Barack Obama löst Football-Streit:Farce mit politischer Pointe

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Mehrere Monate konnten sich die Football-Liga NFL und die Schiedsrichter nicht auf einen Tarifvertrag einigen - nach einem Machtwort von Präsident Barack Obama geht es ganz schnell. Der kann sich ein zorniges Volk nicht leisten.

Jürgen Schmieder

Man stelle sich folgendes Szenario vor: Angela Merkel kommt gerade von einem wichtigen außenpolitischen Termin zurück ins Kanzleramt, da fragt sie ein Reporter, was sie den eigentlich von den Leistungen der Bundesliga-Schiedsrichter halte. Die Bundeskanzlerin zaubert Sorgenfalten auf ihre Stirn und verkündet, dass das vergangene Wochenende gar schrecklich gewesen sei für die Fans und dass die DFL schnell reagieren müsse. Und die DFL reagiert tatsächlich sogleich.

NFL und Schiedsrichter einigen sich im Arbeitskampf. (Foto: dapd)

Undenkbar, so etwas? Mitnichten. In den Vereinigten Staaten passierte gerade genau das. In der National Football League (NFL) waren die 120 Schiedsrichter aufgrund eines Tarifstreits seit Juni ausgesperrt, an den ersten drei Spieltagen pfiffen Unparteiische, die ansonsten Jugendspiele und in Frauen-Unterwäsche-Ligen pfeifen.

Nach drei Spieltagen voller Fehler und grotesker Entscheidungen mischte sich nun Präsident Barack Obama ein, nachdem ihn nach der UN-Generalversammlung ein Reporter des Senders ABC danach gefragt hatte, "Ich sage schon seit Monaten, dass wir unsere Schiedsrichter zurückholen müssen", sagte Obama - und benutzte gar ein Wort, das einem Amerikaner im Wahlkampf eigentlich verboten ist: Obama sagte, die Lage wäre "schrecklich".

Mehr als sieben Monate hatten Liga und Schiedsrichter gestritten - nach den präsidialen Worten ging alles ganz schnell. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag einigten sich NFL und Gewerkschaft auf einen neuen Tarifvertrag, der acht Jahre lang gelten soll: Die Saisongehälter werden von der kommenden Saison an von derzeit 149.000 auf 173.000 Dollar angehoben, bis 2019 steigt die Entlohnung auf bis auf 205.000 Dollar an, dazu gibt es einen Rentenplan. Zudem darf die NFL eine gewisse Anzahl von Referees als Vollzeitkräfte einstellen. Bereits am Donnerstagabend bei der Partie zwischen den Baltimore Ravens und den Cleveland Browns pfiffen wieder die offiziellen Schiedsrichter.

Die rasche Einigung sorgt für Erleichterung, indes auch für Verwunderung. Nicht wenige vermuten, dass die Wahlkampfhelfer Obamas Druck ausgeübt haben auf die NFL. Obama kann es sich nicht leisten, dass die Volksseele allzu wütend wird - der zornige Wähler stimmt eher für den Herausforderer denn für den Amtsinhaber. Zeitungen wie die Los Angeles Times und das Wall Street Journal hatten angedeutet, dass Obama wichtige Prozentpunkte verlieren könnte, sollte der Streit bis zu den Wahlen andauern.

Paul Ryan, republikanischer Vizepräsidentschaftskandidat, hatte bereits mit Vergleichen und Sticheleien begonnen: "Das erinnert mich an Obama und die Wirtschaft. Wenn man es nicht schafft, muss man es lassen." Newt Gingrich verkündete, Obama sei wie die Ersatz-Schiedsrichter nur ein "Teilzeit-Präsident".

Auslöser für Volkes Furor und Obamas deutliche Worte war die Partie zwischen den Seattle Seahawks und den Green Bay Packers. Es waren noch acht Sekunden zu spielen, Seattles Spielmacher Russell Wilson schleuderte das Spielgerät in Richtung Endzone und schickte ein Gebet hinterher. Das wurde erhört, jedoch nicht von der Jungfrau Maria, sondern von den Ersatz-Schiedsrichtern. Die entschieden selbst nach dem Betrachten der Videos auf Touchdown, die Seahawks gewannen mit 14:12.

Auslöser für Volkes Furor und Obamas deutliche Worte: eine groteske Fehlentscheidung beim Spiel zwischen Seattle und Green Bay. (Foto: REUTERS)

"Das ist entsetzlich. Schaut euch die Wiederholung an! Und denkt dabei daran, dass die Szene überprüft wurde", schimpfte Green Bays Spielmacher Aaron Rodgers. Mehr wollte er nicht sagen, er fürchtete eine harte Strafe, wie sie etwa Bill Belichick bezahlen muss, der Trainer der New England Patriots. Er muss 50.000 US-Dollar zahlen, weil er einen Schiedsrichter am Arm gepackt hatte. John Fox und Jack Del Rio von den Denver Broncos müssen für ihre Meckereien 55.000 Dollar löhnen.

Nach den Partien vom Wochenende wurden die Beschimpfungen heftiger, vor allem Athleten anderer Sportarten wurden aktiv. "Sorry, Jungs, ihr habt es versaut! Welch eine Farce", schrieb Dirk Nowitzki auf seiner Twitter-Seite. Kollege Chris Kaman verwies auf ein Foto, auf dem ein Schiedsrichter einen Touchdown anzeigt, der andere eine Interception. Kamans Kommentar: "Das fasst die Saison gut zusammen."

Man muss diesen Streit und die Erregung darüber womöglich in einem anderen, größeren Zusammenhang sehen. Es geht nicht nur darum, dass Schiedsrichter ein bisschen mehr Geld verdienen wollten und die Verantwortlichen das ablehnten. Es ging vielmehr darum, dass die finanzstärkste Sportliga der Welt, die pro Jahr mehr als neun Milliarden US-Dollar umsetzt, nicht in der Lage war, einen Konflikt zu lösen, der sich vor mehr als sieben Monaten angedeutet hatte.

Und es ging um Sport allgemein: Im Football waren die Schiedsrichter ausgesperrt, beim Eishockey können sich die Spieler und die National Hockey League (NHL) nicht auf einen neuen Tarifvertrag einigen, der Saisonstart ist verschoben. In den vergangenen 22 Jahren gab es in den großen vier Ligen acht Aussperrungen, dazu zahlreiche Verhandlungen, bei denen ein Streik gerade noch abgewendet wurde. In der NHL und der Basketballliga NBA machen jeweils mehr als die Hälfte der Vereine Verluste.

Das System scheint krank zu sein, weshalb einige einen Vergleich ziehen zwischen professionellem Sport und der amerikanischen Gesellschaft. Womöglich wollte Barack Obama auch deshalb eine rasche Einigung. Nun kann er darauf verweisen, dass seine deutlichen Worte etwas bewegt hätten - und er kann behaupten, dass er dafür sogar persönliche Interessen hintangestellt habe. Der Fan der Chicago Bears schlug sich nach dem Wochenende auf die Seite der rivalisierten Green Bay Packers. Andererseits: Green Bay liegt in Wisconsin, der Bundesstaat gilt als hart umkämpft und entscheidend für die Wahl im November.

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