Bach contra Bürgerbegehren:Olympias Problem mit der Demokratie

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Sollen die Bürger über eine Olympia-Bewerbung entscheiden? Thomas Bach vertritt da eine eigene Meinung. (Foto: Getty Images)

"Ist ein Bürgerbegehren tauglich, um ein Großprojekt zu legitimieren?" IOC-Chef Bach kritisiert Abstimmungen zu Olympia-Bewerbungen. Das Votum der Basis, die per Steuergelder die Wettbewerbe finanzieren muss, passt nicht in die Welt der Spitzensportindustrie.

Von Thomas Kistner

Es ist nicht leicht für das Internationale Olympische Komitee, aus dem Schatten des großen Bruders zu treten. Der Fußball-Weltverband mit seiner endemischen Korruptionsproblematik und den Versuchen, einen hausinternen Vollwaschgang zu simulieren, beherrscht die globale Debatte. Weshalb andererseits die Gelegenheit günstig wäre, sich von Sepp Blatters Sündern abzusetzen und der Welt zu zeigen, wie Demokratie und Transparenz in offenen Verbandswesen gepflegt werden. Der Versuch findet gerade statt, das IOC legt ein Reformpaket vor und präsentiert sich als Fifa-Gegenentwurf, der viel Wert auf externe Mitbestimmung (durch Veranstalter) und öffentliche Kontrolle legt.

Nun das: IOC-Chef Thomas Bach stellt die Bürgerbegehren zu Olympia-Bewerbungen infrage. "Ist ein Bürgerbegehren tauglich, um Großprojekte zu legitimieren? Ich sehe manchmal eine gewisse Mutlosigkeit mit einer gewissen Selbstzufriedenheit in einigen Ländern, wo man Projekte nicht in Angriff nimmt, weil es allerlei Bedenken gibt", sagte er der Bild. Dass es aber just so mutlose Bedenkenträger sind, die in demokratischen Ländern immer öfter Großprojekte kippen, das arbeiten Bachs frühere Untergebene im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) stets gerne heraus.

Bürgerbegehren - das Votum der Basis, die per Steuergelder Olympia finanzieren muss - passen nicht in die Welt von IOC und Spitzensportindustrie; zumal nach all den Spiele-Absagen in München, Oslo und der Schweiz. Pikant ist aber trotzdem, wenn sich der Chefolympier nun so deutlich positioniert. Es geht darum, was Bürger legitimieren dürfen, und Bachs Skepsis klingt deutlich heraus. Nun bleibt das Echo abzuwarten: Weil ja hierzulande die Frage, ob man sich für 2024 mit Berlin oder Hamburg erneut in den Bewerberring stürzt, ganz von der Akzeptanz des Bürgers abhängt.

Die zentrale Bedeutung öffentlicher Zustimmung ist seit der Pleite von München 2022 anerkannt. Jüngst bei einer Dialogveranstaltung hatte sogar der DOSB ein Grundsatzreferat integriert, das die Frage erörterte, an welcher Stelle des Prozesses Bürger zu befragen sind. Und nicht: ob. Sylvia Schenk, Sportbeauftragte von Transparency International, sagt: "In Deutschland ist es der richtige Weg. Es geht eben darum, Mut zu vermitteln und Bedenken durch Transparenz und gute Argumente auszuräumen."

Da liegt ein steiniger Weg vor dem IOC. In Berlin und Hamburg formiert sich schon der Widerstand. Das IOC erweitere mit seiner Reform nur "sein Geschäftsfeld auf zusätzliche gesellschaftliche Felder", erklärten die NOlympier in Hamburg, die Spielegegner in Berlin bezweifeln "grundsätzlich, dass sich das IOC von innen reformieren kann".

Klar: Für die Spiele, das findet auch Bach, braucht es breiten Rückhalt in der Bevölkerung. Allerdings ergänzt er listig: "Das IOC schickt Athleten nur dorthin, wo sie auch wirklich willkommen sind." Als gelte die Kritik der Bürger den Athleten, und nicht dem IOC.

© SZ vom 21.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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