater haben. Seit Tagen schon feiert er mit seinen Kollegen den Gewinn des NBA-Titels, nach dem Sieg in Miami am Sonntag hatte er noch gefordert: "Wir brauchen dringend mehr Alkohol!" Bei der Parade durch Dallas am Donnerstag stand Nowitzki erschöpft auf dem Wagen und sagte: "An Schlaf war bislang nicht zu denken."

Dirk, der Superstar mit dem NBA-Pokal. Er kann es noch gar nicht richtig glauben. (Foto: AP)

Die gesamte NBA hat einen gewaltigen Rausch erlebt in dieser Saison, die Abschlussparty war die spannende Finalserie zwischen den Dallas Mavericks und Miami Heat, bei der sowohl Freunde der feinen Strategie wie auch Fans des krachenden Spektakels ihren Spaß hatten.

Nun folgen Kopfweh und Katzenjammer: Am 30. Juni läuft der seit sechs Jahren gültige Tarifvertrag zwischen Spielergewerkschaft und Teambesitzern aus, bei den Verhandlungen für ein neues Abkommen sind die Verhandlungspartner "sehr weit auseinander", wie Ligaboss David Stern sagt - es droht der Ausfall der kompletten Saison 2011/2012.

Für die NBA wäre das fatal, deutsche Klubs indes könnten dann versuchen, Nowitzki für ein Intermezzo zu verpflichten. Der sagte bereits: "In meinem Alter ein Jahr auszusetzen und dann wieder neu anzufangen, ist unmöglich."

22 der 32 NBA-Klubs haben in der abgelaufenen Saison defizitär gearbeitet, insgesamt gab es laut Stern einen Verlust von mehr als 300 Millionen Euro. Bislang ließen sich diese Verluste aus dem operativen Geschäft durch die Steigerung des Klubwerts kompensieren. Mark Cuban beispielsweise hat die Mehrheitsrechte an den Mavericks vor elf Jahren für 280Millionen Dollar gekauft, im Jahr 2008 erreichte der Verein laut Forbes einen Wert von 466 Millionen. Durch die Wertsteigerung von 186 Millionen Dollar waren die bis dahin in der Cuban-Zeit angelaufenen Verluste von 120 Millionen zu verkraften.

Seit zwei Jahren allerdings stagniert der Wert der Klubs, manche Klubwerte sind rückläufig. Die Besitzer möchten nun bei den Gehältern der Spieler sparen, derzeit erhalten die Akteure 57 Prozent der Einnahmen. In der NBA gibt es einen so genannten soft cap: Es existiert zwar eine Gehaltsobergrenze, die jedoch durch zahlreiche Ausnahmen und Sonderregelungen sowie eine Luxussteuer überschritten werden kann. Die Grenze betrug in der abgelaufenen Saison 58,044 Millionen Dollar pro Verein, die Mavericks überwiesen ihren Spielern dennoch mehr als 90 Millionen.

Nun pochen die Eigentümer auf die Einführung eines hard cap, einer strikten Begrenzung der Gehälter mit allenfalls wenigen Ausnahmen. Im Gespräch ist eine fixe Obergrenze zwischen 50 und 60 Millionen Dollar, insgesamt sollen die Spieler 800 Millionen Dollar pro Saison weniger verdienen. Dies würde die Planungen vieler Manager erschweren.

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250.000 Menschen bejubeln Dirk Nowitzki und seine Kollegen bei der Parade für den NBA-Meister durch Dallas. Zuvor geben sich die Protagonisten lustig - in der Late-Night-Show von David Letterman.

Miami Heat hat allein LeBron James, Dwyane Wade und Chris Bosh für die kommende Saison insgesamt rund 47,5Millionen Dollar garantiert. Ohne Ausnahmeregelungen bliebe nicht mehr viel Spielraum für weitere Spieler, der Verein müsste wohl einen der drei abgeben. Auch die Dallas Mavericks wären ohne Tauschgeschäfte und Entlassungen nicht in der Lage, die ausgelaufenen Verträge mit Tyson Chandler, J.J. Barea, DeShawn Stevenson und Brian Cardinal zu verlängern.

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Für den Gewinn der NBA-Meisterschaft will Mark Cuban, Besitzer der Dallas Mavericks, seinen Spielern keine Ringe anfertigen lassen. Das ist ein gewaltiger Affront gegen Dirk Nowitzki und seine Kollegen.

Von J. Schmieder und I. Wagner

Zudem fordern die Eigentümer, die Verträge kurzfristiger und leistungsbezogener zu gestalten, weil vor allem durchschnittliche Spieler zu teuer seien. Brendan Haywood etwa ist seit der Verpflichtung von Tyson Chandler nur noch Ersatz-Center der Mavericks, sein bis 2015 gültiger Vertrag garantiert ihm dennoch ein Gehalt von durchschnittlich 8,71 Millionen Dollar pro Saison.

Die Akteure dagegen wollen verhindern, von den Vereinen getauscht zu werden wie Panini-Bildchen. Sie fürchten fehlende soziale Absicherung bei Misserfolg und werfen den Eigentümern falsche Bilanzierung vor. "Vielleicht gab es gar keine Verluste. Es hängt davon ab, wie man rechnet", sagt Billy Hunter, Chef der Gewerkschaft.

Die Zuschauerzahlen seien die zweitbesten in der Geschichte gewesen, beim Verkauf von Fanartikeln hätte es Rekorde gegeben. "Die NBA ist in einem Hoch, eigentlich ist es die Zeit für Feiern", sagt Hunter.

Die Fronten sind verhärtet, eine Aussperrung vom 1.Juli an scheint nicht mehr abzuwenden zu sein. Das bedeutet jedoch lediglich, dass es bis zu einer Einigung kein Training, keine Vertragsverhandlungen und keine Transfers geben darf. Ob die kommende Saison stattfinden kann, ob sie abgesagt oder - wie die Spielzeit 1998/99 - mit weniger Spielen ausgetragen wird, werde sich vermutlich erst Anfang Oktober entscheiden.

Bei einem Ausfall könnten deutsche Klubs NBA-Spieler verpflichten, Alba Berlin wirbt bereits aktiv um Dirk Nowitzki, auch Erstliga-Aufsteiger FC Bayern hat Interesse am Würzburger bekundet. "Dass Dirk ein Thema für uns wäre, ist ja klar", sagt Präsident Uli Hoeneß seit längerem. Nur: Auch finanzstarke Klubs aus China, Spanien und Südamerika wollen, dass der wertvollste Akteur der Finalserie bei ihnen spielt. Nowitzki hält sich bedeckt: "Alles ist möglich."

Natürlich könnten sich Eigentümer und Spieler auch auf einen neuen NBA-Tarifvertrag einigen, in Kürze sind Treffen vereinbart. Sicher ist also nur, dass Nowitzki viel Zeit hat, sich vom Jubelrausch zu erholen.

© SZ vom 18.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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