Barcelona besiegt Stuttgart:Verdammt, so gut sind die

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Gab es wirklich jemanden, der von der nächsten Runde träumte? Der VfB Stuttgart geht im Champions-League-Achtelfinale in Barcelona mit 0:4 unter - und kann nur staunen ob der Genialität von Lionel Messi.

Natürlich war es eine klare Sache. Hat irgendjemand etwas anderes gesagt? Aber nein, jeder hat es gewusst, auch die Stuttgarter, denn wie sonst sollte dieses Spiel enden? 4:0 (2:0) gewann der FC Barcelona am Mittwochabend gegen den VfB Stuttgart, was bedeutet, dass die Spanier sich fürs Viertelfinale der Champions League qualifiziert haben. 1:1 hatte es nach dem Hinspiel geheißen, aber niemand hatte gedacht, dass Stuttgart hier den leisesten Hauch einer Chance haben würde. Oder?

Ehrlich gesagt: Ein wenig hatten sie doch geträumt in Stuttgart. Wann immer die Spieler zuletzt darauf angesprochen worden waren, dass es doch in erster Linie darum gehe, sich würdevoll zu verabschieden, drucksten sie herum. Sie wollten nicht zustimmen, aber sie wollten um Himmels willen auch nicht offen aussprechen, dass in Barcelona vielleicht etwas zu holen sei.

Beim Favoriten. Bei der wohl besten Fußballmannschaft der Welt. Bei dieser perfekten Mischung aus Künstlern, Rennern, Rackern, Lenkern und Denkern, bei Messi, Henry, Puyol, Xavi und Iniesta und all den anderen Könnern. Man einigte sich in Stuttgart also meist auf die Formulierung, dass man "nichts zu verlieren" habe, und zwischen den Worten klang sie ganz leise hindurch: die Hoffnung, wie eine versteckte Melodie, die die Spieler nach Barcelona begleitete.

Diese Melodie verklang im Stadion Nou Camp nach kürzester Zeit. Zwar kannten die Stuttgarter die Spanier bereits aus dem Hinspiel, aber da hatten sie eine Elf erlebt, die halbherzig zu Werke ging, weil sie Gegner nicht ganz ernst nahm. Diesmal, vor 80.000 Zuschauern, war das Ensemble in Blau-Rot in Spiellaune, was nach wenigen Minuten deutlich wurde. Bei manchem Stuttgarter Spieler schien sich ein Gedanke auszubreiten: Verdammt, so gut sind die.

Wie gut? Nun, in der 14. Minute zauberte das Ensemble einen Spielzug aufs Feld, die Stuttgarter hatten in Barças Hälfte den Ball verloren, und dann ging es schnell wie beim Zauberer in Las Vegas, der binnen eines Wimpernschlags einen Tiger von rechts nach links auf der Bühne befördert: Lionel Messi lief plötzlich auf vier Stuttgarter zu, was sollten sie tun? Messi! Lief auf sie zu! Sie nähertem sich dem Genie, von rechts und links und von vorn, Messi wurde im schnellen Lauf plötzlich schneller, mit einer schnellen Bewegung seines Fußes beförderte er plötzlich den Ball durch die Luft, was war da los, war das was? Aber ja, es war das 1:0, Messi hatte den Ball aus 18 Metern in den Winkel geschossen.

Wie gut genau? Nun, in der 22. Minuten ließ Messi den Ball über die Stuttgarter Abwehr schweben, irgendwohin, wie es schien, doch siehe: Am Ende der Flugbahn materialisierte sich Yaya Touré, ein Defensivspieler, der mal eben einen Ausflug in den Stuttgarter Strafraum unternahm, Touré hätte schießen können, er stand gut, aber seien wir ehrlich: Wäre das nicht viel zu langweilig gewesen, zu profan, zu banal? Touré passte genau im richtigen Moment zum mitgelaufenen Pedro, der die Kugel aus kurzer Distanz zum 2:0 ins Netz schob. Drei Pässe waren es gewesen, und was hätten die Stuttgarter dagegen tun sollen?

Ein Chancenverhältnis von 1426:½

Immerhin: Mit dem 0:2 aus Stuttgarter Sicht ging es in die Pause, das geht auch anders, wie der FC Bayern im Nou Camp vor Jahresfrist erfahren musste; damals stand es zur Halbzeit 0:4, eine Erinnerung, die die stolze Klubseele bis heute schmerzt. Barcelona hatte damals nach der Pause vier Gänge runtergeschaltet, diesmal schalteten die Katalanen nur drei Gänge runter, was bedeutete, dass sie sich eine Menge Möglichkeiten erspielten, das Chancenverhältnis lag bei ungefähr 1426:½ (grobe Schätzung).

Wie gut also ganz genau dieses Barça ist? Nun, nach einer Stunde spielte Pedro den Ball an Stuttgarts Strafraum zu Dani Alves, der mit der Hacke verlängerte zu - richtig, zu Messi. Dieser drehte sich mit der Kugel einmal um die eigene Achse, bevor er den Ball mit einem butterwatteweichen Schuss den Maschen des Netzes übergab. War's das? Aber nicht doch. Bojan, das 19 Jahre alte - was sonst? - Supertalent war in der 88. Minute eingewechselt worden, was selbstverständlich bedeutete, dass er in der 89. Minute das 4:0 erzielte. "Barça hat die Räume eng gemacht und war eine Klasse besser", sagte Gross ernüchtert, "sie haben uns heute die Grenzen aufgezeigt." Wie gesagt: Ein wenig hatten sie geträumt in Stuttgart, aber selten war ein Traum so unrealistisch wie der, dass der VfB den FC Barcelona besiegt.

© SZ vom 18.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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