Australian Open:Melbourne lässt die Pinguine los

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Novak Djokovic (re.): In plüschiger Gesellschaft in Melbourne (Foto: AFP)

Schon vor Beginn strömen 17 500 Zuschauer auf das Tennisgelände in Melbourne. Das Grand-Slam-Turnier ist mit seinen Attraktionen ein Vorbild für die Tenniswelt.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Poppy und Branch und Skipper und Kowalski hatten Spaß, sie winkten und turnten umher und taten es ihren Spielkameraden gleich, die zumindest hier noch etwas berühmter sind. Die hießen nämlich Novak Djokovic, Roger Federer, Milos Raonic und Darja Gavrilowa und sind leibhaftige Tennisprofis. Die Animationsfiguren aus Filmen wie "Trolls" und "Die Pinguine von Madagascar", hinter denen sich natürlich verkleidete Menschen verstecken, genossen es merklich, dass ihnen auch die Massen in der Rod Laver Arena zujubelten und kicherten und lachten. Es war ja Kids Day bei den Australian Open, weshalb gefühlt halb Melbourne in den Tennis Park gepilgert war, um sich dieses Familienfest nicht entgehen zu lassen.

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Es war ein langer Samstag, der mit vielen Trainingsstunden auf diversen Plätzen begann, später traten dann auch national bekannte Popsänger aus dem Fernsehen auf. 17 500 Personen waren am Ende gezählt worden, ein neuer Besucherrekord für dieses Ereignis, teilten die Veranstalter sogleich mit. Hätte man sich sofort denken können. Damit ist den Machern des ersten Grand-Slam-Turnieres des Jahres (das deutscher Zeit in der Nacht zu Montag mit der ersten Runde beginnt) gleich das gelungen, was sie am liebsten machen: Sie legen sofort die Messlatte hoch und zeigen den anderen drei Grand-Slam-Veranstaltern in Paris, Wimbledon und New York, dass jedes Jahr ein bisschen mehr geht. In allen Bereichen.

Während in Paris diskutiert wird, expandiert Melbourne weiter

Die Australian Open verkaufen sich gerne und durchaus zu Recht als "Happy Slam", als fröhliches Ereignis, bei dem alle auf ihre Kosten kommen. Aber dieser Begriff klingt mittlerweile fast zu romantisch und harmlos für das, was das Turnier an rasanten Entwicklungsschritten absolviert. Als "benchmarking", als stilprägend und zukunftsweisend gilt die Veranstaltung, die wächst und wächst und investiert. 2008 war das Turnier, hätte man es kaufen können, 163 Millionen Australische Dollar wert (114 Mio. Euro). 2012 hätte man schon 239 Millionen (168 Mio. Euro) bezahlen müssen, 2014 dann 245 Millionen (172 Mio. Euro). Das Turnier schafft 1100 Jobs, 2016 kamen 720 000 Zuschauer, 500 000 Hotelnächte werden aufgrund der Open gebucht.

Während sie etwa bei den French Open noch jahrelang mit den Nachbarn streiten, ob die Anlage um ein paar Plätze vergrößert werden kann, wird in Australien einfach gemacht. "2017 lautete die Phase: Wechsel hin zur Stadt", sagt Craig Tiley, der Turnierdirektor. Ja, und da öffnet sich eben die Anlage hin zur Stadt. Punkt.

Der gebürtige Südafrikaner versichert: "Wir sind das größte jährliche Sportevent der südlichen Hemisphäre", und das soll so bleiben. Drei Minuten und 22 Sekunden, so lange benötige man nun zu Fuß von der Anlage in die Stadt, versichert Tiley. Er sagt das nicht angeberisch. Eher so, als sei das alles ganz normal.

