Basketball-Europameisterschaft:Mit freundlichen Aussichten zur EM

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Dennis Schröder (links) ist zwar Basketballer, er hat aber auch ein Herz für den Fußball. In München begrüßte er die beiden Bayern-Spieler Alphonso Davies und Jamal Musiala. (Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Nach dem Sieg gegen Europameister Slowenien in der WM-Qualifikation steigen die Erwartungen an Deutschlands Basketballer. Dennis Schröder und der Bundestrainer sind bemüht, die Euphorie einzufangen.

Von Ralf Tögel

Es ist nicht einfach, der Mimik von Gordon Herbert einen Hinweis auf seinen Gemütszustand zu entnehmen. Nach dem WM-Qualifikationsspiel gegen Slowenien jedenfalls unterschied sich sein Mienenspiel kaum von dem des Kollegen Aleksander Sekulic. Der allerdings hatte eine bittere Niederlage zu erklären, der Trainer des aktuellen Europameisters konstatierte sichtlich zerknirscht, dass seine Spieler schlichtweg zu wenig Energie hatten für diesen physischen Gegner.

Und Herbert? Hätte man dem Trainer des Deutschen Basketball Bunds (DBB) den Ton abgedreht, nichts hätte darauf gedeutet, dass hier der Sieger eines großartigen Spiels seine Analyse zum Besten gab. Kein Lächeln kam dem Kanadier über die Lippen, er analysierte den 90:71-Triumph gegen Slowenien in der WM-Qualifikation, der die Teilnahme nahezu sichert, mit einer tiefen Falte zwischen den Augen.

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Deutschland zeigt beim 90:71-Sieg im WM-Qualifikationsspiel gegen Europameister Slowenien eine hervorragende Leistung und kann mit einem guten Gefühl zur Heim-EM nach Köln reisen.

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Die Offensive sei verbesserungswürdig, die Abwehr immerhin habe gut funktioniert, vor allem das Rebounding, und ja, "wir werden das kurz genießen", befand Herbert reichlich nüchtern - "und dann weiter arbeiten". Große Sorgen muss er sich wenigstens nach dieser beachtenswerten Leistung seiner Mannschaft keine machen, aber der 63-Jährige ist viel zu lange im Geschäft, um sich zu euphorischen Prophezeiungen für die Heim-EM in Köln hinreißen zu lassen. Das haben die Offiziellen zur Genüge getan, DBB-Präsident Ingo Weiss erinnerte vor dem Slowenien-Spiel nochmals daran, dass man schon gedenke, um eine Medaille mitzuspielen.

Trainer Gordon Herbert und Kapitän Dennis Schröder sind sich einig: Dieser Sieg bedeutet für die EM gar nichts

Selbst Dennis Schröder, der sich selten allzu großer Selbstzweifel verdächtig macht, war seinem Trainer noch im Moment des Triumphes auf dem Spielfeld zur Seite gesprungen. Zwar habe die Mannschaft eine tadellose Leistung gezeigt, aber das bedeute nichts für den EM-Start gegen Frankreich: "Wir haben als Team gut gespielt und unseren Job gemacht. Frankreich ist der nächste Topgegner, wir müssen demütig bleiben und am Donnerstag bereit sein."

In der Tat wäre es nicht das erste Mal, dass sich derart geweckte Erwartungen schnell pulverisieren. 2013 etwa bezwang die DBB-Auswahl den späteren Europameister Frankreich um NBA-Größe Tony Parker, um danach gegen Belgien, die Ukraine und England - allesamt kleine Basketballnationen - zu verlieren. Am Ende stand das schmachvolle Ausscheiden nach der Vorrunde, was den damaligen Bundestrainer Frank Menz den Job kostete.

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Auch wenn der deutschen Nationalmannschaft ein weiterer, ungefährdeter Erfolg in der WM-Qualifikation gelingt: Kurz vor der Heim-EM passen Ziele und Form noch nicht zusammen.

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Freilich sind die Aussichten bei dieser EM deutlich freundlicher, der Sieg am Sonntag gegen den hoch eingeschätzten Titelverteidiger zeigte zumindest den Weg auf, wie es mit der gewünschten Medaille funktionieren kann. Schröder agierte als der vom Trainer bestimmte Anführer, als in der erste Halbzeit seine gesamten Versuche aus der Distanz gegen den Ring ploppten, verlegte er sich auf die Spielführung und hielt das Tempo hoch. In der zweiten Halbzeit besann er sich auf seine großen Stärken im Eins-gegen-eins-Spiel und steuerte wichtige Punkte in der Schlussphase bei.

Wieder ist Franz Wagner der auffälligste Akteur im deutschen Team - der 21-Jährige hat sich in der NBA enorm entwickelt

Die wichtigen Dreier traf dafür Andreas Obst, gleich mit seiner ersten Aktion nachdem er ins Spiel gekommen war, versenkte er einen Distanzwurf. Obst brachte Sicherheit in die anfänglich stotternde Offensive - und damit den Umschwung gegen die anfangs dominanten Slowenen um Luka Doncic. Franz Wagner war einmal mehr der auffälligste Angreifer der DBB-Auswahl, der Flügelspieler war immer dann zur Stelle, wenn Punkte dringend nötig waren oder sich Schröder eine Auszeit nahm. Der feierte am Samstag seinen 21. Geburtstag und hat sich in der NBA, wo er für die Orlando Magic eine starke Saison spielte, enorm entwickelt. Wagner agiert extrem flexibel und unbekümmert, zudem ist er ein hervorragender Abwehrspieler.

Bis hierher und nicht weiter: Andreas Obst (links) und Johannes Thiemann machen dem Slowenen Luka Doncic das Leben schwer. (Foto: Tilo Wiedensohler/Imago)

Womit man beim bestimmenden Faktor im deutschen Spiel wäre: der Defensive. Egal ob Wagner oder Nick Weiler-Babb, mit zunehmender Spieldauer stieg der Frustrationslevel von Luka Doncic. Das Spiel der Slowenen ist von ihrem Besten abhängig, zwar erzielte der trotz Extraaufmerksamkeit mit 23 Punkten den Bestwert des Abends, aber auch seine Kollegen bekamen von der giftigen DBB-Abwehr wenig Luft zum Atmen.

Vor allem das vom Trainer mit Extralob bedachte Rebound-Spiel machte den Unterschied: 56 Bälle fischten die Deutschen vom Brett, mehr als doppelt so viele wie der Gegner. In der Offensive bedeutete das viele zweite und dritte Wurfchancen, in der Defensive ermöglichte es das schnelle Umschalten ins Tempospiel, immer wieder setzten die Deutschen dem Gegner mit schnellen Kontern zu. Vor allem Johannes Voigtmann, der zudem zweistellig punktete, und Johannes Thiemann taten sich dabei hervor, beide sind Center von der Güteklasse, gegen die man ungern spielt.

Zudem könnte NBA-Akteur Daniel Theis, der vor dem Spiel das Aufwärmprogramm absolvierte, auf einen Einsatz aber wegen seines angeschlagenen Knies verzichtete, noch zum Team stoßen. Herbert gesteht ihm die nötige Zeit zu und reist mit einem 13-köpfigen Kader nach Köln. Für Theis müsste im Bedarfsfall wohl Gavin Schilling weichen. Leon Kratzer und David Krämer sind nicht dabei, beide standen gegen Slowenien nicht im Kader und wurden nun gestrichen.

Die Anreise zur Vorrunde immerhin ist mit einem guten Gefühl erfolgt, oder in den Worten des Trainers: "Das war gut, aber nur ein Spiel. Und wir sind in der Todesgruppe."

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