Badminton:Der weite Weg, ein Igel zu werden

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"Er hat viel Power, ist schnell und athletisch, und er bringt das inzwischen auch aufs Feld": Justin Seibel. (Foto: Anke Lütticke/oh)

Justin Seibel, 21, spielt Badminton beim Münchner Erstligisten TSV Neuhausen-Nymphenburg. Sein Ziel ist es, von seinem Sport leben zu können. Doch das schaffen nicht viele.

Von Sebastian Hepp

Justin Seibel musste sich vorgekommen sein wie in der Geschichte mit dem Hasen und dem Igel - und es war ziemlich klar, dass dem Nachwuchsspieler des Badminton-Erstligisten TSV Neuhausen-Nymphenburg die undankbare Rolle des Hasen zufiel. In welche Ecke des Feldes er den Federball auch drosch, sein Gegner Sanjeevi Padmanabhan Vasudevan war schon da und hatte wenig Mühe, den Ballwechsel zu seinen Gunsten zu beenden, meist mit einem krachenden Smash. Mit 2:11, 5:11 und 11:13 verlor Seibel dieses Einzel, das ging fast schneller, als man den Namen des indischen Teenagers auf der anderen Netzseite fehlerfrei hätte aussprechen können.

Es war das zweite Saisonspiel, an dessen Ende ein 2:5 stand; das erste hatte der Münchner Klub 0:7 verloren. Jedes Jahr werde die Bundesliga noch etwas stärker, stellte Seibels erfahrener Doppelpartner Tobias Wadenka fest, das Niveau steige durch die zunehmende Verpflichtung von ausländischen Spitzenkräften, und das Tempo sei "unfassbar hoch geworden". Für Spieler wie Justin Seibel macht es das einerseits schwieriger, sich in dieser Liga zu behaupten, andererseits hilft es ihm auf seinem Weg. Denn das Ziel des 21-Jährigen ist es, Profi zu werden. Das Zeug dazu hat er, glaubt Wadenka, der zugleich Seibels Trainer am Landesleistungszentrum in Nürnberg ist: "Er hat viel Power, ist schnell und athletisch, und er bringt das inzwischen auch aufs Feld."

Im dritten Spiel gegen Schorndorf gelang es Justin Seibel, beim 11:7, 11:4, 11:5 gegen den favorisierten David Kramer eher die Rolle des Igels zu spielen. Dem dänischen Spitzenprofi Victor Svendsen von Tabellenführer SV Fun Ball Dortelweil nahm er immerhin einen Satz ab, gegen den Niederländer Nick Fransman vom Vierten SC Union Lüdinghausen war er zuletzt wieder chancenlos. Nach sieben Spieltagen ist der TSV Neuhausen-Nymphenburg das Tabellenschlusslicht, Justin Seibel steht mit einer 2:4-Bilanz im Einzel aber ganz ordentlich da. Mehr Konstanz müsse er in sein Spiel bringen, findet Coach Wadenka, in allen Bereichen noch zulegen, und der dafür nötige Trainingsaufwand ist entsprechend hoch: Achtmal pro Woche trainiert Seibel in Nürnberg, wo Wadenka mit ihm an speziellen Schlägen feile und daran, dass er "den Ball möglichst lange und mit guter Qualität im Spiel halten" könne, wie Seibel erzählt. Drei weitere Einheiten widme er seiner Athletik.

Ein internationales Turnier bedeutet erst mal Ausgaben bis zu 800 Euro - verdient ist bis dahin noch kein Cent

Bislang lässt ihm sein Studium in Ansbach (Business International Management im fünften Semester) genügend Zeit dafür, zugleich ist es seine Absicherung, falls es doch nichts wird mit der Profilaufbahn. Mit dem anvisierten Bachelorabschluss könnte er dann eine Laufbahn als Manager einschlagen, vorzugsweise im Sportbereich. Dieser Plan B ist dem Nachwuchsspieler, der ursprünglich aus Neu-Ulm kommt und seit seinem zwölften Lebensjahr beim TSV Neuhausen-Nymphenburg Badminton spielt, wichtig. Denn natürlich weiß er: "Es ist sehr, sehr schwer, sein Geld mit Badminton zu verdienen." 200 Euro pro Halbjahr koste ihn allein das Training am Stützpunkt, sagt Seibel. Er kann dort auch die medizinische Betreuung nutzen, ist laut Wadenka inzwischen aber der älteste Spieler dort. Den externen Mentaltrainer, den er ebenfalls in Anspruch nimmt, bezahlt er selber.

Für seine Einsätze in der Liga bekommt Seibel, wie seine Teamkolleginnen und -kollegen auch, vom Klub eine feste Prämie pro Spieltag - unabhängig davon, ob er gewinnt oder verliert. Für seine internationalen Turniereinsätze hat ihm der TSV zudem als bisher einzigem Nachwuchsspieler im Erstligakader "ein Jahresbudget in vierstelliger Höhe" zur Verfügung gestellt, wie Neuhausens neuer Manager Arne Dieckmann verrät. Seine Leistungen würden das rechtfertigen, findet Dieckmann. Trotzdem genüge all das nicht, um auch nur die Unkosten zu decken, stellt Seibel fest. Einen kleinen privaten Sponsor hat er, und den Rückhalt der Familie: "Meine Eltern unterstützen mich finanziell", erklärt er. "Ein internationaler Turniereinsatz kostet mich zwischen 500 und 800 Euro", mit Fahrt-, Flug- und Hotelkosten, Meldegebühren und Verpflegung - verdient ist bis dahin noch kein Cent.

Tobias Wadenka hegte früher selbst Profiambitionen, auch er weiß genau: "Wenn man den Sprung an die internationale Spitze schaffen will, muss man erst mal viel Geld investieren." Um Preisgeld zu bekommen, müsse man europäische Spitze sein und Turniere gewinnen. Ihm zufolge kann Seibels Weg nur über deutsche Ranglistenturniere führen und über Sponsoren. "Wenn man wie Justin aber nicht die Nummer eins, zwei oder drei in Deutschland ist, sondern in der zweiten Reihe steht, wird es schwierig. Und die Weltspitze ist dann nochmal eine ganz andere Hausnummer."

Justin Seibels bisherige Erfolge klingen noch etwas bescheidener. So hat er in diesem Jahr seinen Titel als südostdeutscher Einzelmeister bei den Erwachsenen verteidigt, mit 18:21, 21:13, 21:13. Das gute Training hatte sich ganz offenbar ausgezahlt. Sein Finalgegner hieß übrigens: Tobias Wadenka.

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