Badminton:Zu Ende geschnuppert

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Profi Misha Zilberman, 35, immerhin Dritter bei den European Games, gelang für Neuhausen nur ein einziger Einzelsieg. Den Israeli belastet auch der Krieg in Nahost. (Foto: Irina R. Hipolito/Zuma Wire/Imago)

Neuhausens Badminton-Team gibt auf und zieht sich aus der ersten Bundesliga zurück. Die Kluft zur Konkurrenz war zu groß. Nun steht das Team vor der Frage, ob eine Rückkehr überhaupt sinnvoll wäre.

Von Sebastian Hepp

Zahlen sprechen manchmal für sich, und gerade im Sport können sie grausam sein. Mit einem 0:7 hat sich der Badminton-Erstligist TSV Neuhausen-Nymphenburg vor ein paar Wochen in die Sommerpause verabschiedet. Das Team aus dem Münchner Westen war chancenlos gegen die Gäste vom TV Refrath, die immerhin mal deutscher Mannschaftsmeister waren. Und davor? 1:6 gegen Lüdinghausen, 0:7 gegen Wittorf, 1:6 gegen Bischmisheim, 0:7 gegen Dortelweil ... das Ende einer Saison kann auch mal wie eine Befreiung sein.

In der kommenden, das steht nun fest, wird es kein Münchner Erstligateam mehr geben. Der TSV hat sich zurückgezogen. Nach 15 Niederlagen und nur einem Saisonsieg schloss er die Saison als Letzter ab, trotzdem scheidet er freiwillig aus. Weil die Liga zu klein war mit neun Teams, gab es nämlich mal wieder keinen Abstiegsplatz. Diese Situation wäre Teammanager Arne Dieckmann eigentlich sehr entgegengekommen. Erklärtes Saisonziel war es, den Nachwuchs aus der zweiten Mannschaft mit möglichst vielen Einsätze ans Erstliganiveau heranzuführen. Doch so sehr sich Julian Blaumoser, Philip Bußler, Patrick Biechl oder David Persin auch mühten: Es gelang ihnen kaum ein Satzgewinn; selbst für Pia Becher und Monika Weigert, die schon Erstligaerfahrung hatten, gab es exakt einen Sieg (Weigert im Doppel). Jetzt also ist der Schnupperkurs beendet. Die Entscheidung, erklärt Dieckmann, sei in der Abteilung "einhellig gefallen", dem Verband habe man sie bereits Ende Januar mitgeteilt.

"Wir hatten eigentlich gedacht, dass auch in anderen Erstligamannschaften ein Umdenken stattfindet und mehr deutsche Spielerinnen und Spieler eingesetzt werden", erklärt Teammanager Dieckmann einen der Gründe für den Rückzug. Stattdessen sei etwa der SV Fun-Ball Dortelweil zuletzt "mit fünf dänischen Profis" gegen sie angetreten. Um wirklich mithalten zu können, müsste sich der TSV nach seinen Worten ebenfalls mit deutlich mehr ausländischen Spitzenkräften verstärken, das aber würde den verfügbaren Etat übersteigen. Ohnehin seien die Kosten für die erste Liga höher als für die in zwei Staffeln unterteilte zweite.

Der TSV Freystadt, Zweitliga-Meister im Süden, verzichtet auf den Aufstieg - nicht machbar, sagen die Oberpfälzer

Das ist auch der Grund, wieso es im NRW-lastigen Oberhaus künftig gar kein bayerisches Team geben wird. Denn der TSV Freystadt ist zwar Meister geworden im Süden, die Oberpfälzer hatten aber schon vorher wissen lassen, dass ein Aufstieg für sie weder finanziell noch sportlich realisierbar wäre. Den dadurch freien Erstligaplatz hat sich die SG EBT Berlin geschnappt, die nun als Zweiter der Nordstaffel gemeinsam mit Meister Mülheim aufsteigen wird.

Mehr als 20 Jahre lang hatte der TSV Neuhausen-Nymphenburg ununterbrochen in der zweiten Liga gespielt, ehe er 2014 erstmals das Abenteuer Aufstieg wagte. Danach war es schwierig, sportlich mitzuhalten. Einmal stieg das Team ab und gleich wieder auf, mehrmals schloss es auf Abstiegsplätzen ab, die dann doch nicht nach unten führten, weil wieder irgendwo ein Team zurückgezogen hatte oder nicht nach oben wollte. In den Spielzeiten nach Corona immerhin war der TSV zweimal Siebter.

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Justin Seibel, 21, spielt Badminton beim Münchner Erstligisten TSV Neuhausen-Nymphenburg. Sein Ziel ist es, von seinem Sport leben zu können. Doch das schaffen nicht viele.

Von Sebastian Hepp

Selbst Neuhausens aktuelle Spitzenkräfte haben sich schwergetan. Der 21-jährige Justin Seibel, Leistungsträger mit Profiambitionen, kam nur auf zwei Siege im Einzel. Profi Misha Zilberman, 35, der noch in der vergangenen Saison meist siegreich war und bei den European Games zuletzt Bronze gewann, gelang nur ein einziger Einzelsieg. Er ist Israeli, sein Heimatland ist vom Krieg mit der Hamas erschüttert, und auch wenn er sich zu seiner persönlichen Situation nicht äußern will, ist doch nicht zu übersehen, wie sehr ihn die Angst um seine Angehörigen und Freunde zuletzt belastete: Oft fehlte ihm die letzte Konzentration in den Spielen, sein sonst so ausgeprägter Kampfgeist kam lange nicht wie gewohnt zur Geltung.

Die meisten Akteure werden bleiben, sogar Zilberman hat für die kommende Saison zugesagt. "Unser Ziel wird sein, nächste Saison in der zweiten Liga unter die Top drei zu kommen und uns so bald wie möglich für den Wiederaufstieg in die erste Liga zu qualifizieren", sagt Arne Dieckmann nun. Einer seiner Spieler, Tobias Wadenka, sieht das skeptischer. "Die erste Liga ist nicht das Richtige für uns", findet er. Er spielt seit Jahren für Neuhausen, und er glaubt: "Langfristig ist es gesünder für das Team, zweite Liga zu spielen. Der Abstand zur ersten Liga ist viel zu groß."

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