Noch mehr Remmidemmi dank einer neuen Brücke

Eine neue Brücke, die Tanderrum Bridge, macht die neue Rekordzeit möglich, sie führt direkt hinüber zum Flußufergelände namens Birrarung Marr am Yarra River, wo nun noch mehr Remmidemmi in Form von Konzerten, Essensständen und Spielständen stattfinden wird. Die besten Bands Australiens, auch das schwört Tiley, geben sich nun zwei Wochen lang abends die Ehre. Da hatte er übrigens längst erwähnt, dass mit 50 Millionen Australischen Dollar das Preisgeld abermals auf Höchststand angewachsen ist (jetzt muss Wimbledon wieder nachziehen). Die Spieler seien die Hauptakteure, so denken sie, und das Geld soll daher an sie zurückfließen.

Die Profis profitieren aber nicht nur monetär von den ehrgeizigen Herren von Tennis Australia; der nationale Verband mit CEO Tiley ist der Ausrichter. Hinter dem Hauptstadion, benannt nach der heimischen Legende Rod Laver, der eine weitere neue Statue erhielt (diesmal in Bronze), wurde etwa ein gläsernes Gebäude binnen eines Jahres hochgezogen, das Hauptquartier der Organisatoren. In der dritten Etage erhielten die Spieler ihren neuen Wohlfühlbereich, samt Pooltisch. "Ja, wir sind Spieler-freundlich", sagt Tiley und lächelt. Für die Profis ist nur hinderlich, dass sie eben zum Tennisspielen angereist sind, übrigens noch früher als sonst, wie Tiley versichert. Warum? Auch das kann man sich denken. Ihnen fehlt es hier an nichts.

Hier lässt es sich aushalten, notfalls ohne Tennis. Das Grand Slam Oval wurde erweitert und hat nun vier Zonen, in denen die vier Grand-Slam-Orte das Motto sind (Melbourne Gardens, French Quarter, The English Club, NYC Streets). Ein Amüsierviertel fast so groß wie das Schanzenviertel in Hamburg. Auf der Hauptbühne finden ebenfalls täglich Konzerte statt. Überall stehen Büdchen, bei denen man etwas mit Sozialen Medien machen kann, kein Trend wird verpasst. Es ist eher so: Hier werden Trends gesetzt.

Für Vermögendere gibt es jetzt das "Jack Nicholson Experience"

Die neue Kinderspiellandschaft hinter dem Mediencenter ist wohl die größte nach Disneyland und Legoland. Wer Lust hat, kann auch an der neuen virtuellen Fantasy Tennis League mitmachen, gerne dann später von zu Hause. Wie beim Kicker-Tippspiel erhält jeder einen Etat und kauft sich seine Mannschaft zusammen. 100 Millionen Dollar beträgt er hier. Klingt viel, aber allein der Weltranglisten-Erste Andy Murray kostet aktuell 24,02 Millionen (Angelique Kerber 13,26 Millionen). Billiger wäre der Bulgare Alexander Lazov, die Nummer 424 der Welt wäre für 1,45 Millionen zu haben. Die gute alte Autogrammstunde gibt es nichtsdestotrotz immer noch. Eine solche authentische Nähe können selbst Snapchat, Instagram, Periscope und Eibo nicht erzeugen. Entsprechend lang sind die Schlangen.

Der allerneueste Gag kostet mindestens eine vierstellige Summe, ein bequemer Sessel in der ersten Reihe der Rod Laver Arena. Diese Logenplätze sind zwar beim US-Basketball in der NBA schon en vogue. Aber im Tennis eben noch nicht. 16 Exemplare gibt es nur, eine elitäre Geschichte, auch an die vermögendere Klientel wird gedacht. Natürlich passt der Name der Aktion: "Jack Nicholson Experience", so lautet das Angebot. Weil der Schauspieler bekannt dafür ist, seit Jahren schon ganz nah am Spielfeld sitzend die L.A. Lakers zu verfolgen.

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Pläne, was sich noch ändern ließe, liegen übrigens schon in der Schublade. Ein Show Court etwa soll keine Tribünen erhalten - sondern abgesenkt in den Boden gebuddelt werden. Wer Parterre steht, schaut somit von oben auf den Platz hinunter. Down under, wörtlich genommen.

© SZ vom 15.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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