Basketball-EM:"Diese Mannschaft weiß, wie man gewinnt"

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"Das tut weh": Franz Wagner (vorne) und Dennis Schröder verpassen mit Deutschland das Finale. (Foto: Soeren Stache/dpa)

Im Halbfinale zwischen Deutschland und Spanien treffen zwei starke Kollektive aufeinander - von denen aber nur eines die Ruhe bewahrt, als es drauf ankommt. Die Deutschen wollen aus ihrer Niederlage lernen und am Sonntag Bronze gewinnen.

Von Ralf Tögel, Berlin

"Das war mir schon klar, dass das jetzt kommt." Franz Wagner antwortete spitz auf die Frage, ob denn die Spanier einen Tick abgezockter waren als die deutsche Mannschaft. "Wir haben verloren, das tut jetzt gerade weh. Ob es daran lag, kann jeder selbst entscheiden." Die Enttäuschung war groß nach der 96:91-Niederlage im Halbfinale der Basketball-Europameisterschaft gegen Spanien, in dem die deutsche Nationalmannschaft in Berlin einmal mehr eine starke Vorstellung geboten und sich gute Chancen erarbeitet hatte, als Sieger vom Parkett zu gehen. Letztlich musste man aber genau den Eindruck gewinnen, den Wagner so ungern hören wollte.

Die Spanier lagen im dritten Viertel zwischenzeitlich zweistellig in Rückstand (71:61), Wagner selbst und Dennis Schröder hatten im Schlussabschnitt noch eine 77:70-Führung herausgeworfen. Doch Spanien ließ sich nie aus dem Konzept bringen. Es war beeindruckend, mit welcher Ruhe und Selbstsicherheit das Team auf jeden Rückschlag antwortete. "Diese Mannschaft weiß, wie man gewinnt", konstatierte Bundestrainer Gordon Herbert nach der Niederlage sichtlich geknickt. Keine Nation stand so oft in einem EM-Halbfinale wie die Spanier: elfmal in den vergangenen elf Turnieren. Zudem sind sie der aktuelle Weltmeister.

Deren italienischer Trainer Sergio Scariolo befand: "Wir hatten die Ruhe, in den entscheidenden Phasen die richtigen Entscheidungen zu treffen." Wohl wahr, während die deutsche Mannschaft zunehmend hektisch wirkte und zu früh oder zu risikoreich den Abschluss suchte, spulten die Spanier ruhig und routiniert ihre Stärken aus. Und derer hatten sie einige zu bieten: Im Schlussabschnitt räumten die Hernangomez-Brüder Willy (17 Punkte) und Juancho (13) sowie Usman Garuba, die alle ihr Geld in der nordamerikanischen Profiliga NBA verdienen, mit enormer Physis unter den Körben auf - und punkteten in der Offensive zuverlässig. Kein Wurf, kein Korbleger wurde den deutschen Spielern ohne heftige Gegenwehr gestattet. Daniel Theis, bis dahin mit zehn Punkten effektiver Akteur unter dem generischen Korb, kam so zu keinem erfolgreichen Abschluss mehr. Auch Dennis Schröder, der beste deutsche Akteur auf dem Feld und mit 30 Punkten Topscorer, setzte in der Schlussphase keine Akzente mehr.

Der spanische Erfolgstrainer Sergio Scariolo nimmt ein paar Anpassungen in der Defensive vor, mit durchschlagendem Erfolg

Weil auch die Intensität in der Abwehr der DBB-Auswahl nachließ, in der vornehmlich Nick Weiler-Babb und Johannes Thiemann erstklassige Arbeit verrichteten, setzten sich die Spanier letztlich entscheidend ab. "Sie haben in der Offensive und der Defensive einige Anpassungen gemacht, das muss man ihnen auch zugestehen", stellte Kapitän Schröder hernach fest. Er gab zudem nach dem Spiel bekannt, dass er in der kommenden NBA-Saison zu den Los Angeles Lakers zurückkehren wird.

Mit seinen wuchtigen Abwehrspielern nahm Spaniens Coach Scariolo dem deutschen Angriffsspiel das Tempo. Bis dahin waren die flinken Angreifer Schröder und Wagner, der 15 Punkte sammelte, immer wieder erfolgreich zum Korb gezogen, diese Wege wurden ihnen nun verstellt.

Auch die Würfe aus der Distanz wollten nicht mehr fallen, Andreas Obst, der mit einer guten Dreier-Quote 15 Punkte beisteuerte, wurde daran gehindert. Vielleicht hielt Trainer Herbert im letzten Viertel zu lange an seiner Startformation fest, Maodo Lo und Johannes Voigtmann, die ein starkes Turnier gespielt haben, kamen kaum noch zum Zug.

Die Bank zu nutzen, war im bisherigen Turnier eine Stärke der Deutschen, an diesem Abend gelang es den Spaniern besser. Alberto Diaz (10 Punkte) und der unverwüstliche 37-jährige Routinier Rudy Fernandez (sechs), einziges Überbleibsel der goldenen Generation, jener Mannschaft die jahrelang den europäischen Basketball bestimmt hatte, setzten entscheidende Nadelstiche. Außerdem hatten die Spanier den kurz vor dem Turnier eingebürgerten US-Spielmacher Lorenzo Brown auf dem Feld, einen Spieler, der im letzten Viertel für das Gros der vom Trainer angesprochenen "richtigen Entscheidungen" die Verantwortung trug. Entweder punktete er selbst (29) oder er setzte die großen Kollegen unter dem Korb in Szene.

Auch die 30 Punkte von Kapitän Dennis Schröder haben nicht zum Finaleinzug gereicht. (Foto: Marc Niemeyer/Kolbert-Press/Imago)

Die deutsche Mannschaft wurde letztlich von einem Gegner geschlagen, der einen ähnlichen Zuschnitt hat. Während die Turnierfavoriten Griechenland, Serbien und Slowenien, die in ihren Reihen die NBA-Topakteure Giannis Antetokoumpo, Nikola Jokic und Luka Doncic wissen, vorzeitig die Heimreise antreten mussten, sind Spanien und Deutschland Mannschaften, die das Kollektiv stark macht. An diesem Abend war jenes der Spanier das bessere, der Sieg war verdient.

Während sie nun im Finale auf Frankreich treffen, wollen die Deutschen im Spiel um Platz drei gegen Polen die angestrebte Medaille gewinnen. Polen war nach einer desolaten Leistung vom Olympiazweiten mit 54:95 Punkten gedemütigt worden, kein Grund, den Gegner zu unterschätzen, wie Andreas Obst warnte: "Das ist eine starke Mannschaft, die wollen wie wir eine Medaille abgreifen."

"Wir können viel aus dieser Niederlage lernen", sagte Franz Wagner noch mit Blick auf das Spiel gegen Polen, "es ist noch nicht vorbei. Wir haben noch ein Spiel am Sonntag."

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